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Post aus Prag: das „Build-Up“ vor der Großen Pardubitzer

Inzwischen Deckhengst in Tschechien: Alaska River. www.galoppfoto.de - Sabine Brose

Autor: 

Martin Cáp

TurfTimes: 

Ausgabe 386 vom Donnerstag, 24.09.2015

Eigentlich ist es nur ein Monat vor dem Ende der Saison in Tschechien, aber wer sich ein grobes Bild über die hiesige Rennsportszene und Vollblutzucht machen will, sollte in den nächsten zwei Wochen aufpassen. Es beginnt bereits das „Build-Up“ vor der Großen Pardubitzer, der einzigen Massenveranstaltung des tschechischen Turfs, während der Pferderennen in den Hauptmedien so omnipräsent wie in England sind. Der Sportkanal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bereitet sich auf eine achtstündige (!) Live-Übertragung vor, während der jeder einzelne Starter des Rennens mit einem Profil inkl. Stallbesuch und aufwendigen Interviews der Nation vorgestellt wird. Das Rennen über 6900 Meter, das traditionell am zweiten Oktober-Sonntag gelaufen wird, ist dieses Jahr sehr offen und soll nach dem Karriereende der dreimaligen Sieger Orphee des Blins und Tiumen nach vielen Jahren einen neuen Star entdecken.

Doch das kümmert den Normalverbraucher nicht so viel, wie die traditionelle Frage, ob der 62-jährige Josef Vána wieder dabei sein wird. Der achtmalige Sieger des Rennens und größte Hindernistrainer des Landes hat eigentlich schon letztes Jahr Schluss gemacht, aber irgendwie hat es niemand so richtig geglaubt. Und der Mann, der als einzige Rennsportpersönlichkeit täglich auf der Straße erkannt wird, spielt auch dieses Jahr mit. Eigentlich hat er nur zwei gute Pferde für das Rennen, Rabbit Well und Hippo Jape, die von den zwei Stalljockeys Josef Vána jr. und Jan Kratochvíl geritten werden. Beide Reiter haben sich aber im Sommer bei Stürzen das Bein gebrochen. Vána jr. ist bereits wieder im Sattel und auch Kratochvíl versucht alles Mögliche, um im Oktober zurück zu sein. „Ein Monat sollte zur Heilung von solchen Verletzungen genug sein…“, sagt Vána in zahlreichen Zeitungsinterviews. „Doch zurzeit ist es noch offen, ob es Kratochvíl wirklich schaffen wird. Ich bin bereit einzuspringen, ich sehe die Chance so bei fünfzig Prozent. Allerdings müsste ich in den letzten zwei Wochen vor dem Rennen noch etwas abspecken…“, fügt er hinzu. Die aktuelle Reiterlizenz hat Vána seit August bereit.

Seit den 90er Jahren fanden am Samstag vor der Großen Pardubitzer auch gut dotierte Flachrennen mit einem „Pardubitzer St. Leger“ über 2900 Meter, in dem u.a. der Wallach Galtee aus dem Stall von Alexander Pereira gelaufen ist. Dieses Jahr hat man sich jedoch in Pardubitz entschieden, dass man sich ausschließlich auf Hindernisrennen konzentrieren will, und auch die Freitagsauktion fällt diesmal wegen Mangel an Jährlingen zum Verkauf aus. Somit findet das Vorzeigemeeting der Herbstsaison in Flachrennen bereits am Samstag in Prag statt.

Am European Jockeys‘ Cup, über den wir bereits letzte Woche berichtet haben, nehmen fast alle Stars der Szene wie Meandre, Autor, Mikesh oder Donn Halling teil. Die einzige Ausnahme ist der Badener Listedsieger Trip To Rhodos (Rail Link), der am Ende doch den Prix du Cadran in Longchamp ansteuern wird.

Sein Jockey Cristian Demuro ist übrigens am Samstag dabei, muss aber ähnlich wie Fabrice Veron und Umberto Rispoli etwas zaubern, falls er die Prager Veranstaltung gewinnen will. Die besten Ritte haben nämlich Filip Minarik, Václav Janácek und Bayurzhan Murzabayev bekommen. In den einzelnen Rennen gibt es internationale Besetzung, es reisen Pferde aus der Slowakei, Ungarn und auch aus Deutschland an. Pavel Vovcenko schickt Simplon und Black Cool Cat, mit zwei Pferden ist Markus Münch präsent und mit Lilydale ist auch William Mongil vertreten. Eine gewisse Enttäuschung für die Veranstalter ist die Absenz von polnischen Pferden, man hoffte auf die Teilnahme des Tripple Crown-Siegers Va Bank. Die polnischen Stars laufen aber logisch in der Wielka Warszawska am Sonntag.

Zwei Deckhengste aus deutscher Zucht wurden am Donnerstag beim Züchtertreffen in Napajedla vorgeführt. Solche Aktionen sind in Tschechien immer noch rar, diesmal hat sich der Jockey Club als Veranstalter versucht. Einer der Stars war natürlich der 14-jährige Egerton (Groom Dancer) im Besitz des Traditionsgestüts in Napajedla, der in der hiesigen Zucht mit den klassischen Siegern Taggerton und Love Me in den ersten zwei Jahrgängen einen sehr guten Start hatte. Dieses Jahr hatte er 36 Stuten gedeckt und war somit der zweitmeistbeschäftigte Deckhengst hinter dem Triple Crown-Sieger Age Of Jape (Jape). Ein Neuzugang war in dieser Saison der 11-jährige Alaska River (Anabaa), der ehemalige Spitzensprinter aus der Ammerländer Zucht, der sich inzwischen im polnischen Besitz befindet. In Polen hat er bereits erste Sieger auf der Rennbahn, in Tschechien hat er 2015 allerdings nur sieben Stuten gedeckt, allerdings waren einige gute dabei.

 Martin Cap

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