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"PC" und sein erster Arc-Sieg

So erlebt man "PC" selten: Pierre-Charles Boudot nach seinem ersten Arc-Sieg ... www.galoppfoto.de - Frank Sorge

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 589 vom Freitag, 11.10.2019

„Ich liebe Waldgeist“ twitterte Pierre-Charles Boudot nach seinem Triumph im Prix de l’Arc de Triomphe (Gr. I) am Sonntag  auf der Rennbahn ParisLongchamp im Westen der französischen Hauptstadt. Der 26jährige französische Jockey hatte sich im Sattel von Gestüt Ammerlands 5-jährigem Hengst als Spielverderber bei der großen Enable-Show erwiesen, in dem er den dritten Arc-Sieg der britischen Stute verhinderte. Zum ersten Mal beim vierten Aufeinandertreffen der beiden konnte Waldgeist die Partie zu seinen Gunsten gestalten. Einen gehörigen Anteil am Arc-Erfolg des von Andre Fabre trainierten Galileo-Sohns hatte Boudot, der lange mit seinem entscheidenden Vorstoß wartete, die fast schon enteilte Konkurrentin erst 50m vor dem Ziel stellte und auf den letzten Metern klar an ihr vorbeizog.50 m vor dem Ziel haben Waldgeist und Pierre-Charles Boudot die Enable-Party gesprengt: PC, wie der Jockey kurz und knapp in der Szene genannt wird, hat dem Galileo-Sohn das perfekte Rennen serviert und die große Favoritin geschlagen. Foto: Dr. Jens Fuchs50 m vor dem Ziel haben Waldgeist und Pierre-Charles Boudot die Enable-Party gesprengt: PC, wie der Jockey kurz und knapp in der Szene genannt wird, hat dem Galileo-Sohn das perfekte Rennen serviert und die große Favoritin geschlagen. Foto: Dr. Jens Fuchs Damit feierte Boudot seinen ersten Arc-Sieg, den er bereits in Höhe des Zielstrichs zelebrierte, in dem er sich senkrecht zu voller Größe von 1,70m in den Bügeln aufrichtete und eine Jubelgeste vorführte. Für den im Auftreten in der Öffentlichkeit ansonsten ruhig und zurückhaltend wirkenden Franzosen ein ungewöhnlicher Gefühlsausbruch im Moment des größten Triumphs seiner Karriere.

Der Vater Marc Boudot wäre so stolz gewesen: Jockey Pierre-Charles Boudot mit seiner Schwester Marie-Gabrielle und seiner Mutter  Catherine nach seinem Sieg mit Waldgeist im Prix de l'Arc de Triomphe. www.galoppfoto.de - Frank SorgeDer Vater Marc Boudot wäre so stolz gewesen: Jockey Pierre-Charles Boudot mit seiner Schwester Marie-Gabrielle und seiner Mutter Catherine nach seinem Sieg mit Waldgeist im Prix de l'Arc de Triomphe. www.galoppfoto.de - Frank SorgeBegonnen hatte für Boudot, der in französischen Turf-Kreisen nur „PC“ genannt wird, der Weg in Paray-le-Monial, einem kleinen Städtchen im Department Saône-et-Loire, nordwestlich von Lyon in der Mitte des Rennbahndreiecks der Bahnen von Vichy, Moulins und Lyon gelegen. Hier wurde er kurz vor Weihnachten 1992 als Sohn des auf Hindernisrennen spezialisierten Trainers Marc Boudot geboren. Im Stall seines Vaters, der in seiner Trainerkarriere mehr als 500 Sieger vom Geläuf abholen konnte, lernte er früh den Umgang mit Vollblütern und das Reiten. Seine ersten Rennerfahrungen sammelte er in Ponyrennen in der Region. „Ich verdanke alles meinem Vater“, bekundet PC immer wieder in Interviews, wenn er zu den Ursachen seiner Erfolge befragt wurde. Sein Vater war es auch, der den Kontakt zu Andre Fabre herstellte, bei dem er vor Beginn seiner Ausbildung an der französischen Jockeyschule in Gouvieux bei Chantilly bereits ein Praktikum absolvierte und anschließend als Nachwuchsreiter beschäftigt war. Als Jockey auf der Rennbahn konnte Marc Boudot seinen Sohn allerdings nicht mehr erleben, da er bereits im Januar 2008 an einem Hirntumor, der erst wenige Wochen zuvor diagnostiziert worden war, im Alter von nur 56 Jahren verstarb.

Am 29. März 2009 ritt der damals Sechzehnjährige erstmals in einem offiziellen Rennen auf der bretonischen Provinzrennbahn in Loudéac, bereits beim dritten Versuch – diesmal auf der Provinzrennbahn in Méral – glückte der erste Sieg, dem bald weitere folgen sollten, schon im ersten Jahr seiner Jockeykarriere waren es 38 Erfolge. Im folgenden Jahr 2010 wurde er mit 58 Siegen nicht nur Champion der Nachwuchsreiter, sondern konnte auch Anfang Juli seinen 70. Erfolg auf der Rennbahn in Clairefontaine feiern (anders als in Deutschland erfordert das Führen des Titels „Jockey“ in Frankreich nicht 50, sondern 70 Siege). Im September desselben Jahres schaffte er auch im Prix Lutèce (Gr. III) den ersten Gruppe-Treffer, passenderweise auf der von Andre Fabre trainierten Brigantin, mit der er im folgenden Jahr auch den Prix Vicomtesse Vigier (Gr. II) gewann und respektable 3. Ränge im Ascot Gold Cup (Gr. I) und Prix du Cadran (Gr. I) errang.

Ganz so steil und kometenhaft, wie es der Beginn der Karriere vermuten ließ, war der Weg in die französische Jockeyelite für PC dann doch nicht. Der junge Mann, mit einer Größe von 1,70m ohnehin nicht mit den Idealmaßen eines Jockeys ausgestattet, bekam Gewichtsprobleme. Im Jahr 2011 steigerte er seine Siegausbeute zwar noch einmal auf 74 Siege, was ihm Platz 12 in der Championatswertung des Nachbarlandes einbrachte, doch in 2012 erfolgte der Rückschlag: Ein Fünftel weniger Ritte, nur noch 67 Siege und Platz 17 in der Championatswertung, die nur wenig älteren Maxime Guyon und Mickael Barzalona, beide ebenfalls aus der Talentschmiede von Andre Fabre, schienen doch die größeren Zukunftshoffnungen der französischen Jockeygilde zu sein. Doch mit eiserner Disziplin und – wie später in Interviews zu lesen war - getrieben vom Wunsch, seinen verstorbenen Vater stolz zu machen, bekam PC seine Gewichtsprobleme durch eine Ernährungsumstellung in den Griff und setzte zum Aufstieg in die Spitzengruppe an.

Es war das Wochenende des Pierre-Charles Boudot: Nicht nur der Arc wurde gewonnen ... www.galoppfoto.de - Frank SorgeEs war das Wochenende des Pierre-Charles Boudot: Nicht nur der Arc wurde gewonnen ... www.galoppfoto.de - Frank SorgeBereits 2013 belegte er mit einer dreistelligen Siegzahl erstmals Rang 3 in der Abschlussstatistik der französischen Championatswertung, eine Platzierung, die er mit ähnlicher Siegzahl auch 2014 wiederholte. In 2014 glückte ihm mit dem Fabre-Schützling Gallante im Grand Prix de Paris (Gr. I) auch sein erster Sensationssieg (Siegquote 34:1) auf höchstem Gruppe-Parkett. Diesem ersten Gruppe I Volltreffer sollten in der Folgezeit noch 16 weitere auf diesem Level folgen, davon auch zwei im Mutterland des Turfs. In 2015 errang er „im toten Rennen“ mit Christophe Soumillon seine erste „Cravache d’or“ (so wird im Nachbarland das Jockeychampionat bezeichnet, übersetzt bedeutet der Begriff „goldene Peitsche“), beide hatten sich einen spannenden Kampf um den Titel geliefert und jeweils 179 Siege erzielt. Im folgenden Jahr folgte für PC die zweite, diesmal ungeteilte „Cravache d’or“ und das gleich mit einer neuen Rekordzahl von Siegen in einer Saison. Bienenfleißig hatte er jede Reitgelegenheit über die gesamte Saison 2016 wahrgenommen und insgesamt 1530 Ritte auf französischen Rennbahnen ausgeführt, wovon er 300 zu Siegen gestalten konnte. Damit pulverisierte er nicht nur den zuvor von Christophe Soumillon gehaltenen französischen Rekord (228 Siege), sondern auch den von Peter Schiergen in 1995 aufgestellten europäischen Rekord (273 Siege). Dass dieser neue Rekord nur ein Jahr hielt, da sich der entthronte Christophe Soumillon ihn im Jahr 2017 mit 305 Siegen (bei 1635 Ritten auf französischen Rennbahnen) zurückholte, dürfte PC nicht gefreut haben, doch konnte er dem belgischen Konkurrenten in 2017 mit seinen 209 Siegen, darunter im März 2017 auf der Rennbahn in Chantilly auch der 1000. Karrieresieg,  nicht gefährlich werden und musste sich mit Rang 2 in der Championatswertung begnügen. Dieselbe Platzierung, wiederum hinter Christophe Soumillon, erreichte PC mit 173 Siegen auch in 2018, allerdings war er in 2018 der Krösus der Gewinnsummenstatistik unter den französischen Jockeys.

Die Entwicklung vom vielbeschäftigten Allround-Jockey auf allen Rennbahnen zum Mann auch für die „big points“ hatte Früchte getragen. Auch in 2019 steuert er auf das Vize-Championat in Frankreich zu, diesmal allerdings hinter Maxime Guyon, der aktuell 28 Siege Vorsprung aufweist. Nach Gewinnsumme gerechnet ist Boudot jedoch allen anderen französischen Jockey weit voraus, er wird diesmal aller Wahrscheinlichkeit nach sogar die 10 Millionen Grenze in Frankreich durchbrechen (aktuell steht er bei 9,54 Mio. Euro, Guyon als Nummer 2 nach Gewinnsumme bei 6,19 Mio. Euro). Zu dieser Erfolgsbonanza trugen in diesem Jahr vor allem seine beiden ersten klassischen Siege - mit Persian King im Hengste-Klassiker auf Meilendistanz im Mai und mit Channel im Prix Diane im Juni – und das Arc-Wochenende bei, an dem er nicht nur mit Waldgeist erfolgreich war, sondern insgesamt sechsmal – davon viermal in Gruppe-Rennen – den Zielstrich als Erster überquerte.

Wer hier steht, hat es geschafft: Pierre-Charles Boudot bei der Siegerehrung für den 98. Prix de l'Arc de Triomphe in Paris-Longchamp. Foto: Dr. Jens FuchsWer hier steht, hat es geschafft: Pierre-Charles Boudot bei der Siegerehrung für den 98. Prix de l'Arc de Triomphe in Paris-Longchamp. Foto: Dr. Jens FuchsBoudot reitet nicht spektakulär, aber effektiv. Er macht nur selten Fehler im Rennen, findet fast immer die richtige Spur für seinen Angriff. Zudem hat er ein gutes Gespür für seinen vierbeinigen Partner und das richtige Tempo im Rennen, wie er im diesjährigen Arc unter Beweis stellte. Seine Schilderung des Rennverlaufs nach dem Erfolg macht dies deutlich: „Das Tempo war anfangs sehr hoch angesichts des Bodens, so dass Waldgeist Schwierigkeiten hatte mitzugehen. Er wollte ein ruhiges Rennen, so dass ich ihn in Ruhe ließ und er sein eigenes Rennen lief. So konnte er in der falschen Gerade seine Batterien wieder aufladen. In der Zielgerade zeigte er dann sein ganzes Kämpferherz und wir sammelten die vor uns liegenden Pferde alle ein.“ Der Arc-Sieg ist die bisherige Krönung der Jockeylaufbahn von Pierre-Charles Boudot, dem Mann aus der Provinz, der das Ziel, seinen Vater stolz zu machen, spätestens am letzten Sonntag endgültig erreicht hat. Doch angesichts seines Alters von erst 26 Jahren können noch viele weitere Höhepunkte folgen. Wer weiß schon, was die Turf-Götter mit PC noch vorhaben.

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