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NH-Update - V steht für Victory ?

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 406 vom Donnerstag, 25.02.2016

Kaum zu glauben, aber mit diesem Freitag ist das Cheltenham-Festival keine drei Wochen mehr entfernt. Die NH-Karawane rollt sich diesem Event weiter entgegen, die Trainer sortieren ihr vierbeiniges Team, jeder muss auf den Punkt fit sein. Hoffnungen erfüllen sich, Hoffnungen zerplatzen. 28 Rennen kommen in diesem Jahr an den vier Tagen zur Austragung (davon im Übrigen zehn Handicaps), und auch wenn die großen Namen ihre Starts weitestgehend absolviert haben (bzw. ohne einen Vorbereitungsstart auskommen müssen), so gilt es vor allem, die Pferde fit und gesund zu halten.

Nachdem Willie Mullins bisher überhaupt nichts falsch machen konnte, scheint bei ihm in den letzen Wochen ein wenig Sand ins Getriebe gekommen zu sein. Im Netz heiß diskutiert wurden vor allem die beiden Stürze von Valseur Lido (einem französisch gezogenen Sohn von Anzillero) und Black Hercules, auf denen Ruby Walsh jeweils mit dem Sieg in der Hand am letzen Sprung zu Fall kam. Außer Rubys Stolz kam sonst niemand zu Schaden, doch sah sich Walsh ungewohnt hämischen Kommentaren online ausgesetzt, die Racing Post fand in Peter Scudamore sogar einen Ex-Jockey, der sich als Ratgeber für den vielfachen irischen Champion-Jockey versuchte.

Sicher, auch ein Jockey vom Kaliber eines Ruby Walsh ist vor Stürzen nicht gefeit, mehr noch, über Jahre geführte Statistiken zeigen tatsächlich, dass Walsh häufiger als seine Top Ten-Kollegen an der letzten Hürde zu Fall kommt, vor allem, wenn er in Führung liegt; aber ein Prozentsatz von rund 0,5% für dieses spezielle Szenario lässt schwerlich  auf einen "Dauer-Stürzer" schließen, zumal Walsh natürlich vor allem in Irland überdurchschnittlich häufig auf dem gemeinten, stark gewetteten Pferd sitzt, so dass meist ein besonderes Augenmerk auf seinen Ritten liegt.

Beide hier genannten Pferde sind daher auch nach wie vor im Wettmarkt ihrer Rennen prominent. Den Super-Gau musste Mullins vor Wochenfrist hinnehmen, als sein Star-Hürdler und kochend heißer Champion Hurdle Favorit Faugheen ("The Machine") aufgrund einer Verletzung aus dem Rennen genommen werden musste. Gerade noch hatte die Shirocco-Tochter Annie Power in Punchestown ihr langerwartetes Jahres-Comeback gegeben, da begann die Nachricht vom Ausscheiden Faugheens über die Ticker zu laufen. Da gab es auch trotz des unangefassten Sieges der mächtigen Fuchsstute bei den Herren Mullins und Walsh keine glücklichen Gesichter, besonders Walsh schien auf einige Zitronen gebissen zu haben, während sich Mullins bemühte, das Ausmaß der Katastrophe gering zu halten ("Es ist nur der falsche Zeitpunkt, aber nicht karriereendend, auch Hurricane Fly hatte eine ähnliche Verletzung und schaut euch an, was er noch erreicht hat".)

Natürlich wirbelte dieses Nachricht den Wettmarkt der Champion Hurdle gehörig durcheinander, nun könnte Annie Power, deren anvisiertes Rennen bislang zwischen Mares´ Hurdle und World Hurdle schwankte, gar für die Champion Hurdle nachgenannt werden, schließlich stünde Besitzer Rich Ricci sonst ohne Starter in diesem Prestige-Rennen da. Lange agierte auch der deutsch gezogene Soldier Hollow-Sohn Arctic Fire prominent im Wettmarkt, nun kam am Dienstag die Hiobsbotschaft, dass auch er mit einer Verletzung am Gleichbein das Rennen wird auslassen müssen. Mullins betonte erneut, dass die Verletzung bei beiden Pferde nicht Karriere- sondern definitiv nur Saison-endend sei. Ein weiterer Ausfall im Team Mullins ist Killultagh Vic, dessen "Beinahe-Sturz" (ebenfalls am letzten Sprung) und nachfolgender Sieg Mitte Januar für enorme Schlagzeilen gesorgt hatte; erst später wurde bekannt, dass sich das Pferd bei diesem Husaren-Ritt doch schwerer verletzt hatte. Nun kommt Mullins trotz allem natürlich nicht mit einem leeren Transporter nach Cheltenham, seine besten Chancen werden wir in der Woche vor dem Festival ("The Festival" ist im Übrigen inzwischen eine eingetragene Marke) noch einmal näher beleuchten.

Auch wenn sie selber sicher die Letzte wäre, die sich in einem Atemzug mit Willie Mullins nennen würde, so hat Nachwuchs-Trainerin Kerry Lee in ihrer ersten Saison mit eigenen Lizenz doch eine mehr als bemerkenswerte Serie hingelegt. Bisher als Assistentin für Vater Richard unterwegs, hat die ehemalige Mitarbeiterin des Senders Channel 4 (Bruder Tom ist dort nach wie vor als Moderator von Renn-Übertragungen tätig) seit Anfang dieser Saison die Zügel selber übernommen. Mit nur rund 20 Pferden in ihrer Obhut legte Lee einen absoluten Traum-Start hin und gewann bereits ihr viertes "Samstags"-Rennen, natürlich Live auf eben Channel 4.

Mountainous (Welsh National), Russe Blanc (Betfred Classic Chase; bei Russe Blanc handelt es sich im Übrigen um das einzige mit der Farbe "weiß" eingetragene Rennpferd in England) und Top Gamble (Game Spirit Chase, wo er u.a. den amtierenden Champion Chaser Dodging Bullets besiegte) waren Nummer 1-3, nun ließ sich Bishops Road in Haydocks Grand National Trial nicht lumpen und eiferte seinen Stallgefährten tapfer nach. "Ich habe eine tolles Team und glückliche Pferde, die unsere Art zu trainieren einfach lieben. Das muss das Geheimnis sein", so eine strahlende Lee, deren Pferde wohl auch vom gefühlten Dauerregen auf der Insel profitieren, trainiert sie doch vor allem Pferde vom beinahe schon altmodischen Typ "Staying Chaser", die über scheinbar endlose Kondition verfügen. Noch ist es zu früh, die Bodenverhältnisse während Cheltenham sicher zu bestimmen, das Festival findet aber seit Jahren auf gutem Boden statt; wenn Lee auch kein wirklich "gemeintes" Cheltenham-Pferd im Stall hat, so sollte man sich hüten, sie im März zu unterschätzen.

Und dann ist da noch V für Victoria, Victoria Pendleton. Pendleton, als Radrennfahrerin eine der erfolgreichsten Olympioniken der Insel, hat sich nach Ende ihrer Karriere im Jahr 2012 im letzten Jahr einer „switching saddles“ („Satteltausch“) PR-Kampagne gestellt. Finanziell vom Wettanbieter Betfair unterstützt, erlernt Pendleton, die vorher noch nie auf einem Pferd saß („Reiten und andere Sportarten wie Ski-Fahren oder so waren während meiner aktiven Laufbahn als Athletin natürlich streng verboten. Ich durfte ja nicht mal in Kino, wegen der Bakterien in der Luft“)  nun mit erstaunlichen Enthusiasmus und viel positiver Energie das Reiten, mit dem Ziel, beim diesjährigen Festival in der Foxhunter´s Chase, dem „Gold Cup für Amateure“, in den Sattel zu steigen.

Begleitet von einem Experten-Team, dem u.a. Champion Trainer Paul Nicholls angehört, und natürlich einem gewaltigen Medien-Rummel – beim ihrem ersten regulären Ritt über die großen Sprünge, in einer Art Qualifikationsrennen für Cheltenham, musste die Rennbahn Fakenham zusätzliche Container bereitstellen, um die Presse zu beherbergen - stehen die Chancen nun auf der Zielgeraden nicht wirklich besser als 50-50. Der erwähnte Ritt in einer Hunter´s Chase endet mit einem Sturz am siebten Hindernis, ein Sturz, der (naturgemäß) gewissen Schwächen im Reitvermögen Pendletons schmerzhaft offenlegte. Unbestreitbar ist, dass Pendleton in kurzer Zeit extrem viel erreicht und sich bei keinem ihrer Auftritte bisher blamiert hat, so ist es aber ebenso unbestritten, dass in der Foxhunter´s Chase noch einmal eine ganze Stange mehr verlangt wird und der jüngste Sturz ein herber Rückschlag war; ganz abgesehen davon, dass weder Pferd noch Reiter nach dem momentanen Stand für das Rennen qualifiziert sind. Pendletons reiterliche Fähigkeiten werden in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert, Ziel erreicht, wird Betfair da konstatieren. „Das einzige, was mir wirklich leid tut, ist, dass ich nicht schon früher mit dem Reiten begonnen habe. All die verpassten Jahre. Ob ich für Cheltenham reif bin, wird sich zeigen, aber ich kann mir nicht vorstellen, mit dem Reiten aufzuhören. Ich möchte so lange in der Morgenarbeit ausreiten, bis ich wirklich nicht mehr in den Sattel steigen kann.“ Begeisterte und begeisternde Worte einer Frau, die der Magie Rennsport zwar spät, aber deutlich verfallen ist.

Nicht für Cheltenham, aber nachdrücklich für Aintree brachte sich am vergangenen Samstag Paul Nicholls´ Evergreen Silviniaco Conti ins Gespräch, für den die Saison bisher alles andere als rund verlaufen war. Nicholls hatte immer wieder betont, dass den nun 10jährigen Wallach alle möglichen gesundheitlichen Probleme plagten:  „Er hatte Magengeschwüre, Probleme mit der Atmung, und diese Warzen, die ihm vor allem beim King George in Kempton so weh getan haben. Wir haben alles ausheilen lassen, nur war er endlich wieder der Alte.“ So ein erleichterter Trainer.  In Ascot gewann "Conti" mit großem Vorsprung das siebtes Grade 1-Rennen seiner Laufbahn und hat für das Grand National nun eine verlockende Marke. Da dieses Rennen gemäß seiner Ausschreibung mit Veröffentlichung der Gewichte (dies geschah bei einem großen Gala-Lunch in der letzen Woche) keine Änderungen in der Einschätzung der Pferde mehr zulässt, erhält Silviniaco Conti  nun tatsächlich einige Pfund Gewicht von Many Clouds, der als Vorjahres-Sieger in diesem Jahr Höchstgewicht schultern muss. Dies passiert einem mehrfachen Gruppe-Sieger ja nun auch nicht alle Tage….

Catrin Nack

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