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NH-Round up - Von Herzproblemen und neuen Stars

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 298 vom Donnerstag, 09.01.2014

Das Team um Sprinter Sacre nach der Aufgabe ... Foto: Toby ConnorsMit dem "King George" in Kempton stand am 2. Weihnachtstag einer der Höhepunkte der ersten Hälfte einer jeden National Hunt Saison in England auf dem Programm, das Ergebnis konnten wir noch in der letzten Ausgabe der Turf-Times unterbringen. Tags drauf wartete Kemptons Zwei-Tage Meeting mit einem weiteren Schmankerl für die Fans des Hindernissports auf, als Sprinter Sacre sein verspätetes Debut in die Saison gab. Ein nicht zufriedenstellender Befund bei einer Routineuntersuchung hatte im Vorfeld einige Pläne über den Haufen geworfen, nun kam es schlimmer: der bis dato über die großen Sprünge ungeschlagen Wallach, in dieser vermeidlich leichten Aufgabe als fast unwettbarer 2/9 (ca. 12:10) Favorit unterwegs, sah auf dem Weg zum Start zwar hervorragend aus, begann aber zur Mitte des Rennens unsauber zu springen und schien nach einem Hindernis sogar an Boden zu verlieren, Jockey Barry Geraghty ging kein Risiko ein und hielt den Wallach sofort an.

Alle sozialen Medien überschlugen sich sofort in Sorge um den Wallach, erste Bilder aus Kempton deuteten immerhin an, dass alle vier Beine ohne Schaden waren. Der Sieger des Rennens – erneut Gary Moores Sire de Grugy, der ja schon von Sprinter Sacres Ausfall in der Tingle Creek Chase profitiert hatte – wurde zur Nebensache, Trainer Nicky Henderson und Besitzerin Caroline Mould eilten auf das Geläuf und mussten dort direkt der warteten Journalistenschar Rede und Antwort stehen. Sprinter Sacres Gesundheitszustand beherrschte dann über Tage die englische Fachpresse, vom Team Henderson in vorbildlicher Form mit Informationen versorgt. Nachdem erste Untersuchungen noch in Kempton ein unregelmäßigen Herzschlag feststellten, wurde der Wallach zu weiteren Untersuchungen in eine Fachklinik nach Newmarket gebracht: „Er kommt nun erst einmal nach Hause, damit er in seinem eigenen Bett schlafen kann. Wir Menschen mögen das eigene Bett doch alle am liebsten.“ So Henderson. Ausgiebige Tests kamen zu dem Ergebnis, dass Sprinter Sacre ein extrem großes Herz hat, etwas, das anscheinend viele Top-Athleten, auch vierbeinig, gemein haben. Sprinter Sacres Herzschlag hat sich zwischenzeitlich von selbst reguliert, so dass man aus seinem Umfeld nach dem momentanen Kenntnisstand weitere Starts in dieser Saison nicht ausschließt.

 

Auf der Freitagskarte von Kempton beeindruckte weiterhin der bekanntermaßen von Frankie Dettori gezogenen Dodging Bullets (Paul Nicholls/Daryl Jacob) in einem Grade II-Event, und brachte sich damit nachdrücklich für die Arkle Chase in Cheltenham ins Gespräch.

Ganz großen Sport zu den Festtagen bietet das Christmas-Festival zu Leopardstown, der vor den Toren Dublins gelegenen Rennbahn, die nicht nur auf der Flachen Hochkaräter zu bieten hat. Das mittlerweile über vier Tage reichende Festival bietet alleine sieben Grade I-Rennen, dazu kommen diverse niedrigere Grade-Rennen und interessante Handicaps. So gut wie jeder prominente irische Vierbeiner kam hier an den Start, und während einige Sterne aufgingen, mussten andere zum Teil unerwartete und enttäuschende Niederlagen hinnehmen. Defy Logic schlug gleich am ersten Tag den heißen Favoriten Champagne Fever, am 2. Tag gewann der schon in der letzen Saison hochprofilierte Benefficient überraschte in der Grade I Dial-a-bet-Chase für 100:10 und schlug mit Hidden Cyclone, Arvika Ligeonniere und Sizing Europe durchaus besser eingeschätzte Gegner. Vor allem Sizing Europe scheint sich dem Ende seiner wunderbaren Karriere zu nähern, vom Rennverlauf passte für den nun zwölfjährigen zweifachen Cheltenham Festival Sieger alles, dennoch wurde er von der jüngeren Garde beinahe brutal in die Schranken verwiesen.

The Tullow Tank gewann sein viertes Rennen (und sein zweites Grade I-Rennen) in Folge, und ein weiterer Name des zweiten Leopardstown-Tages war Plinth. In den Farben von JP McManus und geritten von Stalljockey AP McCoy gewann der Montjeu-Sohn für keinen geringeren als Trainer Aidan O´Brien. Plinth, der sein Lebensdebut auf der Flachen gegen Epsom Derby Sieger Ruler of the World gab, diente vorher beinahe als Familienpferd für Tochter Ana und Sohn Joseph, und  war O'Briens fünfter Sieger unter National Hunt Rules in der laufenden Saison in Irland; leise, still und fast heimlich haben es seine Pferde auf immerhin 30 Starts in Bumpern und Hürdenrennen gebracht und nähren die Gerüchte, dass Sohn Joseph sein Gewicht für Flachrennen nicht mehr ewig wird halten können.

Am dritten Meetingstag, dem Samstag, stand mit der Lexus Chase (vorher bekannt als Ericsson Chase) eine der renommiertesten Grade I-Prüfungen der grünen Insel auf dem Programm. Hier zeigte sich erneut, wie eng im Rennsport Siege und Niederlagen nebeneinander liegen, denn nur einen Tag nach der enttäuschenden Darbietung von Sprinter Sacre war das Team Henderson-Geraghty nun wieder „top of the world“, als nämlich Bobs Worth, der im November in Haydock so unerklärlich enttäuscht hatte, diese Form mit seinem Sieg hier nachdrücklich gerade rückte und verdient seinen Platz an der Spitze des Cheltenham Gold Cup Wettmarktes wieder einnahm. Mit etwas veränderter, aggressiverer Taktik hielt Geraghty seinen willigen Partner immer im Vorderfeld, um dann im Einlauf resolut die Spitze ergreifend sicher nach Hause zu stehen. Bobs Worth schlug hier ein hochklassiges Feld voller junger, hoffnungsvoller Pferde, und sollte nach diesem Eindruck und nach dem Ausfall von sowohl Sir Des Champs und Flemenstar in Cheltenham keinen Gegner wirklich fürchten müssen.

Zeitgleich wurde in Wales das Welsh National gelaufen, nach den auf der Insel herrschenden Regenfällen und daraus resultierenden Bodenverhältnissen eine wahre Schlammschlacht und nichts für Feiglinge. Erneut gab es zwar einen tollen Sieger, doch lag aber trotzdem das Augenmerk  mehr auf einem anderen – diesmal platzierten – Pferd. Mountainous gewann für seine walisisches Team (sowohl Trainer Richard Lee als auch Mitbesitzer Dai Walters kommen als Wales)  - doch kein Auge blieb trocken bei der wundervollen Leistung des drittplatzierten Tidal Bay, der kiloweise Gewicht an die beiden vor ihm platzierten Pferde gab und trotzdem  mit weniger als einer Länge verlor. Trainer Richard Lee, dessen Sohn Tom für Channel4 arbeitet, gewann damit nach Le Beau Bai in 2011 sein zweites Welsh National in zwei Jahren und hatte den Sieger, der zur Quote von 210:10 zum Zuge kam,  sogar am Morgen in der Rennsportsendung „Morning Line“ wärmstens empfohlen. Für weitere Rennsport-Quiz-Abende sei angemerkt, dass Lees Karriere seinerzeit durch ein Pferd namens Delius angekurbelt wurde.

Das Bild für die Champion Hurdle in Cheltenham rückte Hurricane Fly gerade, wenn es dessen denn bedurft hätte. In der Ryanair Hurdle schlug der nun  eunjährige Montjeu-Sohn mit Jezki und Our Conor zwei hocheingeschätzte junge Gegner in wirklich eindrucksvoller Manier; auch wenn sein Rennrekord immer wieder Zweifler findet („in zu einfachen Rennen“, „kaum Gegner“ „nur in Irland“), so hat er nun „trotzdem“ 18 Grade I-Rennen mehr oder weniger in  Folge gewonnen und ist das Pferd, das in Cheltenham alle schlagen müssen. Trainer Willie Mullins hat die Kinderkrankheiten, der Wallach selber sein Temperament nun viel besser unter Kontrolle, und wäre Hurricane Fly englisch, würde die Racing Post ihn sicher mit ganz anderen Superlativen feiern, aber Irland ist und bleibt der „arme“ Nachbar.

Mulllins, der mit Ruby Walsh den zur Zeit besten wohl Hindernis-Jockey der Branche als festen Stalljockey nutzen kann, steht nun vor einem nicht kleinen Dilemma: mit Hurricane Fly und Quevega (Mares' Hurdle)  hat er zwei heiße Cheltenham Favoriten im Stall, die zudem beide eigene Rekorde verteidigen bzw. aufstellen sollen (Quevega zur 6. (!) Mares' Hurdle; Hurricane Fly zur 3. Champion Hurdle);  nun klopft mit Annie Power ein weiteres Pferd aus seinem Stall an, welches allem Anschein nach das Zeug zu einer ganz Großen hat. Nach ihrem Sieg in Ascot kam die Stute am Neujahrstag erneut nach England, und wenn sie in Cheltenham erneut nur auf einen ernsten Gegner – wiederum Zarkandar – traf, so schlug sie ihn nochmals in so eindeutiger Manier, dass ein Cheltenham-Start sicher Pflicht ist und sie ein Stolperstein für beinahe jeden Favoriten werden könnte. Die Shirocco-Tochter aus der Familie der Anna Paola ist nun bei neun Starts ungeschlagen, sie steht im Besitz des Ex-Bankers Rich Ricci (Nomen est omen), dessen mit Millionen Pfund versüßtes Ausscheiden aus der krisengeschüttelten Barclays Bank für viel Wirbel in der britischen Klatschpresse sorgte. Offiziell laufen die Pferde natürlich in den „rosa mit grünen Punkten“ Rennfarben seiner Frau Susannah, so auch Annie Power. Sowohl die Champion Hurdle als natürlich auch die Mares' Hurdle könnten Ziele der Stute sein, aber auch die World Hurdle ist eine Option, hier hätte Mullins „nur“ Boston Bob als aussichtsreichen Kandidaten. Vor allem aber könnte in der World Hurdle der schwarze Schatten keines Geringeren als Big Buck's lauern, zu dessen Gesundheitszustand nach langer Verletzungspause Paul Nicholls zunehmend positive Bulletins veröffentlich und nun auch öffentlich über die Jockey-Frage spekuliert; gerne würde man natürlich auf „Stamm-Jockey“ Ruby Walsh zurückgreifen, das wird aber, siehe oben, schwer möglich sein. Hier wird es sicherlich noch einige interessante Wendungen geben, zumal bekannt ist, dass Willie Mullins sich am liebsten erst rund eine halbe Stunde vor Start eines Rennes entscheiden würde, welcher seiner verwirrenden Vielzahl von Spitzenpferden denn nun tatsächlich an den Start kommt, was sein Büropersonal regelmäßig in die Verzweiflung treibt.

Ebenfalls eine interessante Wendung gab es beim Stalljockey für Ryanair-Boss Michael O'Leary, der ohne Vorwarnung seinen langjährigen Jockey und irischen Champion Davy Russell entließ und durch den jungen Bryan Cooper ersetzte. O´Learys Gigginstown Stud war in dieser Saison mehrfach wegen kontroverser kurzfristiger Nichtstarter im Gespräch, auch saß Russell als Stalljockey auffallend oft auf den „falschen“, sprich: nicht siegenden, Pferden und wird sich nun wieder als Freelancer verdingen müssen.

 

Der Championatskampf zwischen Nicky Henderson und Paul Nicholls ist bereits zu diesem noch recht frühen Zeitpunkt ein spannender Aspekt der laufenden Saison. Und wer hätte gedacht, dass der vorjährige Champion-Trainer Henderson, der in dieser Saison mit Pferden wie Simonsig, Sprinter Sacre, Captain Conan, Long Run, Bobs Worth, My Tent or Yours und Oscar Whisky unbezwingbar schien, nun zumindest im Moment deutlich hinter Nicholls rangiert, dem außer Silviniaco Conti zwar der ganz große Star fehlt, dessen Pferde aber solide nach vorne laufen und der mit einer ausgezeichneten Quote von 26% Siegern in Chases agiert. Und auch wenn beide Trainer keine Söhne haben, die die Pferde zu Siegen steuern könnten, so stehen doch die Töchter nichts nach: Hendersons Tochter Camilla siegte mit Alt-Star Khyber Kim unlängst in einem Point-to-Point-Rennen, und gleiches gelang nun auch Megan Nicholls zur Freude des gesamten Ditcheat-Teams am vergangenen Wochenende mit dem ehemals mehr als nützlichen Gwanako.


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