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Neue Deckhengste in Deutschland (IV): Boscaccio

Boscaccio mit Dennis Schiergen im Sattel nach seinem Listensieg in Hannover. www.galoppfoto.de - Sabine Brose

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 601 vom Freitag, 17.01.2020

Das IDEE 147. Deutsche Derby wird in die Geschichte als ein Rennen eingehen, das Sport- und Zivilgerichte noch Jahre später in wenig rühmlicher Weise beschäftigte. Es war das Derby, das Isfahan gewann, dessen Reiter Dario Vargiu die Peitsche zu oft einsetzte, was im Nachhinein zu ewigen Kontroversen führte. Es war aber auch ein Derby, bei dem die Bodenverhältnisse extrem waren „schwer bis tief“ hieß es im offiziellen Rennbericht, ein sehr forderndes Geläuf. Und das wurde dem klaren Favoriten Boscaccio zum Verhängnis, das war nicht seine Welt.

Zum Kurs von 3,0:1 war er damals aufgaloppiert, es war ein Favorit, um den es im Vorfeld einen gewissen Hype gegeben hatte. Seine Besitzergemeinschaft um Rainer Hupe aus Seevetal stammte aus der Hamburger Umgebung, es war also eine Art Lokalmatador, Trainer Christian Sprengel aus Hannover verkörperte den soliden Mittelstand seiner Branche und Jockey Dennis Schiergen war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht so lange dem Amateurstatus entwachsen, arbeitete eigentlich mehr als Teilzeitprofi. Ein Pferd also, das als Identifikationsobjekt taugte. Das aber auch erstklassige Vorleistungen vorweisen konnte.

Sprengel hatte ihn sehr bewusst aufgebaut. Zweijährig war er nur einmal am Start, gewann über die Meile in Hannover u.a. gegen den später mehrfach auf Gr.-Ebene erfolgreichen Noor Al Hawa. Dreijährig begann er mit einem souveränen Erfolg gegen Moonshiner in Hoppegarten, holte sich dann auf der Heimatbahn das dortige Derby-Trial erneut gegen Moonshiner und Dschingis Secret. Im Oppenheim-Union-Rennen (Gr. II) war er bereits Favorit, setzte sich dann auch gegen El Loco und Dschingis Secret durch. Die exponierte Stellung in Hamburg war dann die logische Folge, doch waren die Bedingungen nicht seine Welt, er war bereits im Schlussbogen geschlagen und wurde Achter.

Es war im Nachhinein ein gewiss überdurchschnittlich besetztes Derby. Zwar kam der Sieger Isfahan anschließend nicht mehr an den Start, der Zweitplatzierte Savor Vivre gewann immerhin den Grand Prix de Deauville (Gr. I), der Dritte Dschingis Secret wurde Gr. I-Sieger und ein international erfolgreiches Grand-Prix-Pferd. Alle drei sind im Gestüt. Der Vierte Wai Key Star war wie der Sechste Our Last Summer später auf Gruppe-Ebene erfolgreich.

Mit Boscaccio lief es hingegen weniger gut. Er kam dreijährig nur noch einmal heraus, im Großer Preis von Baden (Gr. I) passte der Boden wieder nicht, er war chancenlos. Vierjährig gewann er ein 1800-Meter-Rennen in Hoppegarten, konnte ebenso wie im Jahr darauf, als er unter Höchstgewicht einen Ausgleich II erneut in Hoppegarten an sich brachte, in besserer Klasse nicht mehr überzeugen. Er wechselte für die Saison 2019 in den Stall von Peter Schiergen, doch war seine Rennkarriere nach zwei Starts und einem Sieg in einem Altersgewichtsrennen in Krefeld über 2050 Meter verletzungsbedingt beendet. Bei 24 Starts war er siebenmal erfolgreich, sein höchstes Rating betrug 96kg.

Gezogen von der Stiftung Gestüt Fährhof ist Boscaccio ein Sohn des im vergangenen Jahr eingegangenen Mount Nelson (Rock of Gibraltar). Er ist Vater mehrerer Gr. I-Sieger, sein in den Royal Lodge Stakes (Gr. II) erfolgreicher Sohn Berkshire steht als Deckhengst im Kedrah House Stud in Irland. Im dortigen Boardsmill Stud stand zuletzt auch Mount Nelson, zuvor war sein Standort das Newsells Park Stud.

Die Mutter Bianca de Medici (Medicean) hat in Windsor und Wolverhampton über 1200 bzw. 1400 Meter gewonnen. Boscaccio ist ihr bisher bester Nachkomme, zwei Söhne von Campanologist und Maxios haben gewonnen. Ein Jährlingshengst hat Territories als Vater, er ist vergangenes Jahr bei Arqana für 51.000 Euro verkauft worden. Bianca de Medici selbst wechselte letzten Dezember über das Haras d’Ombreville tragend von Olympic Glory für 20.000 Euro den Besitzer, sie wurde von Paul Nataf gekauft.

Sie ist eine Halbschwester von Thunder Teddington (Halling), Listensieger in der Schweiz, listenplatziert in Baden-Baden, Dresden und in Flemington/Australien, wohin er verkauft wurde. Die zweite Mutter Tremiere (Anabaa) ist eine rechte Schwester des Listensiegers, Gr. I-Dritten und Deckhengstes Tsigane und von Trevise, die zwar nur ein Rennen gewonnen hat, sich in die Geschichtsbücher aber als Mutter der zweifachen „Arc“-Siegerin Treve (Motivator) eingetragen hat. Zur Familie gehören auch Stars wie Triptych (Riverman), Treble (Riverman) und der Gr. I-Sieger und Deckhengst Tamarisk (Green Desert).

Boscaccio ist von Maria Lehnhardt erworben worden und wird auf dem familieneigenen Söderhof in Walsrode seine Karriere als Deckhengst beginnen. Er ist dort dann einer von sieben Deckhengsten, seine Boxennachbarn sind durchweg in der Warmblutzucht tätig. Dazu zählt auch der vom Gestüt Wiesengrund gezogene Duke of Hearts (Halling), ein Listensieger, der inzwischen ein begehrter Vererber von Vielseitigkeitspferden ist.

Bei Boscaccio, für den eine Decktaxe von 3.000 Euro aufgerufen wird, will man sich aber ausschließlich auf die Vollblutzucht konzentrieren. Die drei Stuten in Söderhof-Besitz werden zu dem neuen Hengst gehen: Wave Goodbye (Linamix), Siegerin und Siegermutter, von der ein Jukebox Jury-Sohn 2018 bei Arqana für 22.000 Euro verkauft wurde, Aux Quatre Saisons (Dansili), Mutter des mehrfachen Siegers Analeon (Sunday Break) und die Neuerwerbung Elara (Raven’s Pass), die in Frankreich zwei Rennen gewonnen hat, deren dritte Mutter die einflussreiche Gull Nook (Mill Reef) gehört, zu deren Nachkommen auch Schlenderhaner Gruppe-Sieger wie Königstiger (Tiger Hill) und Kalla (Monsun) gehören.

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