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Jessica und Monkey - zwei Underdogs in Cheltenham

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 254 vom Donnerstag, 28.02.2013

Die Bedeutung des Cheltenham-Festivals ist hier in Deutschland wohl  nur ansatzweise zu ermessen. Nennungsergebnisse, Zuschauerzahlen und Preisgelder erreichen Höhen, von denen selbst der verwöhnteste Rennverein hierzulande nur träumen kann, und für einen jeden Besitzer der ultimative Traum, überhaupt einmal einen Starter in einem der Rennen sein Eigen nennen zu dürfen. Mögen auch die arabischen Namen in der Besitzerschar fehlen, so ist der National-Hunt Sport aber natürlich nicht arm an wohl-situierten Besitzern, Wirtschaftsgrößen wie JP McManus, Michael O'Leary (Ryan Air), John Hales („Teletubbies“) oder Andy Stewart sind nur stellvertretend zu nennen.  Die großen Ställe von Paul Nicholls, Nicky Henderson, Philip Hobbs & Co überbieten sich gegenseitig in der Anzahl der chancenreichen Starter, dazu kommen all die Top-Trainer aus Irland - und dann ist da noch Jessica Westwood. Ganze vier Pferde trainiert Westwood vom kleinen Bauernhof ihrer Eltern in Minehead (Somerset), von denen der 10jährige Monkerty Tunkerty den Namen – und auch die Farben, da sie hier auch als Besitzer fungiert -  über die Hindernisse im Prestbury Park tragen wird.

Spulen wir die Zeit zwölf Monate zurück, und Westwood und Monkerty Tunkerty waren schon einmal an diesem Punkt, an der Schwelle zu Sieg und Anerkennung. Anfang 2012 machte das Team mit einem Schlag auf sich aufmerksam, als sie gemeinsam eine Hunter Chase (der Sieg in einer solchen Prüfung  ist gleichzeitig die Qualifikation für die Foxhunters´Chase in Cheltenham und war gleichzeitig Jessicas erster Ritt „under rules“)  in wirklich überragendem Stil gewannen und damit sofort einer der Favoriten für den „Gold Cup für Amateure“ wurden.

Die Presse stand damals Schlange bei Westwood, und es war ja auch eine Geschichte, die sozusagen die wahre Essenz  des Rennsports überall auf der Welt ist: ein unbeschriebenes Pferd, günstig von der Familie gekauft, um der Tochter im Rennsport einen Namen zu machen, ein toller Sieg, die Aussicht auf einen großen Erfolg. Die Tochter, Jessica natürlich, die nach einem schweren Reitunfall als Teenager Jahre zuvor lange Zeit gebraucht hatte, sich ins „normale“ Leben zurück zu kämpfen:  sie war bei der Morgenarbeit auf einer Straße gestürzt, und wurde zusätzlich unglücklich vom Pferd getroffen. Jessica trug schwere Kopfverletzungen und ein zerfetztes Trommelfell davon, konnte ein Jahr lang nicht in einer geraden Linie laufen – „Die Ärzte sagten, Reiten würde meiner Balance helfen. Ich musste einen Sonnenbrille tragen und Fernsehen und Lesen waren auch für ein Jahr verboten, damit mein Gehirn wieder abschwillt und zur Ruhe kommt.“

Aber Jessica war ein Kämpfer, und sie gab nicht auf. Mit Monkey, natürlich der Spitzname für Monkerty Tunkerty – der Name wurde im Übrigen von den Vorbesitzern gewählt, es war ein Teddybär eines Teilnehmers der Reality-Show „Big Brother“, und man hatte tatsächlich um schriftliche Erlaubnis zur Nutzung bitten müssen - kamen zuerst Siege in kleineren Point-to-Point-Prüfungen, sogar einmal, an einem Dezembertag im Jahr 2010, ein Doppelsieg mit einem anderen Schützling. Jessica war nicht nur de facto Besitzer (auch wenn das Pferd damals im Namen der Eltern lief), sie trainierte und ritt ihn selbstverständlich selber. Ihr Vater war voll des Lobes: "Jessicas Leben dreht sich nur um die Pferde, sie hat überhaupt kein Sozialleben. Sie steht morgens um fünf auf, reitet die beiden Pferde. Dann kommt ihr Job (sie war damals bei Jeremy Scott als Stallmädchen angestellt und ritt auch für Philip Hobbs aus). Wenn sie nach Hause kommt, kommen wieder die Pferde dran. Ihr ganzes Geld steckt sie nur in die Pferde. Ich kenne niemanden, der so hart arbeitet wie sie. Sie verdient jeden Erfolg, der ihres Weges kommt“. „Ich wollte schon immer Jockey werden“ betonte Jessica damals. „ Als Zwölfährige haben mich meine Eltern mit nach Aintree genommen, und das einzige Gefühl, das ich erinnern kann, war Neid auf all die Jockeys, die da reiten durften. Ich möchte der führende weibliche Amateur werden. Reiten ist alles, was ich wirklich machen möchte." Und: "Sollte das nicht klappen, muss ich halt Trainer werden.", setzte sich quasi als Nachgedanke hinzu.

Noch alles schien gut im März 2012, und alles war gut bis zum 15. März 2012. Eine leichte Hufverletzung, die sich Monkey ausgerechnet am Tag vor Cheltenham zuzog, machte dann einen dicken Strich durch all die wunderbaren Pläne, aber wer gedacht hatte, dies sei des „Schlimmen“ genug, wurde auf grausame Weise eines Schlechteren belehrt. Am 17. März, nicht einmal 24 Stunden, nachdem sie in Cheltenham angetreten wäre, ritt Westwood bei einem lokalen Point-to-Point Meeting und stürzte mit einem anderen Pferd so schwer, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hin: „Auf des GCS [Glagow Coma Scala]  Skala von 0-15, wobei 0 der Tod ist, war ich eine 2, und die Luft-Ambulanz rettete mein Leben. Ich habe vordere Seite meines Gehirns verletzt, und habe viel von meinem Kurzzeitgedächtnis verloren, und meine linke Seite war fast gelähmt, wie nach einem Schlaganfall", beschrieb Westwood die Lage einige Monate später. Ich war in Deutschland zur Rehabilitation, und kann mich schon wieder gut bewegen, und es wird täglich besser." Westwood verbrachte rund zwei Monate in der Fachklinik Enzensberg, wo sich ihr Zustand, vor allem die „schlechte“ linke Seite, stetig verbesserte. Doch die schwerste Pille sollte erst noch kommen. Nachdem Westwood nun die zweite Kopfverletzung innerhalb von fünf Jahren erlitten hatte, wurde ihr die Jockey-Amateur-Lizenz dauerhaft und unwiderruflich entzogen. „Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich die Lizenz auf keinen Fall wieder erhalten werde. Nun muss ich wohl doch Trainer werden. Es wird sehr schwer werden, einen anderen Reiter auf Monkey zu sehen, aber ich muss machen, was das Beste für das Pferd ist. Er hat so viel zu geben, und verdient seine Chance.“

 

Monkey erhielt seine Chancen, und er nutze seine Chancen. Im Juni letzten Jahres – Westwood hatte die deutsche Klinik gerade erst verlassen – wurde er in einer Hunter Chase mit einem Amateur im Sattel ehrenvoller Zweiter. Von vier weiteren Rennen – Westwood trainiert nun mit einer „halben“ Lizenz und ist im Moment ein Besitzer-Trainer - gewann Monkey zwei Rennen, und er hat seinen neuen regulären Jockey in Will Kennedy gefunden. Im Moment hat Monkey noch zwei Nennungen für Cheltenham, sollte aber das Grade 3 Handicap über drei Meilen (JLT Specialty Handicap, am 12. März, dem ersten Tag des Meetings) ansteuern. Für dieses Rennen steht er im Moment 20-1, nicht so schlecht, da der „Favorit“ des Rennens auch mit rund 10-1 notiert.

Das Wort „aufgeben“ kommt  in Sprachschatz von Westwood nicht vor. „Ich werde keine Rennen mehr reiten dürfen, aber natürlich reite ich weiter zu Hause aus, es wäre für mich unmöglich, das nicht zu tun. Ein Arzt sagte einmal zu mir: "Wenn Du etwas wirklich willst, gibt es nichts, was dich stoppen kann.“ All das hat mich nur noch entschlossener gemacht, zu zeigen, was ich kann.“ Westwood wartet nun darauf, eine volle Trainer-Lizenz zu erhalten, und ihr nächstes Ziel sind 20 bis 25 Pferde im Training.

Doch erst einmal steht Cheltenham an, mit all den Hoffnungen und Träumen, die Monkey zusätzlich mit Will Kennedy auf seinem Rücken tragen wird.  Und vielleicht klappt es ja, im zweiten Anlauf….                                                                   

Catrin Nack

Das diesjährige Cheltenham-Festival findet vom 12. bis 15. März statt. Hier geht es zur offiziellen Webseite: Klick!

 

 

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