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Das "Iron Horse" lebt nicht mehr

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 514 vom Freitag, 20.04.2018

Wer einmal an der nordirischen Küste rund 80 Kilometer nördlich von Belfast eine eigentümliche geologische Formation aus rund 40.000 gleichmäßig geformten Basaltsäulen gesehen hat, wird das bizarre Naturmonument nicht so schnell vergessen. Die deutsche Übersetzung dieses seit mehr als 30 Jahren zum UNESCO Weltkulturerbes rechnenden Küstenabschnitts lautet „Damm des Riesens“. Beim englischen Originalnamen Giant’s Causeway denken viele Turf-Fans jedoch nicht zuerst an das nordirische Naturschauspiel, sondern an den Coolmore Hengst, der danach benannt wurde und diesem Namen alle Ehre machte. Besagter Giant’s Causeway, ein wahrer Riese auf der Rennbahn und im Gestüt, verstarb in der Nacht von Montag auf Dienstag, wie das Ashford Stud auf seiner Webseite meldete.

Für den Fuchshengst schloss sich damit schon nach 21 Jahren der Kreis, er war am 14. Februar 1997 auf demselben Gestüt in Kentucky, auf dem er bis zuletzt als Deckhengst im Einsatz war, geboren worden. Die Phase als aktives Rennpferd verbrachte er jedoch in Europa. Unter der Obhut von Aidan O’Brien lief Giant’s Causeway zwei- und dreijährig in insgesamt 13 Rennen, davon zehnmal auf Gruppe I Parkett. Neun Siege, davon sechs auf höchstem Level, stehen in seinem Rennrekord, in den weiteren vier Rennen war er jeweils Zweiter.

In seiner Zweijährigen-Kampagne blieb er bei drei Starts ungeschlagen, Höhepunkt der Youngster-Saison war nach einem ersten Gruppe III Sieg auf dem heimischen Curragh im August des Jahres ein Gruppe I Erfolg im heute nicht mehr existierenden Prix de la Salamandre im September in Longchamp. Dreijährig startete er zwar mit einem Sieg in einem Gruppe III Rennen auf dem Curragh, doch verlor er anschließend seine weiße Weste in den englischen 2000 Guineas, als er King’s Best den Vortritt lassen musste. Auch drei Wochen später im irischen Pendant konnte er seine Favoritenrolle nicht bestätigen, er unterlag dem Godolphin-Vertreter Bachir knapp. Zurück in die Siegesspur fand Giant’s Causeway beim Royal Ascot Meeting, als er in den St. James’s Palace Stakes den ersten von insgesamt fünf aufeinanderfolgenden Gruppe I Triumphen feiern konnte. In Ascot schickte er die versammelte Elite des Derby-Jahrgangs auf der Meilendistanz auf die Verliererstraße und nahm dabei u.a. auch Revanche an seinem vorherigen Bezwinger Bachir.

Der Stil des Ascot-Siegs war dabei typisch für Giant’s Causeways Erfolge: In der Zielgerade wurde er passiert und das Rennen schien für ihn gelaufen zu sein, doch kämpfte sich der Fuchshengst unter Mick Kinane zurück in die Partie und bezwang den schon als Sieger hochgezogenen Gosden-Schützling Valentino am Ende mit einem Kopf-Vorsprung. Diesen unbändigen Kampfeswillen stellte er auch zweieinhalb Wochen danach bei seinem ersten Versuch oberhalb der Meilendistanz in den Eclipse Stakes unter Beweis. Erstmals überhaupt in seiner Karriere nicht als Favorit an den Start gegangen, ließ er sich durch die Geringschätzung der Wetter nicht davon abhalten, ein weiteres Mal als Sieger vom Geläuf zu gehen. Auch hier war er in der Endphase vom Aga Khan Schützling Kalanisi bereits überlaufen worden, doch drehte er die Partie nochmals und gewann auch diesmal mit einem Kopf-Vorsprung. Im Sattel hatte er beim Eclipse-Erfolg zum ersten und einzigen Mal George Duffield, dessen Peitscheneinsatz in der Endphase allerdings übertrieben war und ihm eine zehntägige Sperre einbrachte.

Keine vier Wochen später folgte beim „Glorious Goodwood Meeting“ der nächste Gruppe I Sieg. Diesmal wieder unter dem Sattel von Mick Kinane, der ihn mit Ausnahme der Eclipse Stakes in allen anderen Rennen ritt, gewann Giant’s Causeway mit einem für seine Verhältnisse geradezu komfortablen Vorsprung einer dreiviertel Länge vor Khalid Abdullahs Dansili die Sussex Stakes. Es lässt sich nicht mehr genau feststellen, wann der Coolmore Hengst zum ersten Mal in den Berichten mit dem Beinamen „Iron Horse“ apostrophiert wurde. Der Kombination von schneller Starfolge in Prüfungen auf höchstem sportlichen Level und extremer Einsatzbereitschaft im Finish eines jeden Rennens zollte die Turf-Presse und das Publikum mit diesem Beinamen Respekt. Keine drei Wochen nach Goodwood machte das „Iron Horse“ erneut seinem Namen alle Ehre. Beim Ebor-Meeting in York errang Giant’s Causeway in einem kampfbetonten Finish den nächsten Sieg, wie in den Eclipse-Stakes hieß der mit einem Kopf unterlegene Gegner hier Kalanisi. Nur zweieinhalb Wochen später folgte in den Irish Champion Stakes der fünfte Gruppe I Treffer innerhalb von nicht einmal zwölf Wochen. Auf der heimischen Hauptstadtbahn im Dubliner Vorort Leopardstown gewann der O’Brien Schützling das wichtigste Rennen Irlands mit einer halben Längen Vorsprung auf Greek Dance, zu den Geschlagenen rechnete bei dieser Gelegenheit auch der deutsche Vertreter Sumitas.

Zu einer als sensationell wahrgenommenen Niederlage des „Iron Horses“ kam es 14 Tage später, als in den Queen Elizabeth II Stakes auf der Rennbahn in Ascot der Sieger nicht Giant’s Causeway, sondern Observatory hieß. Als Erklärung für die Niederlage wurden nicht die stramme Startfolge, die Geläufbedingungen oder ein Jockeyfehler ins Feld geführt, sondern die Tatsache, dass es diesmal zu keinem Finish zweier kämpfender Konkurrenten gekommen war. Observatory hatte das in Führung liegenden „Iron Horse“ mit einem späten Angriff an der Außenseite außerhalb seines Wahrnehmungsbereichs schlichtweg überrascht und ihm die Möglichkeit genommen zu reagieren. Anders war die Situation beim finalen Start seiner Karriere Anfang November auf den Churchill Downs in Kentucky, als Giant’s Causeway im Breeders‘ Cup Classic erstmals auf der Sandbahn antrat. In einem dramatischen Endkampf unterlag er knapp dem US-Hengst Tiznow, der seinen Breeders‘ Cup Titel im Folgejahr verteidigte und vier weitere Gruppe-Erfolge vorweisen kann, somit eine Niederlage gegen einen veritablen US-Sandbahncrack auf ungewohntem Untergrund, die seiner Karriere keinen Schaden zufügte, im Gegenteil: Für diesen 2. Rang erhielt er mit einem Rating von 131 sogar die höchste Handicappereinstufung seiner Laufbahn.

Nach Ende der Dreijährigen-Saison wurde Giant’s Causeway von Coolmore zunächst für ein Jahr in Irland als Deckhengst aufgestellt. Die aufgerufenen 127.000 Euro als Decktaxe waren vor 16 Jahren kein Schnäppchenangebot, dennoch war die Nachfrage groß (151 Nachkommen seines ersten Jahrgangs wurden registriert) und die Investition trug in etlichen Fällen Früchte. Aus der ersten Decksaison stammt nicht nur der klassische Sieger und später in seiner Gestütslaufbahn einflussreiche Deckhengst Shamardal, mit dem 2000 Guineas-Sieger Footstepsinthesands, der Coronation Stakes-Gewinnerin Maids Causeway sowie Aragorn und My Typhoon hatte er allein fünf Gruppe I-Sieger in seinem ersten Jahrgang. Dass seine Zeit in Irland schon nach einem Jahr endete und er an seine Geburtsstätte in Kentucky zurückkehrte, hatte den Grund in einer enormen Nachfrage unter US-Züchtern.

Im Ashford Stud deckte er durchgehend von 2002 bis 2018 umfangreiche Bücher, in der Spitze zu einer Decktaxe von 300.000$ pro Sprung. Dreimal, in den Jahren 2009, 2010 und 2012, stand er an der Spitze der US-Deckhengststatistik. Nicht weniger als 31 individuelle Gruppe I-Sieger in neun verschiedenen Ländern finden sich unter seinen direkten Nachkommen, ein klarer Beleg für seinen weltweiten Einfluss als Deckhengst. Unter den neun Ländern befindet sich auch Deutschland, da seine Tochter Penelopa mit ihrem Erfolg im Preis der Diana von 2013 zu dieser 31er-Gruppe rechnet. Auch die weiteren statistischen Zahlen seiner Deckhengstkarriere beeindrucken: 167 individuelle Blacktype-Sieger und weitere 1109 Sieger kleinerer Rennen führen ihn als Vater in ihrem Stammbaum. Insgesamt rund 130 Millionen Euro haben seine Nachkommen bislang weltweit an Preisgeldern zusammengaloppiert. In 2018 sind insgesamt 27 seiner Söhne als Deckhengst im aktiven Einsatz. Noch im vergangenen Jahr 2017 erzielten seine auf Auktionen verkauften Produkte einen Durchschnittspreis von rd. 180.000 Euro, insgesamt belief sich der Auktionsumsatz seiner Nachkommen in 2017 auf knapp 125 Millionen Euro.

Aidan O’Brien, der mit ihm seinem immer noch unerfüllten Traum vom Breeders‘ Cup Classic Triumph vor 17 Jahren am nächsten war, bezeichnete ihn nach der Todesnachricht als „wahren Champion“, dessen charakterliche Eigenschaften geradezu „unglaublich“ waren. Sein Mut, seine Zähigkeit und seine konstante Einsatzbereitschaft hätten Eindruck auf ihn gemacht. „Er liebte es zu kämpfen“, diktierte O’Brien der Racing Post in die Notizblöcke. Viele dieser Eigenschaften sieht O’Brien auch in seinen Nachfahren. Die Lücke, die sein Ableben in dieser Woche reißt, wird nicht so schnell zu schließen sein.

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