Historie: Der Weg der deutschen Arc-Starter führt über Iffezheim
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TurfTimes:
Die Marschroute für den Monsun-Sohn Novellist wurde schon bald nach dem Gewinn der King George Ende Juli in Ascot ausgegeben: Am ersten Oktober-Sonntag soll der 4jährige Hengst im Besitz von Dr. Christoph Berglar den Höhepunkt der europäischen Turf-Saison auf der Rennbahn Longchamp ansteuern und im Prix de l’Arc de Triomphe an den Start gehen. Als Aufgalopp für diese Aufgabe wurde für den Wöhler-Schützling der Longines - Großer Preis von Baden am ersten September-Sonntag auf der Rennbahn Iffezheim ausgewählt. Damit tritt Novellist in die Hufspuren der deutschen Arc-Siegerin Danedream, die vor zwei Jahren nach dem Badener Sieg auch in Paris startete und dort nicht zu schlagen war. Im vergangenen Jahr konnte sie das Doppel Iffezheim-Longchamp bekanntermaßen nicht komplettieren, nach dem Erfolg im Höhepunkt der „Großen Woche 2012“ blieb ihr durch die quarantänebedingte Sperrung der Kölner Rennbahn die Möglichkeit der Arc-Titelverteidigung verwehrt.
Doch nicht nur Danedream hat den Weg in den Arc über Iffezheim gewählt, auch in der Vergangenheit finden sich angesichts des passenden zeitlichen Abstandes der beiden Steherprüfungen etliche andere Beispiele für diese Route zum Arc. Neben Danedream sind es bislang allerdings nur zwei Pferde, die sich in beiden Siegerlisten finden lassen. Als erster Vollblüter der Geschichte ist dies der Brite Carroll House aus dem Quartier von Michael Jarvis. Der Überraschungssieger der Arc-Auflage des Jahres 1989 eignet sich jedoch nicht als Beispiel für die hier interessierende Frage, inwieweit der Große Preis von Baden ein geeignetes Sprungbrett für den Arc ist. Zwischen seinem Arc-Erfolg und seinen Auftritten in Baden-Baden lag schließlich mehr als ein Jahr. Carroll House hatte als Dreijähriger in Iffezheim einen ungewöhnlichen Doppelerfolg im damals den Dreijährigen vorbehaltenen Fürstenberg-Rennen am ersten Meetingssonntag und im Großen Preis von Baden am zweiten Meetingssonntag geschafft, erst als Vierjähriger gelang ihm der Arc-Triumph, vor dem er in den Irish Champion Stakes gewonnen hatte.
Einzig der Godolphin-Galopper Marienbard taugt neben Danedream als passendes Vorbild für die Erfolgsroute Iffezheim-Longchamp. Der Caerleon-Sohn hatte sich vierjährig vornehmlich auf Cup-Distanzen versucht und war dann fünfjährig wieder auf die Derby-Distanz zurückgekehrt. Im Großen Preis von Baden des Jahres 1992 feierte er seinen zweiten Gruppe I-Erfolg in Deutschland und probierte es danach im Arc, in dem er sich unter Lanfranco Dettori als Außenseiter durchsetzte.
Auch wenn es keine weiteren siegreichen Vorbilder für Novellist gibt, so wollen wir in dieser Rückschau klären, wie sich die früheren deutschen Arc-Starter jenseits von Danedream ihrem großen Auftritt in Longchamp genähert haben. War es tatsächlich so, dass alle über den Großen Preis von Baden in den Bois du Boulogne gereist sind? Haben sie den Paris-Trip stets als Sieger des Badener Grand Prix angetreten oder ließen sie sich auch durch eine eventuelle Niederlage in Iffezheim nicht von ihren Paris-Plänen abringen? Zur Klärung dieser Fragen haben wir die Archive befragt und die Rennkarriere aller deutschen Arc-Starter durchforstet.
Insgesamt finden sich 35 Arc-Starts von in Deutschland trainierten Vollblütern in den 92 Jahren seitdem das Prestigerennen im Jahr 1920 aus der Taufe gehoben wurde. Nicht unerwartet nimmt dabei der Große Preis von Baden eine herausragende Rolle als Vorbereitungsprüfung deutscher Arc-Starter ein. In rund zwei Dritteln der Fälle liefen die Arc-Starter zuvor im Großen Preis von Baden, wobei in einem dieser 23 Fälle der Start in Iffezheim nicht der letzte vor dem Arc war. Die im Besitz von Dietrich von Boetticher, der damals seine Vollblüter noch unter dem Namen Stall Marcassargues laufen ließ, stehende Stute Britannia absolvierte drei Wochen nach ihrem 4. Platz im Großen Preis von Baden des Jahres 1989 noch einen ebenfalls mit einem 4. Rang endenden Auftritt im Kölner Preis von Europa, bevor sie als 870:10 Außenseiterin im Arc antrat und dabei über eine Statistenrolle als Neunte nicht hinauskam.
Nicht nur Britannia ließ sich durch einen fehlenden Erfolg im Iffezheimer Grand Prix nicht von ihren Arc-Plänen abbringen. War in der Frühzeit deutscher Arc-Aktivitäten ein Badener Sieg geradezu Pflicht, so änderte sich dies später. Der erste deutsche Arc-Starter, der nach einer Pleite in Baden-Baden dennoch nach Paris reiste, war ausgerechnet Stall Moritzbergs Star Appeal, der nach einem 4. Platz im Großen Preis von Baden des Jahres 1975 zum ersten deutschen Arc-Triumphator avancierte.
Insgesamt 8 der 23 deutschen Arc-Starter, die zuvor im Badener Grand Prix gelaufen waren, reisten ohne den Sieg in diesem Gruppe I-Rennen nach Longchamp. In manchen Jahren war dies unumgänglich, so in den Jahren 1998 und 1999, als jeweils die beiden Erstplatzierten einen Versuch im Arc unternahmen. In diesen beiden Jahren hieß der Iffezheimer Sieger jeweils Tiger Hill, der in 1998 von Caitano und ein Jahr später von Flamingo Road nach Paris begleitet wurde. In beiden Jahren erwies sich Tiger Hill auch im Arc als der stärkste Deutsche, auch wenn es als Dritter (1998) bzw. Fünfter (1999) nicht ganz zum Sieg reichte. Dass der Ausgang in Baden-Baden im Arc nicht immer Bestand hatte, zeigt ein Blick ins Jahr 2008, als neben dem Iffezheimer Sieger Kamsin auch der Drittplatzierte It’s Gino einen Versuch unternahm und in Longchamp als Überraschungsdritter deutlich vor Kamsin (11.) ins Ziel kam.
Ein weiteres Kuriosum offenbaren die Archive für den jüngst verstorbenen Ittlinger Lando, der 1994 und 1995 zwei Auftritte im Arc hatte und damit neben Oleander (1928 und 1929), Star Appeal (1973 und 1975) und Tiger Hill (1998 und 1999) zu den wenigen deutschen Doppelstartern in Paris rechnet. Während Lando bei seinem ersten Arc-Start in 1994 als Sieger des Badener Grand Prix angereist war und nur auf Rang 8 endete, gelang ihm im folgenden Jahr ein respektabler 4. Platz im Arc, obwohl er in Iffezheim als Siebter völlig untergegangen war.
Nicht nur der Große Preis von Baden wurde von deutschen Arc-Startern als Arc-Sprungbrett benutzt, auch andere Prüfungen der Iffezheimer Rennwoche finden sich in den Rennlaufbahnen. Von den zwölf nicht im krönenden Höhepunkt der „Großen Woche“ angetretenen Deutschen absolvierten fünf einen Start in einer anderen Iffezheimer Prüfung. Dreimal wurde dabei das Spreti-Rennen gewählt, der in der ersten beiden Fällen (1958: Nogaro, 1978: Lido) immerhin noch auf derselben Distanz wie der Arc ausgetragen wurde, doch im Jahr 2010, als Liang Kay dort seinen Arc-Aufgalopp wahrnahm, auf einer 400m kürzeren Distanz gelaufen wurde. Ebenfalls auf der 2000m-Distanz lief Star Appeal Star Appeal im Jahr 1973 bei der Baden-Badener Rennwoche in einem Listenrennen vor seinem ersten Arc-Auftritt, den er auf Rang 13 beendete. Allerdings war der erfolgreiche Start im Preis der Stadt Baden-Baden in seinem Fall nicht der letzte Rennbahnauftritt vor dem Arc, der zu diesem Zeitpunkt noch in Röttgener Farben laufende Hengst startete zuvor noch einmal im Irischen St. Leger, das er als Dritter beendete.
Noch ungewöhnlicher war die Arc-Vorbereitung der damals 5jährige Stute Vivi, die im Jahr 1977 in Baden-Baden das auf der Meile gelaufene Oettingen-Rennen (zu diesem Zeitpunkt Gruppe III) leicht gewann, danach auf der 800m weiteren Arc-Distanz allerdings als 1000:10 Außenseiterin unterging (14.).
Nur sieben deutsche Arc-Starter ignorierten die Große Woche in Iffezheimer in ihrer Arc-Vorbereitung komplett. Zu Zeiten des Dritten Reichs war dies der Schlenderhaner Sturmvogel, der sich 1937 vor seinem 5. Platz in Longchamp im Hoppegartener Großen Preis der Reichshauptstadt bereits mit der späteren Arc-Siegerin Corrida maß und dabei auch auf heimischem Boden mit einer Länge den Kürzeren zog. Der deutsche Arc-Starter des Jahres 1979, der Moritzberger Pawiment, wählte mit einem Start im Großen Preis von Krefeld, einem damaligen Handicap der höchsten Kategorie über 2100m, einen ziemlich kuriosen Weg zum Arc, der keine Nachahmer fand.
Eine Sonderstellung nimmt auch der Zoppenbroicher Orofino ein, der als Einziger in der Riege deutscher Arc-Starter einen Aufgalopp in Frankreich absolvierte. Er tat dies in seinem Arc-Jahr 1983 allerdings nicht im eigens dafür in Longchamp augetragenen Prix Foy, der stets eine Möglichkeit bietet, auf der Arc-Bahn über dieselbe Distanz drei Wochen vor dem Ereignis zu proben, so wie dies die 83er Arc-Siegerin All Along tat, sondern Orofino wählte den Grand Prix de Deauville, in dem er als Dritter eine Niederlage einstecken musste, aber noch weit besser abschnitt als im folgenden Arc (15.).
Das verbleibende Quartett bestehend aus Que Belle (1997), Anzillero (2001), Dai Jin (2003) und Saddex (2007) gönnte sich eine längere Pause vor dem Arc. Alle vier absolvierte ihren letzten Start vor dem Auftritt im Bois du Boulogne in der Mitte August platzierten deutschen Gruppe I-Prüfung über 2400m, die zu Que Belles Zeiten noch als Aral-Pokal in Gelsenkirchen, in den späteren Jahren als Rheinland-Pokal in Köln gelaufen wurde. Die längere Pause wirkte sich nicht unbedingt positiv auf das Abschneiden dieses Quartetts aus, keiner schaffte es in die Arc-Platzierung.