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Auf Herolds Spuren in der 325-jährigen Geschichte des Gestüts Graditz

Herold im Hauptgestüt Graditz. Repro: DPM

Autor: 

Klaus-Dieter Graage

TurfTimes: 

Ausgabe 196 vom Freitag, 23.12.2011

Das  Gestüt Graditz im sächsischen Torgau feierte in diesem Jahr sein 325jähriges Bestehen. Die traditionsreiche Zuchtstätte ist damit das älteste Vollblutgestüt Deutschlands. Die Liste der Namen, die in dieser langen Geschichte genannt werden müssen, ist lang. Einer darf in keinem Fall fehlen: Der des langjährigen Gestütsleiters Graf Georg von Lehndorff  (1866 - 1906), dem wir bereits in der Turf-Times-Ausgabe 157 - click zum Archiv) eine ausführliche Geschichte gewidmet haben. Am Ende des Jubiläumsjahres soll es um einen berühmten Vierbeiner gehen:  Herold ( Dark Ronald), der als Vererber deutche Vollblutgeschichte geschrieben hat. Erzzählt wird diese Geschichte von dem Chronisten  Klaus-Dieter Graage.


 Im Jahre 1917 erblickte Herold in Graditz das Licht der Welt

Herold, geb. 1917, im Königl.-Preuß. Hauptgestüt Gradit. Repro:  DPMHerold, geb. 1917, im Königl.-Preuß. Hauptgestüt Gradit. Repro: DPM"Der bildschöne Graditzer, ein ziemlich großer, sehr edler Schwarzbrauner  gehört trotz der Kürze seiner Laufbahn [im Rennstall] zu den bedeutendsten Erscheinungen in der Geschichte des deutschen Rennsports. Seine Hauptstärke war ein großartiger Speed, und gleichzeitig war ihm kein Weg zu weit." (1).

Erinnern wir folgend an den am 5. Mai 1917 im Königlich-Preußischen Hauptgestüt Graditz von  Dark Ronald aus der  Hornisse, von  Ard Patrick gezogenen sowohl als Rennpferd wie auch Vererber herausragenden Englischen Vollbluthengst, in dem wir vor allem Zeitzeugen wie Graf Siegfried von Lehndorff (Graditzer Gestütsleiter 1906 – 1922) und die namhaften Sport-Welt-Journalisten Dr. Richard Sternfeld, Franz Wohl und Martin Beckmann zitieren.

"Es mag wiederholt sein, dass  Herold ein edles, lebhaftes, energisches Pferd ist, in allen Points von bestem Mittelmaß, von großer Tiefe, mit tadellosem Mittelstück und einer langen, breiten und muskulösen Kruppe, mit tiefgestellten schönen Sprunggelenken, mit Knochen der Vorhand und der Hinterhand, die an Länge und Winkelung vollkommen sind, denen er seinen langen, schaffenden Galoppsprung zu danken hat." (2).

Herolds Eltern

Für die deutsche Vollblutzucht war es ein Glücksfall, dass die Preußische Gestütsverwaltung  ein Jahr vor Ausbruch des 1. Weltkrieges den „großen“ Dark Ronald aus England erwerben konnte. Es war dies zuvorderst das Verdienst Burchard von  Oettingens, dem Nachfolger Graf Georg Lehndorffs als Preußischer Oberlandstallmeister. Oettingen ist vor allem als Gestütsgründer und Schöpfer des Preußischen Hauptvollblutgestütes Altefeld sowie Initiator zur Übersiedlung (1919-1920) der staatlichen Vollblutzucht  von Graditz nach Altefeld in die deutsche Turfgeschichte eingegangen; [1930/31 wurde die staatl. Vollblutzucht vorrangig aus finanziellen Gründen von Altefeld nach Graditz zurückverlegt].

Der 1905 in Irland aus der Kombination  Bay Ronald Darkie gezogene Dark Ronald gehörte zu den bedeutendsten Vererbern des 20. Jahrhunderts, dessen in England gezeugte Söhne (u. a. Son-in-Law, Magpi, Dark Legend) weltweit für Furore sorgten. Zunächst wurde der Ire in der seinerzeitigen Graditzer Dépendance  Römerhof aufgestellt, wirkte dann bis 1920 auf Graditzer Scholle und danach bis zu seinem Tode im Jahre 1928 als Hauptbeschäler in Altefeld. In Deutschland erzielte Dark Ronald fünfmal das Championat der Vaterpferde!

Bereits in seinem ersten hiesigen Jahrgang (1915) stellte er an der Stute Reichenau die Siegerin im Austria-Preis und Wiener Derby. Und zu seinem dritten Jahrgang gehörte der deutsche Derbysieger Herold! Nächst "seinem besten Sohn" lieferte er für die deutsche Vollblutzucht vor allem so herausragende Cracks wie  Wallenstein,  Prunus, Aditi, Aberglaube, Nubier, Eckstein, Famulus, Freibeuter und Der Mohr.

Herolds Mutter Hornisse, von Ard Patrick aus der  Hortensia wurde 1909 in Graditz geboren. Als frühreife Stute gewann sie das Stuten-Biennial, das Eintracht-Rennen sowie den traditionsreichen Leipziger Stiftungspreis. Und als Dreijährige zeigte sie im klassischen Preis der Diana als Zweitplatzierte hinter der siegenden Stallgefährtin Angostura ihre beste Leistung. In der Zucht brachte Hornisse jeweils in der Verbindung mit Dark Ronald vor ihrem „Meisterstück“ Herold (1917), den Hengst Humbug (1915), der später einen Platz in der Landespferdezucht (Marienwerder / Westpreußen) fand und danach den spätreifen Habicht (1919), der nach respektabler Rennkarriere als Beschäler in Ravensberg wirkte.

Nach nur kurzer Zuchtlaufbahn wurde Hornisse – wie leider etliche Graditzer Zuchtperlen (u. a. Flagge) und auch einige Gaststuten – Opfer der in Graditz in 1919 ausgebrochenen Anämie („Graditzer Seuche“). So konnte die wertvolle mütterliche Linie der 1900 aus England importierten Hortensia, v. Ayrshire (Familie 4) in Graditz leider nicht fortgeführt werden.

Herolds Rennlaufbahn

Mit Julius Rastenberger im Deutschen Derby 1920. www.galopp-hamburg.deMit Julius Rastenberger im Deutschen Derby 1920. www.galopp-hamburg.de"Herold war im Graditzer Rennstall schon als Jährling für Klasse gehalten worden, doch bereitete er als Zweijähriger keine geringen Sorgen, da er häufig lahm war, infolgedessen wurde er erst im Herbst in einem kleinen Rennen herausgebracht, das er auch gewann, um aber nachher wiederum Spuren von Lahmheit zu verraten ... Daher entschloß sich die Leitung des Graditzer Rennstalles dazu, ihn über Winter an dem entzündeten Gleichbeinbande brennen zu lassen, ... seitdem ist Herold nie wieder lahm gewesen!" (2).

Als Dreijähriger trug Herold achtmal Seide, gewann sieben Rennen und belegte in der klassischen Prüfung Henckel-Rennen nach einer Unaufmerksamkeit seines Reiters im Finish hinter dem Außenseiter Pallenberg im toten Rennen mit Wallenstein "nur" Platz zwei.

Herolds exorbitante Rennklasse erschließt sich uns am besten in der nicht nur rhetorisch „ausdrucksstarken“ Schilderung des Derbys von 1920, aufgezeichnet in (2): Das Derby "begann ziemlich langsam, so daß auch die mäßige Gesellschaft noch lange im Bilde blieb, und wurde erst auf den letzten 900 m schneller, dann aber so schnell, daß schließlich noch die gute Zeit von 2:35,3 zustande kam. Die ruhige Fahrt des Anfangs ist vielleicht für Nubier, der besonders Stehvermögen besitzt und dessen Mechanik ein Gehen erheischt, nicht gerade sehr willkommen gewesen, sie war aber Wasser auf die Mühle eines Pferdes wie Herold. Er kam, wie seiner ganzen Anlage nach zu erwarten gewesen war, großartig um die Ecken herum und hielt sich in Gemeinschaft mit Nubier immer dicht im Fahrwasser seines Stallgefährten Vergleich, der auch hier wieder unvergleichlich brave Führerdienste leistete. Die Jockeys von Nubier und Herold achteten nur einer auf den anderen. Als auf der Geraden innen Nubier an Vergleich vorbeiging, da folgte im selben Augenblick außen Herold seinem Beispiel. Janek faßte mit seiner ganzen Bärenstärke Nubier an und brachte ihn zunächst unter zähestem Reiten auf eine halbe Länge von dem Graditzer hinweg. Damit hatte der Schlenderhaner aber auch alles verausgabt, was er an Steigern seiner Pace besaß. Als Herold nun seinen stets gerühmten Speed ausspielte, federnd und schnellend, da hatte Nubier nichts mehr zuzugeben. Mit ein paar kraftvollen Galoppsprüngen war Herold an seinem Gegner vorbei und strebte als überlegener Sieger dem Richterpfosten zu."

Und als Resümee resp. Derbyanalyse lesen wir ebenfalls in (2): "Das Derby hat ... dargetan, daß die Dark Ronald-Söhne Herold (Graditz) und Nubier (Schlenderhan) die beiden besten Dreijährigen in Deutschland sind ... Man darf sich von Herolds Derby nicht verabschieden, ohne der Verdienste des Trainers W. Spademan und des Jockeys  Julius Rastenberger gebührend zu gedenken. Spademan der in Reginald Day’s Schule viel gelernt hat [Der Engländer R. Day war Graditzer Trainer von 1907 bis 1912], hat an Herold bewiesen, daß er mit einem guten Pferde warten, und daß er entsprechend individualisieren kann, daß er es versteht, ein solches Pferd in sicherem Werdegange einer großen Aufgabe entgegenzuführen. Rastenberger hat Herold meisterhaft geritten, hat ihn den ganzen Weg über in Bereitschaft gehalten und hat seine besonderen Eigenschaften in glücklichster Weise ausgenutzt."

Herold vermochte seine überragende Klasse auch bei den folgenden Triumphen im Großen Preis von Berlin, im St. Leger und vor allem im Gladiatoren-Rennen im direkten Vergleich mit der first class der älteren Pferde zu bestätigen, was von den Handicappern mit der GAG-Marke 103 kg gewürdigt wurde!

Dennoch war Herolds Züchter, Graf Siegfried von Lehndorff, fest davon überzeugt, dass der Hengst seine Leistungsgrenze als Dreijähriger  noch  nicht erreicht hatte und schreibt dazu in (3): "Leider fielen während Herolds Rennlaufbahn die Badener Rennen aus, so daß er keine Gelegenheit hatte, sich gegen ausländische  Pferde zu versuchen ... Ich wollte Herold noch vierjährig im Rennstall behalten, wogegen aber der damalige Oberlandstallmeister Groscurth ..., der in der Vollblutzucht und im Rennbetrieb nicht bewandert war, Einspruch erhob ... Da die meisten Nachkommen von Dark Ronald, wie Wallenstein, Famulus und sein Enkel  Oleander erst vier- und fünfjährig ihre besten Leistungen gezeigt haben, ist es zum mindesten wahrscheinlich, daß Herold, der außerdem ein sehr spätes Fohlen war, auch als älteres Pferd noch besser geworden wäre."

Mit seinen späteren Leistungen als Vererber jedoch ließ Herold die möglicherweise versäumten Chancen im Rennstall alsbald in Vergessenheit geraten!

Herolds Zuchterfolge

Als Deckhengst in seiner Zuchtstätte Graditz. Foto: Archiv GraageAls Deckhengst in seiner Zuchtstätte Graditz. Foto: Archiv GraageDie Deckhengstkarriere begann Herold 1921 in seiner Geburtsstätte Graditz und wurde im Zuge des Umzugs der staatlichen Vollblutzucht nach Altefeld im Jahre 1923 dort als Hauptbeschäler aufgestellt. Mit der Rückverlegung der Vollblutzucht nach Graditz im Jahre 1931 kehrte auch Herold in seine alte Heimat zurück und wirkte hier als Pascha bis zu seinem tragischen Ende im Frühjahr 1945.

"In der Zucht hatte es Herold zunächst schwer und sehr stark unter der damals (1919/20) grassierenden Graditzer Seuche zu leiden." (4).

"Gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit erkrankte er schwer an jener ansteckenden Anämie, von der er erst in 2 Jahren geheilt wurde. Auf seine Vererbung hat dieses Leiden aber keinen schädlichen Einfluß gehabt, ein Zeichen für seine gute Konstitution, denn sein erster Jahrgang nach überstandener Krankheit enthielt den in Leutstetten  geborenen Derbysieger  Lupus ." (3).

Für Altefeld resp. Graditz lieferte Herold u. a. Dionys (Derby),  Alchimist (Union, Derby, GP von Berlin, GP von Baden),  Arjaman (ungarisches  und  deutsches St. Leger), Panzerturm (Union, Braunes Band) sowie für das Gestüt Ebbesloh Effendi ( Henckel-R., Union).

Und im hohen Alter von 26 Jahren zeugte Herold für die kleine Vollblutzucht der Frau Madlene v. Heynitz (Dröschkau) den 1944 aus der französischen Importstute Bramouse gefallenen Bürgermeister!

Als Herolds sowohl nach Rennklasse als auch Vererberqualitäten bester Sohn erwies sich zweifelsfrei Alchimist [dreifacher Beschälerchampion, Vater von  Schwarzgold und  Birkhahn (Derbysieger in Hamburg und Hoppegarten, Dreiviertelbruder zu Bürgermeister)].

Herold als Hauptbeschäler in Altefeld. Foto: Archiv GraageHerold als Hauptbeschäler in Altefeld. Foto: Archiv GraageIm Gegensatz zu seinem Erzeuger profilierte sich Herold aber auch als exzellenter Stutenvater, wie uns ein Blick in das Allgemeine Deutsche Gestütbuch (5) zeigt. Stellvertretend seien hier Antonia (Preis der Diana, Mutter von Abendfrieden), die Seriensiegerin auf höchstem Level Sichel (Preis der Diana, Henckel-R., GP von Berlin, GP v. Baden, Großer Hansa-Preis), Valladolid (Eintracht-R., Mutter von Valparaiso) und Lehnsherrin (Preis der Diana) genannt.

In der 36 Mutterstuten umfassenden Graditzer Gestütsliste des Jahres 1942 waren allein 12 Herold-Töchter vertreten! Und 26 Stuten, d. h. 72,2 % des zuchtaktiven Graditzer Bestandes führten in den ersten beiden Generationen ihres Pedigrees mütterlicher- oder väterlicherseits Dark Ronald-Blut, was selbstredend dem Einsatz Herolds im Heimatgestüt  zuletzt gewisse Grenzen auferlegt hat.

Herold lebt weiter

Über Herolds Tod gibt es in den Annalen widersprüchliche Angaben. In (6) lesen wir: "Tragisch sein Ende: Steinalt geworden, musste er am 15. April 1945 in Graditz zurückgelassen werden. Als er von Soldaten der Roten Armee in eine Deichsel vor den Wagen gespannt werden sollte und sich weigerte, wurde er erschossen."

Aber Herold lebt weiter! Noch Jahrzehnte nach seinem Tode erinnerte man auf vielen deutschen Turfplätzen mittels Renntiteln an den Heroen der deutschen Vollblutzucht. In Dresden-Seidnitz z. B. hatte der Rennveranstalter den „Preis der Dreijährigen“, die seit 1924 jährlich bis 2009 ausgetragene Derbyvorprüfung, im Jahre 1956 in HEROLD-Rennen umbenannt. Jedoch wurde im „sozialistischen“ Rennsport der DDR jener Titel 1973 administrativ in „Preis der Volkseigenen Gestüte“ geändert.

Vor allem aber ist Herold in der erfolgreichsten deutschen Hengstlinie Dark RonaldHeroldAlchimistBirkhahn Literat  Surumu  Acatenango als wichtiges Glied fest verankert und so in den erweiterten Ahnentafeln etlicher europäischer Grupperennen-Sieger und auch aktueller deutscher Deckhengste wie z. B.  Lando,  Paolini,  Platini,  Sabiango, Protektor, Hammond und Aeskulap präsent.

Und über Acatenango und Lando"fließt" Herold-Blut [in 7. Generation] auch im Preis von Europa-Sieger 2010 Scalo gezogen im Gestüt Hof Ittlingen, dem Galopper des Jahres 2010!

"Die Starken stammen von Starken und Wackern, ... in jungen Pferden lebt die Vortrefflichkeit der Eltern."

Text: K. D. Graage, Repros: DPM (1), Hamburger Renn-Club (1), KDG-Archiv (2)

Quellen:       

(1)     Sternfeld, R., Dr.: Von Patience zu Nereide; (Nachdruck 1937), Asmussen-Verlag 2002.

(2)     Wohl, Fr.: Das Deutsche Derby 1920; In: Vollblut, 3. Jhrg. , Reher-Verlag 1920.

(3)     Lehndorff, S. Graf v.: Ein Leben mit Pferden; Landbuch-Verlag Hannover 1956.

(4)     Beckmann, M.: Das war Graditz; In: Sport-Welt, Serie 1981 / 82.

(5)     ADGB, XXI. Band, Berlin 1944.

(6)     Siemen, H.: Faszination Galopp – 125 Jahre Deutsches Derby, Hamburg 1994.

 

 



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