Drucken Redaktion Startseite

Geburtstagsfeier ohne Geburtstagskind

Am 10. August 1822 fanden hier die ersten Galopprennen in Deutschland statt, bei der großen Geburtstagsfeier ist Bad Doberan allerdings nicht dabei. Der geplante Jubiläums-Renntag wurde abgesagt. ©Turf-Times/Archiv/Galoppfoto

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 707 vom Freitag, 25.02.2022

„Es ist schade, aber nicht zu ändern“, das war der doch etwas lakonische Kommentar vom Dachverbands-Präsidenten Michael Vesper in der telefonischen Pressekonferenz zur Frage nach der Absage des geplanten Jubiläums-Renntages in Bad Doberan. Dort gab es am 10. August 1822 die ersten offiziellen Galopprennen in Deutschland. Und das sollte nach vielem hin- und her nun doch mit einem Jubiläums-Renntag zum 200. am 20. August gefeiert werden. Aber daraus wird nichts. Der Besitzer und Züchter Volker Schleusner, der aus der Region stammt, genauer aus Marlow, wollte als Präsident eines neu gegründeten Jubiläums-Rennvereins diesen Renntag stemmen. Doch vier Wochen nach der Ankündigung sagte er die ganze Unternehmung wieder ab. Die Stadt Bad Doberan forderte eine hohe Kaution, die Schleusner nicht zu zahlen bereit war. „Die Stadt will 150.000 Euro von uns, das können wir nicht leisten“, so die Begründung für die Absage.

Also werden dort, wo alles begann, auf der Ostsee-Rennbahn im mecklenburgischen Bad Doberan, nur Schafe herumlaufen und keine edlen Vollblüter. Die Geburtstagsfeier findet ohne das Geburtstagskind statt. Und das scheint nun endgültig beschlossene Sache zu sein. Der deutsche Galopprennsport nimmt es hin, lässt keinerlei Rettungsversuche mehr erkennen. Man hatte Bad Doberan wohl ohnehin nicht mehr in der Planung. Denn der Höhepunkt der großen Sause anlässlich des Jubiläums „200 Jahre Galopprennsport in Deutschland“ ist schon länger in Berlin terminiert. Am Freitag, den 12. August, wird vor den Rennen rund um 132. Großen Preis von Berlin in Hoppegarten, Gr. I, ins legendäre Hotel Adlon am Brandenburger Tor geladen. Die genaueren Pläne sollen bei der Jahrespressekonferenz vorgestellt werden, die der Dachverband gemeinsam mit dem Düsseldorfer Reiter- und Rennverein Anfang März veranstaltet. In der Einladung heißt es: „200 Jahre Galopprennsport in Deutschland. Neben voraussichtlich 135 Renntagen mit sieben Gr. I-Prüfungen sind viele spannende Aktivitäten rund um das große Jubiläum geplant.“ 

Kein Wort zu Bad Doberan. Dabei hatte man dort schon mit den Arbeiten auf der Rennbahn begonnen. Es gab aussichtsreiche Gespräche mit Sponsoren, eine Webseite war in Planung, die Social Media-Kanäle schon am Start. Auch die Stadt Bad Doberan schien erfreut zu sein, dass Volker Schleusner, als Landwirt aus der Region bestens vernetzt, trotz widriger Umstände - nach zwei Jahren Rennpause und dem Konkurs des vorherigen Rennvereins – den Jubiläums-Renntag realisieren wollte.

Die Jubiläums-Rennbahn im Sommer 2021 in einem desolaten Zustand: Auch coronabedingt haben in Bad Doberan seit zwei Jahren keine Rennen stattgefunden. Die Arbeiten, um die Bahn wieder instand zu setzen, hatten schon begonnen. ©Turf-Times - Frauke DeliusDie Jubiläums-Rennbahn im Sommer 2021 in einem desolaten Zustand: Auch coronabedingt haben in Bad Doberan seit zwei Jahren keine Rennen stattgefunden. Die Arbeiten, um die Bahn wieder instand zu setzen, hatten schon begonnen. ©Turf-Times - Frauke DeliusDann tauchten erste Probleme auf, weil die Stadt direkt im Anschluss an den geplanten Renntag die Rennbahn an einen Drittveranstalter vermietet hatte, „doch das hätten wir auch noch hingekriegt. Ich war mit den Zeltbauern im Gespräch“, so Schleusner, „die hätten direkt nach den Rennen mit dem Abbau begonnen, so dass die Übergabe der Bahn am nächsten Tag hätte stattfinden können.“ Die nun geforderten 150.000 Euro hätten auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden sollen, „doch wir wussten nicht genau, wofür das sein soll, denn die Rennbahn ist seit zwei Jahren nicht gepflegt worden und wir hätten alles selbst instand setzen müssen“, so Schleusner, „und wer garantiert uns, dass wir das Geld auch wieder bekommen?“ 

Die komplette Absage des Renntages kam sehr überraschend, auch für den Dachverband. Der hatte sich mit dem neuen Jubiläums-Verein zumindest über den Termin verständigt, mit der Gemeinde hatte der Präsident Michael Vesper länger keinen Kontakt, zuletzt im Sommer des vergangenen Jahres, als Heinz Baltus vom Magdeburger Rennverein noch in zunächst sehr vielversprechenden Verhandlungen mit der Stadt für die Wiederaufnahme der Rennen war. Damals scheiterte dieser Versuch, weil die Stadt Bad Doberan, die zunächst finanzielle Unterstützung zugesagt hatte, nun die Prioritäten auf andere Projekte, wie den Bau von Schulen, legen und kein Geld mehr für die Rennbahn investieren wollte.

Auf Nachfrage beim Bürgermeister der Stadt Bad Doberan, Jochen Arenz, wird schnell klar, dass die unendliche Vorgeschichte mit den Vorgängervereinen Spuren hinterlassen hat. Es geht nicht nur um die finanzielle Absicherung der Veranstaltung, weil man da in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Man habe die Höhe der Kaution so gewählt, um sicher zu sein, dass das Interesse ein ernsthaftes ist. Zu hören ist auch, dass man Volker Schleusner sehr wohl zugetraut habe, die Bahn für den Jubiläums-Renntag in Schwung zu bekommen, aber es gab wohl einige Zweifel an Personen aus dem erweiterten Umfeld. Vom Bürgermeister heißt es dazu: „Die Stadt Bad Doberan lehnt es ab, dass die älteste Galopprennbahn auf dem europäischen Festland zum Spekulationsobjekt für dubiose Investoren wird, die sich für Pferdesport überhaupt nicht interessieren, sondern, um beim Thema zu bleiben, diesen als Steigbügel nutzen wollen, um Bauland günstig zu erwerben.“

Volker Schleusner und seine Pferde: Die hätte er gerne auf der Jubiläums-Rennbahn laufen sehen. ©Turf-Times - Frauke DeliusVolker Schleusner und seine Pferde: Die hätte er gerne auf der Jubiläums-Rennbahn laufen sehen. ©Turf-Times - Frauke DeliusDabei ist der Bürgermeister dem Galopprennsport nicht grundsätzlich abgeneigt, der gebürtige Düsseldorfer kennt seine Heimatbahn und auch hat auch die Rennbahn in Neuss in Jugendjahren besucht. Vorwürfen, die Gemeinde wolle die Pferderennen nicht mehr, antwortet er mit der Gegenfrage: „Warum sollte die Stadt das 200-jährige Jubiläum nicht fördern und stattfinden lassen? Wir sind stolz auf unsere Bahn und Tradition.“ Auch sei das Ereignis als solches sicherlich auch medial sehr interessant gewesen, die ganze Region hätte davon profitieren können. Bestätigt wird, dass man als Sicherheit eine Kaution von 100.000 Euro haben wollte, die auf ein Treuhandkonto gekommen wären. Die Bahn wäre kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. Auch sei seitens der Stadt mit Pflegearbeiten, unter anderem dem Schnitt der Hecken, begonnen worden. Dafür seien 300.000 Euro für Infrastruktur in den neuen Haushalt eingestellt worden. 

Aber es hat sich wohl der Eindruck verfestigt, dass es, so Arenz, „am Ende gar nicht um Pferdesport geht, sondern nur um Bodenspekulationen um an Bauland zu kommen.“ Er bedauere die Renntagsabsage sehr, so der Bad Doberaner Bürgermeister, „aber wenn wir hören, dass irgendwelche Scheichs aus Dubai investieren wollen, dann sagen wir ganz deutlich: Die Bahn gehört den 13.500 Bürgern Bad Doberans und soll für den Pferdesport erhalten werden!" Doch das werden nach unseren Informationen keine Galopper mehr sein. Als möglicher Betreiber ist ein reitsportlicher Betrieb namens Bernsteinreiter im Gespräch, der Reiterferien an der Ostsee anbietet. Inwieweit dann auch noch Pferderennen stattfinden könnten, ist fraglich, denn wenn man das 200jährige Jubiläum nicht hinbekommt, dann kann man es auch gleich ganz lassen. So klingt es auch in der regionalen Presse. „Endlich Schlussstrich ziehen“, heißt es in einem Kommentar der Ostseezeitung. „Die Kämpfe innerhalb des Bad Doberaner Rennvereins, am Ende mit Vereinsauflösung und Insolvenzverfahren, haben kein gutes Licht auf die Bad Doberaner Renntage geworfen, die zudem auch nicht wirtschaftlich darstellbar sind.“

Klar wird bei allem: Ein Macher allein reicht nicht. Es fehlen der Zusammenhalt, der Wille und die finanziellen Möglichkeiten, um im deutschen Galopprennsport nachhaltige Projekte auf den Weg zu bringen und angeschlagene Rennbahnen zu retten. Bad Doberan ist nicht die erste und sicher nicht die letzte Rennbahn, der das so ergeht. Man fühlt sich erinnert, an die Reaktion der politischen Entscheidungsträger in Frankfurt, Bremen und Neuss. Und befürchtet bei weiteren Rennbahnen das Gleiche. Dabei ist der Rennsport daran zum Teil selbst schuld. Es reicht nicht mehr, „Rennen abzuhalten“ und auf alte Traditionen zu pochen. Gebraucht werden finanzierbare, nachhaltige Nutzungskonzepte der Rennbahnen, die von allen Entscheidungsträgern mitgetragen werden können und die Bevölkerung mit einbeziehen. 

Der Bad Doberaner Bürgermeister bringt das ziemlich deutlich auf den Punkt: „Wenn der Galoppsport sich nicht von Grund auf erneuert, sich von den ganzen Glücksrittern und unseriösen Begleitpersonen trennt und auch die Regeln zum Schutz der Pferde nicht deutlich verschärft, wird es bald keine Galopprennen in Deutschland mehr geben.“

 

 

 

Verwandte Artikel:

Block: Adsense 728 x 90
Google AdSense 728x90