Drucken Redaktion Startseite

Derbyrede zum Sieg von Waldpark von Johann Henrich Delius

Waldpark mit Jockey Jozef Bojko,, Führerin Anett Keller und Besitzer Johann Henrich Delius nach dem Sieg im IDEE 142. Deutschen Derby 2011. www.galoppfoto.de

Autor: 

Gastkolumne

Derbyrede 2012 gehalten von Johann Henrich Delius für das Gestüt Ravensberg nach dem Derbysieg von Waldpark im IDEE 142. Deutschen Derby 2011 im Kempinski Hotel Atlantic während des Derby-Dinners am Vorabend des heutigen SPARDA 143. Deutschen Derby.

Heute Abend wird der für uns unvergessene 3. Juli 2011 noch einmal präsent und wir danken dafür, dass Waldpark und sein Derbysieg hier in diesem stilvollen Rahmen gewürdigt werden. Da der Sieger aus eigener Zucht mit nur drei Mutterstuten entstammt, war mit einem derartigen Erfolg nun wahrlich nicht  zu rechnen – schließlich gab es lange 25 Jahre, von 1982 bis 2007, noch nicht einmal einen Derbystarter  aus unserer Zucht. Umso größer die Freude und umso herzlicher unser Dank an Pferd und Jockey, an den Trainer und sein Team, an die Pflegerin und all die vielen anderen, vom Hufschmied bis zum Transporteur, die in irgendeiner Weise ihren Anteil an diesem Derbysieg hatten.

Undenkbar wäre dieser Derbysieg ohne das Wirken meines Vaters Reinhard Delius, der vor etwas mehr als drei Monaten leider verstorben ist und vor einem Jahr das Derby auch schon nicht mehr in Hamburg miterleben konnte. Er hat kurz nach dem zweiten Weltkrieg als ganz junger Mann Ravensberg von seinem Großvater übernommen und etwa 60 Jahre lang geführt. Mit dem Kauf der Stammstute Waldrun im Jahr 1949 hat er den Grundstein für eine sehr erfolgreiche Zucht gelegt; aus dieser Familie entstammt, neben unseren früheren Derbysiegern Wilderer und Waidwerk und einer stattlichen Anzahl weiterer hervorragender Pferde, auch der letztjährige Derbysieger Waldpark.

Mein Vater hat seiner Familie mit der Freude am Galopprennsport auch die Überzeugung hinterlassen, dass dieser Sport dadurch seinen Reiz besitzt und seine Kraft schöpft, dass in ihm gewisse Werte gelebt werden. Die Akteure fühlen sich einem ungeschriebenen Kodex verpflichtet, den man am besten als Sportsmanship nach bestem britischen Vorbild bezeichnen kann und der die Achtung vor der Kreatur Pferd, den Respekt vor dem Gegner und die Anerkennung der im sportlichen Wettkampf erzielten Leistung umfasst. Wir erleben, dass diese Haltung zum Sport einem schleichenden Aufweichungsprozess unterliegt, wenn etwa Jockeys, eigene wie fremde, öffentlich beschimpft werden, oder, wenn sich unterlegene Teams nach dem Rennen selbst zum moralischen Sieger ausrufen und zur Rennverfilmung eilen, um intensiv nach einer etwaigen Regelverletzung zu fahnden, mit der man dann die Rennleitung beschäftigen kann, oder aber, neu in Mode gekommen, dass man listig nach einem kleinen formellen Fehler Ausschau hält, mit der einzigen Absicht, das im fairen Wettkampf erzielte Ergebnis zu kippen. Halten wir uns vor Augen wie simpel unsere Vorfahren Galopprennen definiert haben: „Sieger ist wer am Zielpfosten vorne ist“. Punkt – Ende, und sorgen wir dafür, dass fairer Sportsgeist unseren Sport weiterhin zusammenhält.

Vor mehr als 100 Jahren hat mein Urgroßvater Paul Niemöller das Gestüt Ravensberg gegründet und seither beschäftigt sich meine Familie mit dem Galopprennsport in Zucht und Rennstall; mein persönlicher Wunsch ist, dass auch unsere Töchter und die (noch nicht vorhandenen) Enkel sich einmal in diesem Sport bewegen und Spaß daran haben werden. Ist das eine realistische Perspektive?

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, der deutsche Galopprennsport durchläuft keine leichten Zeiten; seine  Situation ist gekennzeichnet zum einen durch eine zu geringe öffentliche Wahrnehmung und zum anderen durch eine unzureichende Finanzierung. Beides ist  voneinander abhängig und bedingt sich gegenseitig – eine Entwicklung, die, wenn sie nicht aufgehalten wird, unseren Sport in seiner Existenz gefährdet..

Viele, die  den Rennsport seit Jahrzehnten begleiten, erinnern sich mit einer gewissen nostalgischen Wehmut der großen Zeiten dieses Sports, mit Renn-veranstaltungen regelmäßig mittwochs, samstags und sonntags auf proppevollen Bahnen, mit Medienpräsenz in allen Zeitungen, in der Sportschau, bei Spitzenrennen sogar in der Tagesschau, mit Wettumsätzen, die um ein Vielfaches höher als heute lagen, usw. usf.

Manche gehen ganz auf in dieser Rückschau, sie beschwören permanent die goldenen Zeiten dieses Sports und jammern und klagen und lamentieren und seufzen, dass ja früher alles so viel besser war.

Lassen Sie uns nicht durch die Glorifizierung früherer Zeiten den Blick in die Zukunft vernebeln, lassen sie es uns lieber mit Jean-Paul Sartre halten, der sagte: „Es mag bessere Zeiten geben, aber dies ist die unsere“. Die große, rund 200-jährige Tradition unseres Sports ist ein wertvolles Geschenk, wenn wir daraus Kraft, Mut und Ansporn schöpfen, um die Weichen für die Zukunft zu stellen und die vor uns liegenden Aufgaben beherzt anzupacken.

Wer aus den vorhandenen Problemen in unserem Sport generalisierende Schlussfolgerungen auf den Galopprennsport als Ganzes ableitet, übersieht dabei leicht, dass der Galopprennsport ein Produkt ist, in dem immense Stärken enthalten sind, oder, vielleicht besser gesagt, schlummern:

Da sind zunächst die Akteure selbst, die Vollblüter, hochgezüchtet nach geheimnisumwitterten Erfolgsrezepten: ihre leichtfüßige Eleganz, ihr Adel und ihre Kraft, ihre Leistungsbereitschaft und ihre Treue, ihre Ruhe und ihre Anspannung, ihre vermeintliche Trägheit und ihre rasante Geschwindigkeit, ihre Berechenbarkeit und ihre Rätselhaftigkeit - sie faszinieren die Besucher, den Laien ebenso wie den Fachmann.

Galopprennen kann man genießen, indem man ein Pferd in einem Rennen wettet, zuerst in der Fachpresse, dann im Führring und später beim Aufgalopp verfolgt, um dann während des Rennens zwei oder drei Minuten höchster Spannung zu erleben, bevor schließlich der Zielpfosten über Sieg oder Niederlage, über die getroffene oder verlorene Wette entscheidet. Man kann Galopprennen auch mit Familie und Picknick-Korb in völliger Entspannung erleben, man kann auf der Rennbahn Freunde treffen, oder den Promis zuschauen oder das kulinarische Angebot von der Bratwurst bis zum Champagner genießen und einfach nur die Atmosphäre einer gepflegten Rennbahn in sich aufsaugen. Man ist im Grünen, trifft nette Menschen, man erholt sich - Freizeitvergnügen pur.

Galopprennen, das ist ein tolles und ein zeitgemäßes Produkt, ein Produkt, das wir nicht neu erfinden müssen.

Woran wir aber dringend Hand anlegen müssen, das ist die Vermarktung des  Galopprennsports. Jeder von uns weiß es: Die leckerste Schokolade wird zum Ladenhüter, wenn sie nicht verkaufsaktiv und wertig verpackt, zielgruppenadäquat beworben in die Griffzone des Konsumenten gelangt. Genauso gilt es, mit Phantasie und Professionalität das Produkt Galopprennsport mit modernen Mitteln zu präsentieren und gekonnt zu vermarkten.

Galopprennen sind ein Teil der Freizeitindustrie und stehen in Konkurrenz zu einer Vielzahl anderer Angebote der Freizeitgestaltung. Es gilt, dem Besucher den Aufenthalt auf der Bahn so angenehm, so unterhaltsam, so spannend wie möglich zu machen, ihn mit einem stimmigen gastronomischen Konzept, einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm  und mit innovativen Wettangeboten zu versorgen, so dass er gerne vor Ort ist und regelmäßig wiederkommt.

Viele Rennvereine arbeiten intensiv an einer engen Vernetzung in der Region, mit der regionalen Wirtschaft und ihren Entscheidungsträgern, mit den lokalen politischen Gremien, mit den örtlichen Medien und sie finden dabei häufig bemerkenswerte Resonanz und erzielen sehr ermutigende Ergebnisse.

Mit der Gründung von GERMAN RACING sind erste Schritte eingeleitet worden, um den Galopprennsport als Marke zu etablieren und zu kommunizieren. Ich meine, das ist ein richtiges und ein wichtiges Ziel.

Marken binden Kunden dauerhaft an sich, machen aus Gelegenheitskunden begeisterte Stammkunden. Marken sind am Markt erfolgreich, wenn sie ein klares Profil besitzen und ihren Kunden einzigartigen Nutzen bieten. Als Marke kann der Galopprennsport gezielt auf Sponsoren zugehen und sie dauerhaft an den Sport binden, denn: Unternehmen, die sich selbst eindeutig positionieren, wie die Sparda-Bank („freundlich & fair“) oder IDEE-KAFFEE („Aus Freude am Leben“), haben berechtigte Ansprüche bei ihrem Sponsoring. Sie erwarten bestimmte Zielgruppen als Zuschauer vor Ort oder in den Medien, sie erwarten Professionalität, Kontinuität, Verlässlichkeit, sie erwarten positive Schlagzeilen. Sie wollen sicher gehen, dass die Verbindung ihres Unternehmens, ihrer Marke, mit dem Galopprennsport die gewünschten Früchte trägt und die dafür bereit gestellten Mittel gut angelegt sind.

Wie sich die Dachmarke GERMAN RACING entwickelt, das haben wir alle ein Stück weit selbst in der Hand. Uns allen muss klar sein, dass GERMAN RACING mehr ist und vor allen Dingen noch sehr viel mehr werden muss, als der Teilhaber einer Internetwettfirma und Betreiber von stationären Wettläden. Es geht schlicht darum, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, es geht darum, den Galopprennsport nicht nur stattfinden zu lassen, sondern ihn zu managen, diesen Sport nicht nur zu verwalten, sondern ihn zu gestalten.

Aus der Fülle der anstehenden Aufgaben erscheinen mir zwei besonders vordringlich, nämlich die Entwicklung einer professionellen Öffentlichkeits-arbeit und das Einleiten eines Verjüngungsprozesses in unserem Sport.

Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren, ich weiß, und auch Sie wissen es: der Galopprennsport hat eine etwas komplizierte Struktur. Viele unterschiedliche Interessen gilt es unter einem Dach zu vereinen. Das propagierte, das dringend erforderliche „Wir-Gefühl“ steckt noch in den Kinderschuhen. Wenn der Sport in der Öffentlichkeit Gehör finden will, wenn er gegenüber unseren Vertriebspartnern, den Wettvermittlern im In- und Ausland, wenn er gegenüber der Politik nicht wie ein lahmer Wallach auftreten will, muss er mit einer starken Stimme sprechen.
Bekanntlich haben alle Veränderungsprozesse Bedenkenträger, Nörgler und Besserwisser als treue Begleiter an ihrer Seite, aber wir dürfen nicht zulassen, dass sie die Umsetzung der als notwendig erkannten Maßnahmen blockieren, oder allenfalls im gemächlichen Zotteltrab zulassen. Uns und unserem Sport der schnellen Pferde steht nicht mehr alle erdenkliche Zeit zur Verfügung, uns muss klar sein: der Galopprennsport muss seine Zukunftssicherung im Renngalopp betreiben.

Sehr verehrten Damen und Herren, in Hamburg wird morgen das wichtigste Rennen des Jahres in einem Meeting auf einem ansonsten für den Pferdesport nicht genutzten Gelände stattfinden. An 360 Tagen im Jahr wächst Unkraut auf dem Gelände, wuchern Sträuche und Bäume, sind Tribünen, Waagegebäude und Stallungen der Witterung ausgesetzt. Für wenige Renntage nicht nur das Geläuf herzurichten, sondern auch  die gesamte Infrastruktur für eine Premium-Rennveranstaltung zu schaffen, das ist schon ein bemerkenswerter Kraftakt. Lieber Herr Wahler, wir alle haben einen außerordentlichen Respekt vor der Leistung, die Sie mit Ihrem Team jedes Jahr erbringen, um das Derbymeeting in Hamburg stattfinden zu lassen. Ihnen ein herzliches Dankeschön, wie auch allen Helfern, Mäzenen, Gönnern, Unterstützern und Sponsoren, die das Derbymeeting erst möglich machen.

Aktuell eröffnet sich in Hamburg die Chance, den beschriebenen Zustand durch eine Doppel-Rennbahn deutlich zu verbessern. Es ist nicht alltäglich, dass eine Großstadt oder, wie hier: ein Bundesland, Projekte auf den Weg bringen will, in denen der Pferderennsport eine bedeutsame Rolle spielt. Nach meiner Überzeugung eine Riesen-Chance, die der Galopprennsport nutzen sollte, die Hamburg nutzen muss, um das Derby dauerhaft abzusichern und in Hamburg zu halten.

Morgen, beim SPARDA -143. Deutschen Derby, werden wir alle erleben, welch starke Emotionen durch Galopprennen ausgelöst werden. Es wird den ganzen Tag ein nervöses Kribbeln über der Bahn liegen, dem sich niemand entziehen kann. Nach der Präsentation der Pferde im Führring und dem Aufgalopp werden alle Zuschauer ungeduldig den Gong der Startglocke herbeisehnen, sie werden entweder den Atem anhalten oder sie werden „ihr“ Pferd bis zur Heiserkeit anfeuern, sie werden, bei beschleunigtem Pulsschlag, bangen und hoffen, bis sie endlich, nach langen zweieinhalb Minuten, durch den Zieleinlauf erlöst werden. Ob der Favorit triumphieren oder scheitern wird, ob ein Außenseiter die Gunst der Stunde wird nutzen können, ob der Sieger hochüberlegen oder nach harter Kampfentscheidung siegen wird: das beste Pferd des Tages, der Derbysieger 2012, wird von den fairen hanseatischen Sportsleuten mit dem verdienten frenetischen Applaus belohnt werden.

Morgen ist ein großer Tag für uns alle, ganz besonders für Sie, die Sie einen Starter im Derby haben, aber für eines von 15 Teams wird es der ganz große Tag werden. Einen Sieg im  Deutschen Derby erleben zu dürfen, ich  versichere es Ihnen, ist ein sehr süßer Genuss, ein Genuss, der geradezu süchtig machen kann - Ihnen allen morgen viel Erfolg und „Hals & Bein“!

Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren: lassen Sie uns das Glas erheben: auf den Derbysieger 2012, wer immer es sein wird, auf das Deutsche Derby in Hamburg, auf das Wohl des Galopprennsports!

Verwandte Artikel:

Block: Adsense 728 x 90
Google AdSense 728x90