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Die Derbynachlese: Das lange Warten vor dem Start und der Zielfoto-Entscheid nach 2.400 Metern

Das lange Warten auf den Start: Mit 25 Minuten Verspätung ging das IDEE 153. Deutsche Derby auf die Reise, weil vor der Startstelle noch die Rails versetzt werden mussten, damit alle 20 Pferde auch starten konnten. ©Galoppfoto - Frank Sorge/Turf-Times

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 726 vom Freitag, 08.07.2022

Die 153. Auflage des IDEE Deutschen Derbys blieb wie viele Vorgänger wieder unter dem Radar einer breiteren Öffentlichkeit. Und das war in diesem Fall vielleicht auch ganz gut so. Der pferdesportliche Fokus lag in diesen Tagen auf dem CHIO in Aachen, wo ein totes Pferd die Schlagzeilen dominierte. Das gab es Gottseidank in Hamburg nicht. Und deshalb ist das Derby den meisten Tageszeitungen nur eine kleine Randnotiz wert, wenn überhaupt. Der peinliche Fauxpas mit der Startmaschine bewegt deshalb eigentlich nur die kleine Rennsport-Community, der Rest der Welt hat davon gar nichts mitbekommen.

Auch im letzten Jahr waren 20 Pferde dabei, damals war Platz genug an der Startstelle: Hier sieht man, dass die beiden Teile der Startmaschinen bei so vielen Pferden mit den Deichseln verkoppelt werden, die waren aber bei der Ausmessung 2022 vergessen worden. Foto Archiv: GaloppfotoAuch im letzten Jahr waren 20 Pferde dabei, damals war Platz genug an der Startstelle: Hier sieht man, dass die beiden Teile der Startmaschinen bei so vielen Pferden mit den Deichseln verkoppelt werden, die waren aber bei der Ausmessung 2022 vergessen worden. Foto Archiv: GaloppfotoMan stelle sich nur vor, die Sportschau wäre live dabei gewesen und hätte 25 Minuten lang nur 20 wartende Jockeys und Pferde zeigen können, während vor der Startstelle noch hektisch Rails versetzt werden mussten. Sogar Equidia, der französische Rennsportkanal, hat sich ausgeklinkt. Das Derby war dort nicht zu sehen. Erst kurz vor dem geplanten Start des wichtigsten Rennens des Jahres war dem Starter Ralf Steinmetz aufgefallen, dass die Bahn für die Startmaschine für 20 Pferde an der 2.400-Meter Marke nicht breit genug ausgesteckt war. Es war das einzige Rennen über diese Distanz an diesem Tag und an den Vortagen waren bei den 2.400-Meter-Rennen, unter anderem im Großen Hansa-Preis am Vortag, sehr viel weniger Pferde am Ablauf. Dass der Starter Ralf Steinmetz dann ausgerechnet erst kurz vor dem Derby merkte, dass der Platz nicht ausreicht, ist mit dem Wort unglücklich nur unzureichend beschrieben. Es war ein ziemliches Desaster, das der Aufklärung bedarf. 

Wie konnte das nur passieren?

Es soll nach unseren Informationen schon beim Besuch der Rennbahn-Prüfungskommission den Hinweis gegeben haben, dass das an dieser Startstelle eng werden könnte. Verantwortlich für den Zustand der Bahn ist der jeweilige Rennverein, also in diesem Fall der Hamburger Renn-Club. Der hätte auch wissen müssen, wie das geht, denn im letzten Jahr gab es auch 20 Starter, die problemlos auf die Reise gingen. Doch der Renn-Club hat sich neu aufgestellt. So wurde unter anderem auch der Mann, der sich in den Vorjahren für die Pflege und den Aufbau des Geläufs in den Vorjahren engagiert hat, verabschiedet und die Verantwortung neu, vereinsintern, vergeben. Es wurde wohl auch nachgemessen und gerechnet, allerdings nicht richtig. Man hat wohl einfach die Breite einer Startbox mal 20 genommen und dabei vergessen, dass eine Startmaschine auch eine Deichsel hat. Da die Hamburger Startmaschine aus zwei Teilen besteht sogar zwei. Das erklärt die fehlenden Meter an der Startstelle. 

Da war es auch schon fast wieder eine glückliche Fügung, dass die großen Ställe aus dem Ausland, in diesem Jahr keine Derbystarter nach Hamburg geschickt haben. Aber die ausländischen Jockey waren da, allen vor Superstar Frankie Dettori. Was werden die wohl gedacht haben, beim langen Warten vor der Startmaschine? Die Bilder, die Frank Sorge von galoppfoto.de  als einziger Fotograf, der sich auf den langen Sprint die Hamburger Gerade hinunter zur Startstelle gemacht hat, exklusiv hat, sprechen da Bände. Wir haben sie in einem kleinen Video auf den Song „I’m waiting“ von den Rolling Stones zusammengeschnitten, was nicht nur in der Jockey-Whatsapp-Gruppe gut ankam. Auch Inken Pallas, eine dem Galopprennsport durchaus wohlgesonnene Redakteurin des SWR, kommentiert das bei Facebook: „Jetzt sieht es witzig, unterhaltend aus….. aber es war leider peinlich, saublöd. Vor allem hat man jetzt wieder keine Chance, bei den Diskussionen um Live-Sendeplatz für Galopp in den Dritten Programmen.“

Ein spannendes Derby

So knapp ging es zu: Außen freute sich Andreas Helfenbein im pinken Dress auf Schwarzer Peter schon und sah sich vorne, das Zielfoto jedoch zeigt die Nase von Sammarco innen mit Bauyrzhan Murzabayev vorn.. ©galoppfoto/ ZielfotoSo knapp ging es zu: Außen freute sich Andreas Helfenbein im pinken Dress auf Schwarzer Peter schon und sah sich vorne, das Zielfoto jedoch zeigt die Nase von Sammarco innen mit Bauyrzhan Murzabayev vorn.. ©galoppfoto/ ZielfotoGleich zehn Pferde mit einem Abstand von weniger als drei Längen, die ersten drei - Sammarco, Schwarzer Peter und So Moonstruck, - sogar nur um eine Nase beziehungswiese einen kurzen Kopf voneinander getrennt. Spannender kann ein Derby nicht sein. Für einen kurzen Moment durfte sich Andreas Helfenbein auf dem 48:1-Außenseiter Schwarzer Peter als Derbysieger fühlen, „ich habe nach rechts auf die Innenbahn geschaut und gedacht, dass ich vor Sammarco bin“. Doch das Zielfoto, auf dem leider der Gegenschuss mit dem Spiegel fehlt, sieht den Sieger innen. Noch lautet der Richterspruch auf den ersten drei Plätzen „Ka. kK-kK“, das soll aber nach unseren Informationen geändert werden auf „Ka. N-kK“. Doch weil auf der Webseite des Dachverbandes wieder einmal der Satz mit dem Verbindungsproblem zur Datenbank usw. zu lesen ist, lässt sich das noch nicht nachlesen. 

Freude über den Derbysieg mit Sammarco: Bauyrzhan Murzabayev sendet Grüße in seine Heimat nach Kasachstan und bekommt von den Kollegen eine Sektdusche. ©galoppfoto - Frank Sorge, Sabine Brose, Jimmy ClarkFreude über den Derbysieg mit Sammarco: Bauyrzhan Murzabayev sendet Grüße in seine Heimat nach Kasachstan und bekommt von den Kollegen eine Sektdusche. ©galoppfoto - Frank Sorge, Sabine Brose, Jimmy ClarkDer Sieger Sammarco (Camelot) beschert seinem Reiter Bauyrzhan Murzabayev und seinem Züchter und Besitzer Helmut von Finck mit seinem Gestüt Park Wiedingen den ersten, langersehnten Derbysieg. Der Trainer Peter Schiergen hat da mehr Routine, er machte das halbe Dutzend voll. Auch sein zweiter Starter Nerik  landete mit Sibylle Vogt noch im Geld, sein 5. Platz macht die Derbybilanz des Asterblüte-Stalles rund.

Zweimal Schwarzer Peter

Zweimal Schwarzer Peter: Der alte und der neue - links mit Andreas Helfenbein als Zweiter im Deutschen Derby 2022, rechts mit Kiki Trybuhl 1990 im Jagdrennen in Hannover in Dress von Uwe Aisch. ©galoppfoto - Peter Heinzmann und ArchivZweimal Schwarzer Peter: Der alte und der neue - links mit Andreas Helfenbein als Zweiter im Deutschen Derby 2022, rechts mit Kiki Trybuhl 1990 im Jagdrennen in Hannover in Dress von Uwe Aisch. ©galoppfoto - Peter Heinzmann und ArchivSo knapp zu verlieren, ist natürlich besonders bitter. Nicht nur für den Jockey Andreas Helfenbein, der in wenigen Tagen seinen 55. Geburtstag feiert, und dem jeder den Sieg gegönnt hätte. „Ich hatte vor im Stall spasseshalber gesagt, dass ich sofort aufhöre, wenn ich mit Schwarzer Peter das Derby gewinne“, heißt es, „das einzig Gute an diesem 2. Platz ist, dass mich jetzt niemand beim Wort nehmen kann, denn ich mache das noch viel zu gerne, um wirklich aufhören zu wollen.“ Der Schönheitsfehler des Derbys sind natürlich die beiden Strafen wegen des Peitscheneinsatz, zwei Schläge zu viel , sieben statt der erlaubten fünf beim Siegreiter Bauyrzhan Murzabayev, einer zu viel bei Andreas Helfenbein, führen zu langen Sperren - 17 bzw. 14 Tage - und zum Verfall von 50 % der Gewinnprozente. Der Favorit So Moonstruck (Sea The Moon) wird mit Frankie Dettori knapp dahinter Dritter. Unter Einhaltung der Regeln. 

Ob das Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn bis fünf gezählt hätten, kann niemand sagen. Aber den negativen Eindruck des Peitscheneinsatzes in der Öffentlichkeit kann niemand verleugnen. Natürlich hat sich das die umstrittene Tierrechtsorganisation schon wieder zu eigen gemacht und RTL berichtet. „Dann am besten ganz ohne Peitsche“, meint Andreas Helfenbein dazu, „das kommt sowie irgendwann.“ Obwohl er um Verständnis wirbt, „wir schlagen unsere Pferde nicht, wir setzen die Peitschen im Endkampf ein, die sind aus ummantelten Schaumstoff und knallen laut, tun aber den Pferden nicht weh. Wir fighten, sind voller Adrenalin und müssen in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen treffen. Mit tut es leid, wenn ich die Peitsche zu oft eingesetzt habe, aber ich bin mir sicher, dass Schwarzer Peter, den ich seit eineinhalb Jahren jeden Tag in der Arbeit reite, mir das nicht übel genommen hat.“

Der Neatico-Sohn gehört Uwe Aisch, der schon einmal ein Pferd namens Schwarzer Peter auf der Bahn hatte. Der ist in Hindernisrennen gelaufen, damals noch mit Kiki Trybuhl im Sattel. Nach einigen Jahren Pause als Besitzer kaufte er sich auf der Auktion der BBAG den dunkelbraunen Hengst aus der Zucht des Gestüts Hof Ittlingen und gab ihm den gleichen Namen. Und der wurde dann beinahe Derbysieger …

Das Comeback des Arc-Siegers

„Er ist wieder da“, lauteten die Überschriften vornehmlich in der Fachpresse über den gelungenen Auftritt von Torquator Tasso am Vortag des Derbys im zweitwichtigsten Rennen des Meeting, im Großen Hansa-Preis, Gr. II. Der Arc-Sieger war schon vor dem Rennen frisch: Mit seiner ständigen Betreuerin Katja Heckmann und Nora Nora Blasczyk am Führzügel zeigte sich der Adlerflug-Sohn mit René Piechulek beim Hansa-Preis wieder in bester Rennlaune und breitete seiner Adlerflügel wieder aus ©galoppfoto - Frank Sorge, Sabine Brose, Jimmy ClarkDer Arc-Sieger war schon vor dem Rennen frisch: Mit seiner ständigen Betreuerin Katja Heckmann und Nora Nora Blasczyk am Führzügel zeigte sich der Adlerflug-Sohn mit René Piechulek beim Hansa-Preis wieder in bester Rennlaune und breitete seiner Adlerflügel wieder aus ©galoppfoto - Frank Sorge, Sabine Brose, Jimmy ClarkDer Arc-Sieger wiederholte seinen Vorjahreserfolg in Hamburg und ließ die schwache Leistung in Baden-Baden vergessen. „Er hat eben seine ganz eigene Art in die Saison zu starten“, meinte sein Trainer Marcel Weiß, der schon zugab, dass ihm einige Felsbrocken vom Herzen gefallen seien, dass „Tassolino“, wie er im Stall liebevoll genannt wird, wieder seinen Turbo eingeschaltet hat, nachdem er in Baden-Baden noch wie im Winterschlaf zu sein schien. 

In der letzten Saison war es ähnlich und die endete mit dem Sensationssieg in Longchamp, den der Adlerflug-Sohn im besten Fall wiederholen soll. Vorher soll er noch in den King George in Royal Ascot laufen, ein Prestigerennen, das mit Novellist und Danedream schon zwei deutsche Sieger gesehen hat. Und der vierbeinige Superstar lässt seine Besitzer vom Gestüt Auenquelle weiter träumen und könnte so ein schöner Werbeträger für den deutschen Galopprennsport sein, wenn man ihn den ließe. Aus der Presseabteilung des Hamburger Renn-Clubs jedenfalls drang kein Wort nach draußen über Torquator Tasso Sieg im Hansa-Preis. Die Meldung vom Derby kam auch wieder jenseits von allen Redaktionsschlüssen irgendwann nach 21 Uhr am Sonntagabend. Wir haben uns darüber auch schon mal in der Derbynachlese bei Sea The Moon ausgelassen, es hat sich nichts geändert. Über eine überschaubare Presseresonanz darf man sich da nicht wundern. 

Die mediale Neuentdeckung

Aber ein neuen Medienpartner taucht auf der Webseite auf, der sich am Derby-Sonntag mit Kamera und launigem Reporter ins Geschehen stürzte. Zwar wähnte man sich beim Reitsport, bei einer Führung statt im Führing und freute sich über die tollen Outfits der Jockeys, „toll, Wahnsinn, was für ein schönes Bild.“ Aber es gibt neben langen Interviews mit Künstlern, Musen und Ball-Veranstaltern auch viele heitere Momente für die Galoppsport-Freaks, wenn Riko Luiking und Christian Sundermann als neues Traumpaar des Turfs entdeckt werden und nun Mühe haben, das ihren Frauen zu verklickern. Gewagte Fragen gab es auch an die Jockeys im Absattelring, ein Besitzer aus Dubai wird entdeckt, Julia Baum kann nur knapp dem Hutwettbewerb entkommen und Gregor Baum muss sich der Frage stellen, ob er denn schon mal ein Rennen gewonnen hat. Der Galopprennsport wird quasi irgendwie neu entdeckt. Zum Ergebnis diese Experiments geht es hier: Klick

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