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Ein Derby ist wie Leberwurst ...

Ein Zweikampf zwischen Royal Youmzain und Weltstar oder ist auch das Derby 2018 wieder für eine Überraschung gut? ©miro-cartoon

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 525 vom Donnerstag, 05.07.2018

... man weiß nicht genau, was drin ist." Diesen Spruch hat, so ist es jedenfalls überliefert, der Jockey Tiny Hugueni in den 1940-er Jahren in Hoppegarten ganz allgemein bezogen auf Pferderennen zum Besten gegeben. Wir wandeln ihn ein wenig ab, um uns dem Phänomen anzunähern, das sich Derby nennt, und auch und um nicht schon wieder das Bonmot des Altmeisters Heinz Jentzsch von wegen dem "verrückten Rennen" zu bemühen. Mit Don Giovanni (1969), Alpenkönig (1970), Stuyvesant (1976), Zauberer (1978), Lagunas (1984), Acatenango (1985), Lando (1993) und Laroche (1994) konnte der erfolgreichste Galoppertrainer Deutschlands das Ding in seiner glorreichen Trainerkarriere gleich achtmal gewinnen und wußte sicher, was da alles so drin sein kann.

Was ist im Derby 2018 drin?

Die Nummer 1: Royal Youmzain mit Eduardo Pedroza beim Training in Ravensberg. www.rennstall-woehler.de - Susanne WöhlerDie Nummer 1: Royal Youmzain mit Eduardo Pedroza beim Training in Ravensberg. www.rennstall-woehler.de - Susanne WöhlerNatürlich gibt es zwei ganz heiße Favoriten, sozusagen die dicken Plocken in der Wurst, um im Bild zu bleiben. Da ist zum einen Royal Youmzain (Youmzain) mit drei Gruppesiegen und schon sechs Starts im Tank die klare Nummer 1. Dahinter ist Weltstar (Soldier Hollow) als Union-Sieger auf der 2 gesetzt. Doch ein Derby kann aus einem Favoriten auch schnell eine arme Wurst machen, denn das Spannende an diesem Rennen ist es, das es erst am "D-Day" zum direkten Vergleich aller Kandidaten kommt und man nicht immer weiß, was manche Formen so wert sind. Was sagen beispielsweise Zeiten aus? Weltstar gewann die Union über 2.200 Meter in 2:19,42 Min., eine vergleichsweise lahme Angelegenheit, vergleicht man die Zeit über 2.200 m mit der von dem Pferd, dem die Handicapper die rote Laterne aufgesetzt haben, der Nummer 14, Chimney Rock (Rock of Gibraltar). Der kommt zwar nur mit der Referenz eines Maidensiegs in Dresden nach Hamburg, war dabei aber über die 2.200m mit 2:16,60 Min. fast drei Sekunden schneller als Weltstar in Köln unterwegs. Anschließend ging im er im von Royal Youmzain dominierten Ittlinger Derby-Trial über 2000 Meter zwar sang- und klanglos unter, aber in Hamburg sind echte Steherqualitäten gefragt und gerade auf den letzten 400 Metern geht es im wahrsten Sinne des Wortes um die Wurst. 

Nur wer mitläuft, kann gewinnen

Mit Jimmu (Dalakhani) und Emerald Master (Mastercraftsman) sind zwei Pferde aus dem Derby-Feld Royal Youmzain in München im Bavarrian Classic schon einmal gehörig auf die Pelle gerückt, unschlagbar ist die Nummer 1 im IDEE 149. Deutschen Derby ohnehin nicht, wie die Niederlage gegen Alounak (Camelot) im Junioren-Preis zeigt. Letzterer aber hat es nicht geschafft in das "Rennen des Jahres" wie so viele andere, die man gerne in Hamburg gesehen hätte, den grandiosen Winterfavoriten Erasmus (Reliable Man) beispielsweise oder Lord Leoso (Pastorius). Die Auslese auf dem Weg zum Derby ist und bleibt hart, auch wenn in den letzten Jahren die Teilnahme mangels Masse einfacher geworden ist. Am Ende können alle laufen, die übrig geblieben sind und tun das auch. Das Derby wird so zwangläufig zu einer Zwei- bis Dreiklassen-Gesellschaft. 96,5 Kg (Royal Youmzain) laufen gegen 78,5 (Chimney Rock). Aber es gibt nichts, was es im Derby noch nicht gab. So gewann 1982 Ako (Riboprince) als größter Außenseiter aller Zeiten unter Erwin Schindler für Trainer Heinz Günter Heibertshausen das 113. Deutsche Derby zum Totokurs von 608:10. Die stolze Besitzerin Stefanie Seiler war zu diesem Zeitpunkt noch Schülerin. 

Die richtige Wahl

Ein kleines Feld mit nur 14 Startern geht am Sonntag, 08. Juli, auf die Reise. Zuletzt war das 2012 im von Pastorius (Soldier Hollow) gewonnen 143. Deutschen Derby der Fall. Der heiße Favorit Novellist (Monsun) mit Eduardo Pedroza im Sattel war damals zum Kurs von 17:10 geschlagen worden von einem 321:10 Außenseiter. Und auch, wenn Novellist später als Sieger in den  King George VI And Queen Elizabeth Stakes in Bahnrekordzeit in die Turf-Geschichte eingegangen ist, das Derby war futsch, in dem kann jedes Pferd nur einmal im Leben laufen, mit drei Jahren. Trainer können es öfter gewinnen, Jockeys auch, nur manche schaffen es nie. Peter Schiergen zum Beispiel ist als Trainer mit Boreal (2001), Schiaparelli (2006), Kamsin (2008) und Lucky Speed (2013) viermal erfolgreich gewesen, ging als Reiter jedoch leer aus. Auch Eduardo Pedroza hat immer noch keinen Sieger ins Ziel gebracht, der ein "Blaues Band" umgehängt bekommen hat. Jetzt sitzt der Panamese in Daueranstellung im Wöhler-Stall wieder auf dem turmhohen Favoriten. Eine große Bürde. Auch andere Top-Jockes wie Adrie de Vries oder Filip Minarik warten teilweise seit Jahrzehnten auf ihren ersten Sieg im "Rennen des Jahres" und kennen die leberwurstige Derby-Melange aus der falschen Wahl des Pferdes, dem unglücklichen Rennverlauf, dem zu weichen oder zu harten Boden, der schlechten Startbox oder einfach dem fehlenden Glück in allen Facetten Aber die alten Champions hängen in den Räucherkammern der Geschichte, 2018 werden die Karten neu gemischt und Adrie de Vries, der auf Weltstar sitzt, und Filip Minarik auf Guiri (Motivator) sind sicher nicht mit den schlechtesten Chancen unterwegs.

Weiß, wo das Derby-Ziel steht: Sieg Nummer 7 für den "Hamburger Jung" Andrasch Starke im IDEE 146. Deutschen Derby mit Stall Nizzas Nutan. In diesem Jahr mit Ecco unterwegs. www.galoppfoto.de - Frank SorgeWeiß, wo das Derby-Ziel steht: Sieg Nummer 7 für den "Hamburger Jung" Andrasch Starke im IDEE 146. Deutschen Derby mit Stall Nizzas Nutan. In diesem Jahr mit Ecco unterwegs. www.galoppfoto.de - Frank SorgeImmer wieder Andrasch Starke

Ohnehin sitzen nur drei Jockeys im Sattel, die wissen, wie man beim Derby das Ziel als Erster erreicht. Neben Jozef Bojko (Waldpark 2011, jetzt auf Aldenham) und Maxim Pecheur (Windstoß 2017, jetzt auf Star Max) ist das natürlich "Mr. Derby", Andrasch Starke, der dem ewigen Rekord von Gerhard Streit mit acht Siegen auf nur einen Treffer herangerückt ist und nach Siegen mit Robertico (1998), Samum (2000), Next Desert (2002), Schiaparelli (2006), Kamsin (2008), Lucky Speed, (2013) und Nutan (2015) nun seine Chance mit Ecco (Maxios) sucht, dem einzigen Starter aus dem Asterblüte-Stall von Peter Schiergen, einer von zwei  Maxios-Nachkommen, die es aus dem kopfstarkem ersten Jahrgang des Fährhofer Deckhengstes ins Derbyfeld geschafft haben. In der Union war er Sechster, vier Gegner vom Sonntag waren vor ihm: Weltstar (Soldier Hollow), Destino (Soldier Hollow), Salve Del Rio (Rio De La Plata und Jimmu (Dalakhani), aber mit Aldenham (Mastercraftsman), Sweet Man (Reliable Man) und Emerald Master (Mastercraftsman) auch noch drei Mitbewerber für die Dreijährigen-Krone hinter ihm, wobei sich gerade die beiden Letzteren, siehe München, schon einmal ganz anders präsentiert haben. Auch Ecco hat sich bei seinem einzigen Sieg im Krefelder Maiden schon von einer anderen, schnelleren Seite gezeigt und die Kombination aus Jockey Starke und Trainer Schiergen darf man beim Derby nie außer acht lassen, wie bei der letztjährigen Derby-Ausgabe, in der sein Bruder Enjoy Vijay (Nathaniel) Zweiter wurde.

Die kleinen Brüder

Jubelt wieder das Team Röttgen: Der letztjährige Derby-Sieger Windstoß mit Maxim Pecheur, Trainer Markus Klug (links), Frank Dorff (rechts) und Dr. Guenter Paul nach dem Sieg im 148. Deutschen Derby, jetzt geht sein kleiner Bruder Weltstar mit der 2 ins Rennen. www.galoppfoto.de - Frank SorgeJubelt wieder das Team Röttgen: Der letztjährige Derby-Sieger Windstoß mit Maxim Pecheur, Trainer Markus Klug (links), Frank Dorff (rechts) und Dr. Guenter Paul nach dem Sieg im 148. Deutschen Derby, jetzt geht sein kleiner Bruder Weltstar mit der 2 ins Rennen. www.galoppfoto.de - Frank SorgeÜberhaupt sind im diesjährigen Derbyfeld gleich mehrere Pferde zu finden, die auf den großen Hufspuren ihrer erfolgreichen Brüder unterwegs sind, die  diese in Horn hinterlassen haben. Weltstar (Soldier Hollow) ist der Halbbruder des letztjährigen Derbysieger Windstoß (Shirocco) aus Röttgener Zucht, Destino (Soldier Hollow) ist sogar der rechte Bruder des Derby-Dritten Dschingis Secret (Soldier Hollow) von 2016, der jüngst seinen zweiten Sieg im pferdewetten.de - Großer Hansa-Preis, Gr. II, in Horn feiern konnte. Last but not least zu erwähnen ist Capone (Nathaniel), Halbbruder des letztjährigen Derby-Favoriten Colomano (Cacique), der in Hamburg allerdings Pech hatte und angaloppiert wurde. 

Nochmal Brüder

Hamburger "Greenkeeper": Geschafft ... alles wächst, alles im grünen Bereich. Sascha Wöhler auf dem Derby-Rasen, den er angerichtet hat. Foto: privatHamburger "Greenkeeper": Geschafft ... alles wächst, alles im grünen Bereich. Sascha Wöhler auf dem Derby-Rasen, den er angerichtet hat. Foto: privatSein vierter Derbysieger - und dann sogar noch selbst gezogen: Trainer Andreas Wöhler mit Isfahan (Lord of England) mit Dario Vargiu nach dem Sieg im 147. Deutschen Derby. www.galoppfoto.de - Frank SorgeSein vierter Derbysieger - und dann sogar noch selbst gezogen: Trainer Andreas Wöhler mit Isfahan (Lord of England) mit Dario Vargiu nach dem Sieg im 147. Deutschen Derby. www.galoppfoto.de - Frank SorgeBeide sind Söhne des erfolgreichen Trainers Adolf Wöhler, der das Derby mit Königsee (1975) und dem legendären Surumu (1977) gewonnen hat und mit nur 52 Jahren früh verstorben ist. Der ältere, Andreas Wöhler, musste deshalb 1985 schon frühzeitig die Verantwortung als Trainer in einem großen Stall übernehmen und avancierte zu einem der erfolgreichsten Vertreter seiner Zunft, hat mehr als 2000 Sieger gesattelt, darunter auch die vier Derby-Sieger Pik König (1992), Belenus (1999), Waldpark (2011) und Isfahan (2016). Der jüngere Bruder, Sascha Wöhler, war viele Jahre an seiner Seite im Stall, machte sich dann aber als "Greenkeeper", sprich Rasenfachmann , einen Namen und stellte sich erfolgreich auf eigene Füße. In Hamburg ist er zuständig für den Zustand des Geläufs, das vor seiner Zeit oft Gegenstand der Kritik war, in diesem Jahr aber von allen Seiten gelobt wird, s. dazu auch die Serie "Galopp-Insider" im RaceBets-Blog zu Sascha Wöhler: Klick! Der kleine Bruder bereitet also den Boden für den großen Bruder, der neben der Nummer 1, Royal Youmzain, noch drei weitere Pferde satteln wird - Aldenham, Zargun und Chimney Rock - und das größte Lot stellt. 

Der Faktor Glück

Die Startnummernverlosung in der Spielbank Hannover: Freud und Leid liegen eng bei einander. Der beste Platz ist mittendrin. Nur für Aldenham wurde eigens die Außenbox beantragt ...Die Startnummernverlosung in der Spielbank Hannover: Freud und Leid liegen eng bei einander. Der beste Platz ist mittendrin. Nur für Aldenham wurde eigens die Außenbox beantragt ...Endlich spielt auch das Wetter mit, es ist kein Dauerregen, kein Unwetter in Sicht, so dass der Boden bei diesem Derby nicht das Thema sein sollte. Alle Pferde haben ihre Bestleistung auf gutem Boden gezeigt, so sollte er auch am Derby-Sonntag sein. Bei der Auslosung der Startnummern haderte manch einer schon mit dem Ergebnis, Trainer Markus Klug beispielsweise mit der Box Nummer 1 für Destino oder Trainer Andreas Wöhler mit der 13 für Royal Youmzain, die einen freuen sich über die ungerade Endzahl ... 

Noch nie hat ein Schimmel gewonnen

Könnte für ein Novum sorgen: Noch nie hat ein Schimmel ein Derby gewonnen, Jimmu und sein Team hätten nichts dagegen, diese Serie zu beenden. www.galoppfoto.de - WiebeArtKönnte für ein Novum sorgen: Noch nie hat ein Schimmel ein Derby gewonnen, Jimmu und sein Team hätten nichts dagegen, diese Serie zu beenden. www.galoppfoto.de - WiebeArt"104 braune, dunkelbraune oder Rappen - so genau hat man das in den früheren Jahren nicht unterschieden - und 44 Füchse haben bisher das Derby gewonnen. Aber noch nie ein Schimmel". So etwas weiß natürlich Harald Siemen, der Handicapper und Autor der 125-jährigen Geschichte des Galopp-Derbys, die im nächsten Jahr eigentlich neu geschrieben werden müsste, zum 150. Jubiläum. Immerhin sind mit Jimmu (Dalakhani) und Sweet Man (Reliable Man) zwei Schimmel mit von der Partie, die zwar noch nicht so weiß sind, wie die beiden Begleitpferde, die den Derbysieger traditionell vom Geläuf holen, aber in jedem Fall frische Farbe bringen würden. Ohnehin wäre es sicher nicht das Schlechteste, wenn nicht die ewig gleichen Namen auf den Siegerlisten auftauchen würden, Kandidaten, die neue Würze in den "Leberwurstbrei" Galopprennsport bringen würden, gibt es zwar nicht in Hülle und Fülle, aber einige sind doch da. Junge Trainer und aufstrebende Jockeys, kleine Besitzer, die sich ihr Hobby einiges kosten lassen, weil es sich im Rennsport immer noch so schön träumen läßt. Denn keiner weiß genau, was drin ist.  

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