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Cheltenham 2020 - JP-Pferde in Geburtstagsform

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 609 vom Freitag, 13.03.2020

Mittwoch ist Ladies Day in Cheltenham, aber nach dem einleitenden Tag des 2020 Festivals muss über eine Verlegung ernsthaft nachgedacht werden. Es waren die Damen - zwei-und vierbeinig - die Tag Eins den Stempel aufdrückten. Allen Widrigkeiten - die vor allem Corona-Virus heissen - zum Trotz hoben sich  um 1.30 Uhr Ortszeit unter dem berüchtigten „Cheltenham roar“ die Startbänder. Erstes Rennen des Meetings ist traditionell die Supreme Novices´ Hurdle (Gr.1, 2m) ; passend, dass mit Nicky Henderson der erfolgreichste Trainer der Geschichte Cheltenhams zum Zuge kam; dies war Sieg Nr. 65. Zur Freude der Favoritenwetter setzte sich sein Sholokhov-Sohn Shishkin in einer knappen Ankunft durch - ein Kopf trennte ihn im Ziel von Gordon Elliots Abacadabras (Davidoff). „Er ist so talentiert, hat unglaubliche Gänge und holt dich aus allen Problemen“ schwärmte Jockey Nico de Boinville nach dem Rennen. Die Sieger der Supreme sind die Champion Hurdle - Pferde der Zukunft, dem Vernehmen nach soll Shishkin diese Route nehmen.

„Hot on the heels“ folgt die Arkle Chase (Gr.1, 2m), auch ein Rennen für Jungstars, diesmal jedoch ein Jagdrennen. Irland kam zum Zuge, aber es waren nicht wie erwartet Willie Mullins oder Gordon Elliot, die den Sieger vom Geläuf führten. Die Siegerin, um genau zu sein. Henry de Bromhead, gleichsam im Schatten der mächtigen Ställe der Erstgenannten, aber natürlich einer der besten Trainer der Insel, hatte zwei Eisen im Feuer, darunter den deutsch gezogenen Samum-Sohn Notebook (Jockey Rachael Blackmore). Es wurde ein Fall von Erster - Letzter: Die als 16-1 gestartete Außenseiterin Put the Kettle on (ja, der Name bedeutet übersetzt tatsächlich:“ Stell den (Wasser)Kessel auf den Herd“- die verstorbene Mutter des Besitzers trank dem Vernehmen nach „Tee für Irland“) nahm unter Aidan Coleman resolut die Spitze - und blieb dort bis zu ihrem sicheren 1.5 Längen Sieg über Joseph O`Briens Fakir d´ Oudairies. Selbstredend zur ungeheuren Freude ihres Besitzerteams, und de Bromhead, der vorausschauend die Champion Chase in 2021 nicht ausschloss. Notebook trudelte als Letzter ins Ziel.

Hauptrennen an Tag Eins ist die Champion Hurdle (Gr.1, 2m), eines der „signature-races“ des gesamten Festivals. Selten schien das Rennen so offen wie in diesem Jahr, doch auch hier war es „business as ususal“. Nicky Henderson hatte für seine wenig geprüfte No Risk at All- (ein gleichsam prophetischer Name in der momentanen Situation) Tochter Epatante, die in den weltberühmten „emerald green and gold“ Farben von JP McManus läuft, lange nur dieses Rennen im Auge gehabt. Nach ihrem beeindruckenden Sieg zu Weihnachten in Kempton hatte sie als Favoritin notiert. Und allen Zweifeln an ihrer Form zum Trotz (die auch die Verfasserin dieser Zeilen hatte), gewann sie wie das sprichwörtlich gute Ding.

Stalljockey Barry Geraghty war die Freude ins Gesicht geschrieben; es war ein „leichter“ Ritt auf einem jederzeit überlegenen Pferd. Epatante ist somit die fünfte Stute, die diese Prüfung gewinnen konnte; es war Hendersons bemerkenswerter achter Erfolg im Rennen. Auch Besitzer JP McManus ist Erfolge in diesem Rennen mehr als gewohnt; es war Sieg Nr. 9 und sein vierter (!) in Folge; nach Buveur d´Air (2017/18) und Espoir d´Allen im letzten Jahr. Passend, dass er am Dienstag zudem seinen 69. Geburtstag feierte.

Somit sahen zwei der Hauptrennen eine Stute als Siegerin; im fünften Rennen des Tages konnte es sowieso nur eine Siegerin geben. Die Mares´ Hurdle (Gr.1, 2m4f) ist selbstredend Stuten vorbehalten; in 2020 wurde der Wettmarkt von zwei außergewöhnlich hochklassigen Damen beherrscht. Es war auf dem Papier der Zweikampf, der es auch auf dem Rasen wurde; schon jetzt war das Finish, und der extrem clevere Ritt der siegreichen Reiterin Rachael Blackmore eines der Highlights des Meetings. Henry de Bromheads Sulamani-Tochter Honeysuckle war als ungeschlagenes Pferd nach Cheltenham gereist, ihr gegenüber stand mit Benie des Dieux eine Stute aus dem mächtigen Quartier von Willie Mullins, der die Great Pretender-Tochter zudem als seine beste Chance des gesamten Meetings bezeichnet hatte.

Und während Anhänger der erstgenannte Stute Blackmores Ritt völlig zu Recht in den Himmel lobten, verfluchten Fans des Mullins-Stalles die Ritte „ihrer“ Jockey: sowohl Robbie Power auf Stormy Island als auch Stalljockey Paul Townend auf eben Benie des Dieux erhielten Kritik für ihre Reitweise. Die tatsächlich lediglich fair war, aber eben im letzten Bogen eine kleine,  feine Lücke an der Innenseite offen lies, die Blackmore und ihre willige Partnerin Honeysuckle beherzt nutzten. Ein mutiger Sprung der Stute am letzten Hindernis machte dann alles klar - kurz schien Honeysuckle zu überlegen, ob sie „kurz“ oder „lang“ springen sollte. „Es gab scheinbar Verständigungsschwierigkeiten der Jockeys“ so ein mißgelaunter Willie Mullins nach dem Rennen, „wir werden das Rennen nicht zu oft in der Wiederholung gucken“.

Auch St. Patricks Day kam einen Tag zur früh - der irische Besitzer JP McManus feierte am zweiten Tag unglaubliche vier Sieger. Und es hätten sogar fünf sein können, denn ausgerechnet seine auf dem Papier allerbeste Chance, der als 1.3-1 gestartete Favorit Defi du Seuil versagte in der Champion Chase auf ganzer Linie. Tag Zwei stand für Drama und Spannung, und die Unwägbarkeiten des Sports. Doch der Reihe nach. Favoritenwetter hatten einen Traumstart, als einer der Banker des Tages, um nicht zu sagen des gesamten Meetings. seines Siegesserie auch in Cheltenham fortsetzte. Gordon Elliotts in den rot-blauen Cheveley Park-Farben laufenden Envoi Allen war mit einem perfekten Rekord - sieben Siege bei sieben Starts - angereist.

Der mächtige Muhtathir-Sohn, für den seine Besitzer schlappe 400.000 Pfund hatten hinblättern müssen,  ist auf dem Weg, ein echter Superstar des Sports zu werden. Die Manier, in der er auch seinen jüngsten Sieg in der Ballymore Novices´ Hurdle (Gr.1, 2m4f) nach Hause galoppierte, war eine Demonstration und Talent und Klasse. „Er ist recht schwer zu lesen, denn wenn er erst einmal einen Rhythmus hat, läuft er in seiner eigenen Welt und schaltet völlig ab. Ich muss dann entscheiden, wann ich zulegen muss, wenn er zu früh vorne ist, könnte er sich zu schnell verausgaben. Heute war es perfekt. Er ist ein Gentleman und es ist eine absolute Ehre, mit diesem Pferd verbunden zu sein“ So Davy Russell, einer der angesehensten Jockeys der Szene, mit 41 Jahren auch einer der Senioren.

Cheveley Park Eignerin Patricia Thompson lies es sich nicht nehmen, ihren Star selber zur Siegerehrung zu führen. Das Gestüt, als Züchter und Besitzer eines der Schwergewichte der britischen Flachrennen, hat vor allem auf Betrieben von Mrs. Thompson sein Engagement im Hindernissport stark ausgeweitet, Erfolge liessen nicht lange auf sich warten.

Bei drei Startern am zweiten Meetingtag hatte man zwei Sieger (zusätzlich zu Envoi Allen gewann Ferny Hollow den Champion Bumper (Gr.1)) ) und den drittplatzierten Allaho in der RSA Chase. Diese war das zweite Rennen des Tages, eine  Gr.1 Novice Chase für die zukünftigen Gold Cup-Pferde. Es war der Start der außergewöhnlichen Siegesserie für McManus, auch wenn seine Pferde größtenteils  für „ausländische“ Trainer starteten (zum Engländer Nicky Henderson kam der Franzose David Cottin):  Champ  (RSA), Dame de Compagnie (Gr.3 Coral Cup) , Easylands (Cross Country Chase) und der Maxios-Sohn Aramax (Gr.3 ehe. Fred Winter Hurdle), welches als einziger auch in Irland von Gordon Elliott trainiert wird, hiessen seine vier Sieger des Tages, vier Sieger an einem Tag, wo manch ein Besitzer sein Leben lang von nur einem Starter träumt.

Sicher, JP bringt mehr Pferde in Cheltenham an den Start, als manch Trainer überhaupt Pferde im Stall hat (alleine im Coral Cup trugen fünf Pferde seine Farben, und es gab Sonderwetten, dass er überhaupt den Sieger, egal welchen Namens, stellen würde.) Doch das Hauptrennen des Tages, die Champion Chase, entzog sich. Nach dem späten Ausfall von Willie Mullins Chacun Pour Soi (offizieller Grund war ein Hufabszess) schien der Weg frei für seinen Defi Du Seuil, doch der Siebenjährige, im Training bei Philip Hobbs, enttäuschte auf ganzer Linie und konnte sich als kochend heisser Favorit bei fünf Startern als müder Vierter über die Linie retten. Bereits im Führring stand er optische im Schatten des Paul Nicholls Paares Politologue und Dynamite Dollars, und dieser Eindruck täuschte nicht. Auf die Minute fit, machten die beiden Pferde das Rennen unter sich aus; es wurde eine Demonstration des aggressiven Front-Reitens von Politologues Jockey Harry Skelton. In den berühmten gelben Rennfarben mit rotem Stern, im englischen Sport für alle Zeiten mit dem legendären Schimmel One Man verbunden, hat der Besitzer, der einstmals die Teletubbies erfand, eine Schwäche für diese Farben. Inzwischen fast weiss, passt Politologue voll ins Konzept, Hales war den Tränen nah. Skelton, auf Betreiben von Hales gebucht, konnte sein Glück kaum fassen, es war - beim ersten Ritt in diesem Rennen  - die Erfüllung eines Lebenstraums.

Teil von JP McManus Vierer-Serie war wie erwähnt auch der Franzose Easylands, der Publikumsliebling Tiger Roll in der Cross Country Chase klar besiegte. Der klebrige Boden, offiziell „weich“, von den Jockeys jedoch am zweiten Tag als „klebrig“ oder gar „tot“ bezeichnet, war so gar nicht nach dem Geschmack des nun 10jährigen, der in der Niederlage als Zweiter ein tapferes Rennen lief. Trainer Gordon Elliott zeigte sich zufrieden und sprach von einer guten Vorbereitung für Aintree - hier soll Tiger Roll im April zum dritten Mal  in Folge das Grand National gewinnen. Wenn der Corona-Virus es denn zulässt. „Er ist auch weichem Boden einfach um Kilos schlechter als auf gutem. Its all systems go“.

Im Länderkampf England gegen Irland hält Nicky Henderson mit vier Siegen Team GB zur Halbzeit beinahe im Alleingang  an der Spitze. Willie Mullins, der normalerweise für die Anzahl seiner Siege beide Hände braucht, kam erst im Champion Bumper, dem letzten Rennen an Tag Zwei, mit eben Ferny Hollow zum Zuge. 

Catrin Nack

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