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Cheltenham 2016: Der Gold Cup-Sieger Don Cossack

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 410 vom Donnerstag, 24.03.2016

Er hatte nie an ihm gezweifelt. Weder der schlechte Bahnrekord  in Cheltenham noch der Sturz in der King George Chase in Kempton konnten Trainer Gordon Elliott von der festen Überzeugung abbringen, dass er mit Don Cossack den potentiellen Gold Cup-Sieger im Stall hat, und der fast nachtschwarze Wallach ließ Taten folgen. 

Nachdem das Meeting für Team Elliott/Gigginstown alles andere als glatt begonnen hatte (Tiefpunkt war der tragische Verlust von No More Heroes am Mittwoch des Meetings), waren alle Sorgen nach dem Sieg in Cheltenhams wichtigsten Rennen am vergangenen Freitag mit einem Schlag vergessen.  Unter dem jungen Gigginstown-Stalljockey Brian Cooper, der von beiden „Don´s“  den richtigen ausgewählt hatte, war es auf passend gutem Boden ein Rennen nach Maß für Don Cossack, den Cooper weitestgehend an der Außenseite hielt, der bei sehr guter Fahrt kaum je einen Fehler machte und eingangs der Gerade resolut das Kommando übernahm.  Englands Hoffnung Cue Card (Jockey Paddy Brennan, Trainer Colin Tizzard) war in guter Haltung am drittletzten Sprung gefallen (Pferd und Reiter blieben unverletzt), so dass als Gegner nur Willie Mullins´ Djakadam (in den „Annie Power“-Farben von Rich Ricci)  unter Ruby Walsh verblieb,  sie wurden sicher in ihre Schranken verwiesen.

Von weit hinten kam Don Poli (Davy Russell/Willie Mullins) für Platz drei noch fein ins Rennen, auf dem festeren Boden war das Rennen alles andere als passend. „Mit Djakadam waren wir nun zweimal Zweiter, ich denke nicht, dass er dieses Rennen je gewinnen kann. Wir müssen uns wohl nach einem neuen Gold Cup-Pferd umsehen“ , reflektierte ein unsentimentaler Mullins nach dem Rennen, und „auf diesem Boden war das Rennen für Poli immer zu schnell. Alles was er macht, ist stehen. Er ist wohl doch  eher ein Grand National Pferd.“ 

Überschwängliche Freude dagegen natürlich im Team von Don Cossack, Besitzer Michael O´Leary hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass der Gold Cup das Rennen ist, das  zählt: „Darum machen wir das alles, hierfür geben wir unser Geld aus. Wir wollen einen Gold Cup-Sieger. Hürden-Rennen interessieren uns nur am Rand, was zählt, ist dies hier",  so ein strahlender Ryanair-Boss, der das Rennen zehn Jahre nach dem Erfolg von War of Attrition zum zweiten Mal gewann, und der dem Vernehmen nach trotz allem Überschwang den 20-Uhr Flug seiner Airline in Birmingham nicht verpasste: „Ryanair wartet auf keinen!“ 

„Ich glaube schon, dass O´Leary sehr glücklich ist, aber glauben Sie mir; er kann gar nicht so glücklich sein wie ich“, diktierte ein schier überwältigter Gordon Elliott der Presse in die Mikrophone. „Ich war sehr jung, als ich das Grand National gewonnen habe, und es nicht so sehr genossen, wie ich sollte, aber glaubt mir, diesmal werde ich es genießen.“ In der Tat ist die Entwicklung des nun 38jährigen Trainers, der als Jockey u.a. am Stall von Martin Pipe lernte und für diesen auch einen Cheltenham-Sieger reiten konnte, eine der verblüffendes im Sport; Elliott ist der lebende Beweis, dass Talent allein nicht ausreicht, aber vereint mit harter Arbeit auch ohne ein Netzwerk aus Kontakten bis ganz nach oben führen kann. Aus einer Familie ohne jeglichen „Pferde“-Hintergrund stammend, war Elliot 29 Jahre alt, als er im Jahr 2007 mit Silver Birch, den er für relatives „Kleingeld“(20,000 gns)  mit Sehnenschaden aus dem Stall von Paul Nicholls als „Spaßpferd“  gekauft hatte, das Grand National von Aintree gewann; angeblich waren Besitzer und Trainer danach eine Woche lang nicht mehr nüchtern.

So dümpelte denn auch Elliott´s Trainer-Karriere vor sich hin;  Ende 2009 standen nur vier halbwegs erwähnenswerte Siege in seinem CV, bis Anfang 2010 – getreu dem Motto, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine ambitionierte Frau steht - seine Lebensgefährtin auf den sprichwörtlichen Tisch haute. Was immer sie Elliott hinter verschlossenen Türen an den Kopf warf,  es wirkte. Aus dem Spaß-Trainer,  der jahrelange nur die erste Hälfte des Sprichwortes „Play hard, work harder“ beachtete, wurde ein Mann, dessen Ehrgeiz kaum Grenzen kennt, die klare Nummer Zwei in Irland, und wenn ein Mann das Potential hat, einmal Willie Mullins abzulösen, dann ist es Gordon Elliot.

Ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, seine Schützlinge noch besser und noch effektiver zu trainieren („Ich treffe Gordon mehrmals im Jahr, wir gehen über seine Anlage und überlegen uns, was wir verbessern könnten. Er hat Ideen über Ideen, und wenn er sagt, das schieben wir im nächsten Jahr an´ ist es vier Monate später fertig. Ich kenne keinen Menschen mit diesem Antrieb und Willen zum Erfolg“, charakterisierte ihn ein Freund im letzten Jahr), ist Elliott nun ein Mann mit einer Mission: „Natürlich will ich [irischer] Champion Trainer werden, ich würde lügen, wenn ich das verneinen würde.“

Angesichts der erdrückenden Übermacht eines Willie Mullins sollte dieses Ziel noch in einiger Ferne liegen, aber Elliott hat nun einen Cheltenham Gold Cup –Sieger trainiert, während Mullins zum vierten Mal in Folge und zum sechsten Mal insgesamt den Zweitplatzierten dieser Prestige-Prüfung stellen konnte  oder stellen musste. Natürlich sind sieben Meetings-Erfolge incl. der Champion Hurdle und der Ryanair Chase, ganz zu schweigen vom Titel des Meetings-Champion,  Kompensation genug, aber es ist der Gold Cup, der zählt, der Gold Cup das Rennen, an das man sich erinnert: „Kein Besitzer kommt zu mir und sagt, ich solle ihm einen Champion Hurdle-Sieger kaufen.“ umschrieb es einmal ein Top-Trainer aus England, „sie sagen alle, kaufen Sie mir ein Gold Cup-Pferd.“

Mit drei Siegen und 481.437 GBP an gewonnenen Preisgeldern war Elliott  hinter – selbstredend - Willie Mullins (sieben Siege, 1.291.481 GBP) der zweiterfolgreichste Trainer des Festivals, vor Namen wie Nicky Henderson (zwei Siege, 452.745 GBP) oder Paul Nicholls (drei Siege, darunter die letzten beiden Rennen des gesamten Meetings – 209.189 GBP).

Erstaunlicherweise gelang Mullins am letzen Tag des Meetings kein Erfolg mehr, nachdem er am Donnerstag noch einmal drei Sieger hatte stellen können, mit Black Hercules in der JLT Novices´ Chase (Gr. 1, 2m4f) und Vautour in der Ryanair Chase (Gr.1, 2m5f) zwei sportlich „dicke“ Treffer, mit Limini im neugeschaffenen Stuten-Hürden-Rennen gewann dann auch der Stall-Banker der Meetings, „wir haben es seit Wochen auf jeder Veranstaltung verkündet“,  so ein erleichterte Ruby Walsh, der auf der Peintre Celebre-Tochter (ebenfalls in Ricci-Farben) niemals einen Moment der Sorge hatte. „Wir konnten nicht glauben, dass wir so eine qualitätvolle Stute mit nur einem Gebot [100.000€] kaufen konnten“, wunderte sich  Mullins nach dem Rennen, „sie könnte auch ein Pferd für Royal Ascot sein“.

Damit punktete Mullins beim Festival mit drei Stuten, sicher eine Art Novum, und stellte fünf Sieger für die Familie Ricci, von denen der erwähnte Vautour wohlmöglich der kontroverseste war. Lange hatte der Wallach für den Gold Cup selber unter Order gestanden (Besitzer Rich Ricci hatte sogar verkündet „It´s Gold Cup or nothing“),  und wurde erst in letzter Minute mit doch eher fadenscheinigen Gründen Richtung Ryanair Chase umdirigiert – sicherlich sehr zum Mißfallen von Michael O´Leary, der in diesem „seinem“ Rennen so nur die platzierten Pferde stellte, von denen der zweitplatzierte Valseur Lido auch noch ebenfalls von Mullins trainiert wird. 

Ohne einen weiteren Mullins-Sieger am Freitag gelang es einer erfreulichen Anzahl junger Trainer, ihren Namen in die Siegerlisten des Cheltenham-Festivals einzutragen,  und keiner war jünger als Joseph O´Brien mit 22 Jahren. Nur den Stewards von Cheltenham schien es verborgen geblieben zu sein, dass Aidan O´Brien zwar als Trainer zeichnet, die Pferde - dem Vernehmen nach rund 70 an der Zahl - aber schon seit geraumer Zeit in der Außenanlage Owning Hill von Sohn Joseph betreut werden; ein Arrangement nicht unähnlich dem von Paul Nicholls und Harry Fry beim Erfolg von Rock on Ruby in der Champion Hurdle vor vier Jahren.  Umrahmt von Mutter und Schwestern nahm Joseph Ivanovich Gorbatov nach dessen Erfolg in der Triumph Hurdle in Empfang (um sich anschließend mit seinem Vater den Fragen der Stewards zu stellen); der vierjährige Montjeu-Sohn  war lange Zeit eines der „talking horses“ des Meetings  und machte  bei seinem Sieg hier mächtig Eindruck. Er könnte die Karriere seines jungen Betreuers schon vor dem eigentlichen Beginn (im Mai steht der Trainer-Kurs an ) auf den rechten Pfad bringen, nicht wenige sehen in dem Wallach einen künftigen Champion Hurdle –Teilnehmer. 

Neben dem bereits erwähnten Harry Fry gelang mit Dan Skelton einem weiteren Jung-Trainer aus der Talentschmiede von Paul Nicholls ein erster Sieg in eigenem Namen, beide  gehörten in der goldenen Ära von Kauto Star & Co.  zum Team Ditcheat und gehen seit nunmehr rund zwei Jahren jeweils eigene Wege.  Während Dan Skelton mit  Superb Story „nur“ in der Grade 3 County Hurdle punkten konnte, gelang Harry Fry mit seinem Unowhatimeanharry durchaus ein echter Coup:  nicht nur besiegte sein Schützling in der Albert Bartlett Hurdle (Gr. 1 , 3m)  mit Barters Hill einen der großen Favoriten des Meetings,  er machte auch so viele Besitzer wie keiner anderer glücklich, startet der Wallach mit dem ungewöhnlichen Namen doch in den Farben des hauseigenen Rennclubs, der rund 40 Mitglieder hat (von denen nur sieben nicht in den Führring durften!). Der Name des Pferdes (voll ausgeschrieben würde er You-know-what-I-mean-Harry lauten) leitet sich im Übrigen nicht etwa von seinem (wohlmöglich ahnungslosen) Trainer ab,  sondern geht auf Interviews der britischen Box-Legende Frank Bruno mit den Sport-Moderator Harry Carpenter zurück. Hierzulande hätte man den  Wallach wohlmöglich „Harryholschonmaldenwagen“ genannt.

Wenn mit den genannten Namen die sportlichen Höhepunkte des vierten und letzten Tages weitestgehend abgehandelt wurden, so darf der mediale Höhepunkt des Tages – und wohlmöglich des gesamten Meetings – natürlich nicht fehlen: der Ritt der Olympionikin Victoria Pendleton in der Foxhunters´ Chase. Über die „Switching Saddles“ Kampagne der ehemaligen Radrennfahrerin haben wir in bereits ausführlich berichtet, die Stunde der Wahrheit kam für Pendleton rund 40 Minuten nach dem Gold Cup, als sie ihren Partner Pacha Du Polder (Besitzer „Big Buck´s“  Andy Steward, Trainer Paul Nicholls)  zur Startstelle dirigierte und im hinteren Drittel des wie immer großen Feldes abspringen ließ. Streng nach Order und streng auf Warten servierte Pendleton ihrem Pferd mit einem makellosen Ritt ein Rennen nach Maß; der Wallach – ein zweifelhafter Steher, der noch nie über die hier geforderte Distanz gewonnen hatte – sprang wie ein Uhrwerk und flog nur so die langen Hügel der Zielgeraden herauf, passierte Gegner um Gegner, und wenn auch die Ziellinie etwas zu früh kam um am Ende nur Platz Fünf heraus sprang, so war dies mehr als nur ein Achtungs-Erfolg.

Es war ein Triumph auf ganzer Linie für Pendleton und ihr Team, die sich im Vorfeld harschen Attacken in den sozialen Netzwerken und den allgemeinen Medien ausgesetzt sahen;  es war tatsächlich ein Fall von „wer zuletzt lacht, lacht am besten.“  Pendleton, eloquent wie immer, machte aus ihrer überschwänglichen Freude über die grandiose Leistung keinen Hehl –„Dies steht ganz oben auf der Liste meiner Erfolge, und ist vielleicht meine größte Leistung überhaupt“ – und versäumte es nicht, der Siegerin Nina Carberry (deren Partner On the Fringe das Rennen zum zweiten Mal in Folge gewann)  nachdrücklich zu gratulieren. Hier hatte der Sport eindeutig ganz viele Sieger.

Leider hatte das Festival aber natürlich auch Verlierer, und damit sind nicht nur die unvermeidlichen Nicht-Gewinner pro Rennen gemeint, oder gar die Trainer mit großen Namen, die in 2016 nicht einen Sieger stellen konnten, darunter so prominente Namen wie Alan King, Philip Hobbs, John Ferguson, Henry de Bromhead, Noel Mead oder Venetia Williams.  Peinliche Bilder von betrunkenen Fans waren das Eine, aber angesichts sieben toter Pferde (darunter war auch der in Deutschland gezogene Dai Jin-Sohn Pont Alexandre) – der höchsten Anzahl seit rund 10 Jahren – verlor der Sport hier insgesamt an Ansehen. Unfälle sind bei einem so risikoreichen Sport sicherlich niemals ganz zu vermeiden, und die zuständigen Stellen waren bemüht, hervorzuheben, dass einige der Unfälle gar nicht an oder über den Sprüngen selbst passiert waren. 

Nach wie vor bleibt festzustellen, dass Rennpferde  im allgemeinen hervorragend betreut und versorgt sind, und in Zeiten von Tierskandalen rund um unsere Nahrungserzeugung ganz andere Leiden die Menschen zum Umdenken bewegen sollten.  Seiner Verantwortung kann sich der Sport damit aber nicht entziehen, und so wird –auch auf der Insel – immer weiter Mitteln und Wegen gesucht, um diesen so bewegenden Sport weiter zu verbessern.

Cheltenham 2016 war – wie in jedem Jahr – ein Kaleidoskop aus Jubel, Freude, Spannung, Trauer – kurz: allen Emotionen, die ein Sport nur hervorrufen kann. Sechszehn individuelle Trainer und eine Vielzahl unterschiedlichster Besitzer durften die Via Triumphalis in den ehrwürdigen Sieger-Zirkel zu Cheltenham antreten. Auch Colin Tizzard hatte mit seinem Thistlecrack dieses unvergleichliche Erlebnis (das Ergebnis der World Hurdle hatte noch in der Ausgabe der letzen Woche Platz gefunden)  und doch dürfte auch er sich als einer Verlierer der Meetings – und sogar des folgenden Wochenendes – gefühlt haben: sein Cue Card trat im Cheltenham Gold Cup ja nicht „nur“ zum Siegen an, sondern trug die zusätzliche Last eines Eine-Million-Pfund-Bonus (die auf Siege in der Betfair Chase, dem King George und dem Gold Cup ausgesetzt war)  auf seinen Schultern, sein Sturz am drittletzten Sprung war darum natürlich eine Million mal bitterer. Und auch am nächsten Tag – weiter ging es vor allem in Kempton und Uttoxeter – erlebte er erneut dunkle Minuten, als sein Schützling Golden Chieftain mit dem Sieg in der Hand am letzten Sprung des Midlands Grand National zu Fall kam (aber wie Cue Card glücklicherweise unverletzt blieb) Die Höhen und Tiefen des Sports ….  

Catrin Nack

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