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100 Stuten für Areion

Areion ist der meistbeschäftigste Stallion 2011 in Deutschland. Foto www.dequia.de - Silvia Göldner

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 159 vom Donnerstag, 07.04.2011

Unser Besuch ist sehr kurzfristig erst am Vorabend angekündigt worden und dann kommen wir noch eine Stunde zu spät, mitten in die Mittagspause hinein. Doch der Versuch still und heimlich zu warten, bis die Mitarbeiter im Gestüt Auenquelle wieder Zeit für uns haben, wird durch das Klingeln des Handys unterbrochen, wo wir denn seien, fragt Helge Ellerbracke am anderen Ende der Leitung, sie habe das Mittagessen für uns warmgestellt. Also landen wir dann doch mitten in der Mitarbeiterküche und werden auf herzlichste empfangen. Gestütsbesuche in Rödinghausen verlässt niemand hungrig, auch die eher unpassenden Gäste nicht. Es herrscht Hochbetrieb und gleich fünf Mitarbeiter fehlen an diesem Tag. Und an so einem Tag noch Pressebesuch. Dabei sorgte gleich die erste Frage für leichte Verwirrung. Wie viele Boxen denn gefüllt seien, lautet die. Wobei alle in der Runde – Karl-Dieter Ellerbracke ist noch unterwegs  – überlegen, wie viele Boxen es überhaupt in Auenquelle gibt. „Wir haben aus den bescheidenen Anfängen in der alten Dorfschule von Dono, mit der 1970 der Grundstein für unser heutiges Gestüt gelegt wurde, so viel gemacht und immer wieder angebaut, da kann ich das gar nicht genau sagen“, so Helge Ellerbracke, „so gut 120 werden es sein – und die sind alle gefüllt, viele sogar doppelt mit den Mutterstuten und ihren Fohlen.“

An die 40 sind schon in Auenquelle geboren, davon bereits 23 eigene. Dazu kommen die Gaststuten und „Walk-in“-Stuten, die nur zur Bedeckung bleiben, aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland. „Rund 140 Stuten werden in diesem Jahr bei uns in Auenquelle gedeckt,“ diese Hausnummer nennt uns dann der Chef selbst, „wir haben richtig viel zu tun“. Der Boom hat einen Namen: Areion. Ende 2010 machte Karl-Dieter Ellerbracke den Coup des Jahres auf dem heißumkämpften Stallion-Markt perfekt.  Der It-Hengst des Jahres deckt nach den Erfolgen mit Vanjura, Irini, Kali und Co., die ihm das heiß umkämpfte Championat brachten, ab dieser Saison in Auenquelle. Der Big Shuffle-Sohn war bekanntermaßen mit sehr kleinen Jahrgängen und großer Unterstützung seiner Besitzer, dem Gestüt Evershorst und Marlene Haller in die Stallion-Karriere gestartet und hat aus wenigen Chancen viel gemacht. Das letzte Jahr brachte den endgültigen Durchbruch. Da das bisherige Standortgestüt die zu erwartende große Nachfrage nicht hätte bewältigen können, kam es zum Wechsel Areions von Evershorst nach Auenquelle. Dabei wird die optimistische Erwartungshaltung derzeit auch in der Realität bestätigt: „Areion wird bei uns um die hundert Stuten decken“, bestätigt Karl-Dieter Ellerbracke. Das ist für deutsche Verhältnisse eine sehr außergewöhnliche Zahl, die nur Tiger Hill einmal übertreffen konnte. Karl-Dieter Ellerbracke sieht in Areion den legitimen Nachfolger seines Vaters Big Shuffle, der in Auenquelle Geschichte geschrieben hat. Ein Gedenkstein erinnert an den großartigen Stallion, der Ende 2009 im Alter von 25 Jahren eingegangen ist. Der Erfolg Auenquelles ist verknüpft mit seinem Erfolg. Nun sorgt sein Sohn für neuen Schwung.

Call me Big könnte zukünftig ein wenig mehr Arbeit bekommen. Foto www.dequia.de - Silvia GöldnerCall me Big könnte zukünftig ein wenig mehr Arbeit bekommen. Foto www.dequia.de - Silvia GöldnerDa auch Doyen in seinem dritten Jahr in Auenquelle noch ein solides Buch deckt und mit Call me Big noch ein ganz besonderer Kandidat auf der Koppel steht, sind die freien Wochenende für die 14 Mitarbeiter zurzeit selten. Auch die Nachtwachen hinterlassen Spuren. Doch bevor es wieder an die Arbeit geht, werden erst einmal neue Fotos von The Big in der Küche herumgereicht, die gerade in der Post waren. „Zusammen mit Turia ist das der erste Call me Big-Nachkomme auf der Rennbahn, der hier in Auenquelle großgeworden ist“, berichtet Karl-Dieter Ellerbracke, „mit dem hat eigentlich noch keiner gerechnet.“ Auch Auenquelles Mitbesitzer Peter-Michael Endres und seine Frau Helga nicht, die live beim ersten Rennbahn-Auftritt von The Big dabei waren. Als 108:10-Außenseiter debütierte er in einem gerade mal fünfköpfigen Feld beim ersten Grasbahn-Renntag der Saison in Krefeld. Ein noch ziemlich ungelenkes Riesenbaby, was einen nicht gerade unbekannten Herrn mit Hut in Führring zu dem Ausspruch verleitet: „Oh Gott, was ist das für ein Bulle!“ 1:31,53 Sekunden nach dem Start nahm er alles zurück. Und staunte, wie so viele andere über den überlegenen Sieg von mit fünf Längen, den Helge und Karl-Dieter Ellerbracke zuhause am Bildschirm miterlebten. „Selbst Trainer Uwe Ostmann hat vorher gesagt, dass mit The Big beim ersten Start noch nicht zu rechnen wäre.  Doch eingangs der Zielgerade ging der so gut, dass ich da schon zu meiner Frau gesagt, Du ich glaube wir gewinnen. Als The Big im Ziel war, haben wir erst mal gar nichts mehr gesagt, so baff waren wir.“

Wenn Karl-Dieter Ellerbracke solche Geschichten erzählt, merkt man schnell, welchen Spaß gerade mit solchen Erfolgen hat.“Den Deckplan, den ihr vor drei Wochen  in Turf-Times von uns veröffentlicht habt, ist deshalb jetzt schon nicht mehr aktuell.“, tut er kund, „denn jetzt schicke ich auch noch Auenglocke und Glady Sum zu Call me Big, vielleicht auch noch ein paar mehr, wenn Areion zu beschäftigt ist und wir die Rosse ausnutzen wollen.“ Big Shuffle-Söhne sind sie beide. Doch während der eine, der Auenqueller Neuzugang Areion, zum meistbeschäftigten Stallion dieser Saison avanciert, führte der andere, dessen erster Mini-Jahrgang 2006 zur Welt kam, ein Schattendasein. Denn der Big Shuffle-Sohn, der erst bei Rudi Storp stand und später an Rolf Reutershan verpachtet wurde, war bisher immer nur „mein Hobby“, so Karl-Dieter Ellerbracke. Jetzt dürfte auch „Kalle“, wie er wegen seines sehr phlegmatischen Gemüts, in Auenquelle heißt, ein wenig mehr zu tun bekommen.

Stallion Doyen im Frühjahr 2011 im Gestüt Auenquelle. www.dequia.de - Silvia GöldnerStallion Doyen im Frühjahr 2011 im Gestüt Auenquelle. www.dequia.de - Silvia GöldnerBeim Rundgang durch das Gestüt erleben wir dann drei sehr unterschiedliche Stallion. Der Pascha ist ohne Zweifel Areion, auf der Koppel mit dem besten Ausblick auf die zu beglückende Damenwelt auf der anderen Seite der Straße. Ganz cool, ganz entspannt, ein Pferd, das nichts aus der Ruhe bringen kann. Auch sein tänzelnder Nachbar auf der Koppel gegenüber nicht. Doyen, der unverhohlen um unsere Aufmerksamkeit buhlt. Als wir nah genug sind, schnappt er sich sogar meine Jacke und zieht mich zu sich rüber. Nicht etwa, weil er beißen will, sondern um meine Blick auf sich zu wenden. Und der dritte im Bunde, Call me Big, hat sich ganz nach unten auf seine Koppel verkrümelt, lässt sich die Sonne aufs Fell scheinen und scheint mit sich und er Welt im Reinen zu sein. „Der sieht aus, also ob er lesen und schreiben kann“, meint die Fotografin, und selten hat man einen passenderen Namen für ein Pferd gefunden als für diesen kapitalen Fuchshengst: Call me Big.

Die Arbeit und das Alltagsgeschäft im Gestüt lassen die aktuellen Diskussionen im Rennsport außen vor. Hier wird die Vollblutzucht gelebt. Die Passion der Mitarbeiter ist spürbar, als sie uns den Nachwuchs auf den Koppeln zeigen. Dabei kennt Mariana Götze, seit zwei Jahren in Auenquelle, jede Mutterstute beim Namen und die Fohlen mit all ihren Charaktereigenschaften auch. Der da sei ein wenig scheu und verstecke sich immer hinter der Mutter, dagegen sei  der dunkelbraune Hengst mit dem grünen Halfter ganz besonders frech. Und in der Tat, die Kamera der Fotografin, das Halfter seiner Mutter und der Gürtel meiner Jacke –nichts bleibt verschont. Er folgt uns auf Schritt und Tritt, mischt sich überall dazwischen, auch wenn wir die anderen Mütter mit ihrem Nachwuchs fotografieren wollen. Wer der Vater ist, fragen wir, und sind bei der Antwort nicht wirklich überrascht. Ein Doyen-Sohn! Den werden wir uns merken. Für 2013 auf der Rennbahn.  

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