Sehenswerte NDR-Doku: Hanseaten im Rennfieber

Züchter Hannes K. Gutschow und seine "Deerns" beim Derby : Ehefrau Gisela und die Töchtern Jana und Celestine. Foto: J. J. Clarke

In 58 Minuten – ohne Werbepausen! – können viele Geschichten erzählt werden. Dabei  nahm die NDR-Dokumentation, die am vergangenen Freitag auf N 3 lief, ihren Titel sehr ernst: „Hanseaten im Rennfieber – Auf dem Weg zum Deutschen Derby“.  Man konnte viele Hanseaten sehen, dabei waren die gar nicht so kühl, wie allgemeinhin angenommen. Ob das etwa Tränen seien, wurde Hannes K. Gutschow auf der Tribüne gefragt, wenige Sekunden, nachdem  „sein“ Earl of Tinsdal so sensationell Zweiter hinter seinem Stallgefährten Waldpark geworden war. „Nein, nein“, wehrt der Vollblutzüchter vom Gestüt Kerbella am Tinsdaler Heideweg  in Hamburg ab und dreht sich für einen Moment doch lieber weg. Nach 50 Jahren Vollblutzucht mit nur wenigen Mutterstuten so etwas. Derbyzweiter mit einem Pferd, das eigentlich auf der Auktion hätte verkauft werden sollen. Aber dort wollte ihn keiner haben, deshalb gründete die Gutschow -Tochter Jana gemeinsam mit ihrer Mutter Gisela und einer Freundin den Stall Sunrace Stables und ließ den Earl of Tinsdal in eigenen Farben laufen. Der wurde gefeiert wie ein Sieger. Und Jana Gutschow, die den eigens gefertigten Derby-Hut doch lieber zuhause gelassen und bei Hamburger Schietwetter mit sportlicher Baseball-Kappe erschienen war,  ließ ihren Gefühlen und den Glückstränen freien Lauf, „das ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens“, heißt es da. Und die Freude ist echt und authentisch, auch weil sie sich besonders für ihren Vater freut, der mit der Araberstute Kerbella in einer umgebauten Garage mit zwei Boxen als Züchter angefangen hat.  Dabei lebt diese Dokumentation von dem besonderen Glück schon im Vorfeld aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. Denn mit den wunderschönen Bilder von den Gestüten Kerbella und Ravensberg (schon bei Sonnenaufgang!), wo ja nicht nur Earl of Tinsdal, sondern  auch der Derbysieger Waldpark von Andreas Wöhler trainiert werden, hat man die Geschichte des IDEE 142. Deutschen Derbys erzählt.

Der andere Hanseat dieser Geschichte, Atti Darboven, Sponsor des Derbys, Vize-Präsident des Hamburger Renn-Clubs und Vollblutzüchter wie Gutschow repräsentiert auch die andere Seite des Galopp-Spektakels, das für gesellschaftlichen Glamour, Hut-Mode und das Derby-Diner steht.  Für Bodenhaftung zwischendurch sorgte immer wieder die gute Seele in der Jockey-Stube, Karl-Heinz Hoffmann, seit vielen Jahren Jockey-Diener, „da sehe und höre ich alles“ und die Randgeschichten rund um kleine und große Zocker um die Jockeys, die im Halbstundentakt den Dress und das Pferd wechseln, „da muss man schnell denken und schnell handeln“, hört man von Jockey Eduardo Pedroza, der eben noch gestürzt ist und im nächsten Rennen schon wieder auf dem Sieger sitzt und auch Earl of Tinsdal steuert.

„Jockeys sind eben keine Weicheier“, meint dazu Jockey-Diener Karl-Heinz Hoffmann und wischt den Matsch und Schlamm vom Rennsattel.  „Der edle Rennsport kann auch dreckige Schwerstarbeit sein, eine Schlechtwetterzulage ist da nicht vorgesehen“, kommentiert der Autor Jan Peter Gehrckens  das Geschehen. Wie dazu die Hut-Geschichten passen? Ganz einfach: Ob die Hutmacherin, der Jockey-Diener, der Wetter oder der Züchter: alle sind mit Leidenschaft dabei. Oder wie Atti Darboven  sagt:  „Auf diesem grünen Rasen sind wir alle gleich, unterm Rasen allerdings auch.“

Prädikat für diese NDR-Dokumentation: „Besonders sehenswert!“  - dank Fan-Hilfe ist das auch im Nachhinein noch via Internet möglich: Click here.

Nachtrag: Fünf Wochen nach dem 2. Platz im Deutschen Derby gewann Earl of Tinsdal unter Jockey Eduardo Pedroza am Sonntag in Köln den Rheinland-Pokal und holte sich damit seinen ersten Gr. I-Sieg.

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