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York 2015 - ein Finale der Außenseiter

Litigant (links) auf dem Weg zum Ebor-Start. www.galoppfoto.de - Jim Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 382 vom Donnerstag, 27.08.2015

Pferderennen sind kein Wunschkonzert - so oder ähnlich könnte man die beiden letzten Tage des Ebor-Meetings durchaus umschreiben. Denn es waren nicht die Favoriten, die in den Hauptrennen zum Zuge kamen, und der Traum vieler Wetter und einiger sehr zuversichtlicher Trainer zerplatzte auf dem grünen Rasen; was natürlich nicht heißt, dass die Zuschauer nicht Rennsport vom Feinsten und sehr hochklassige und vor allem verdiente Sieger sahen.

Nachdem schon Golden Horn in den Juddmonte International und Covert Love in den Yorkshire Oaks ihrer Favoritenrollen nicht gerecht werden konnten, sollte sich dieser Trend am Freitag vorsetzten. Weder der Lokalmatador Clever Cookie noch die eigens aus Amerika angereiste Acapulco konnten sich in die Siegerlisten ihrer Rennen eintragen - Clever Cookie war nach einem streng auf Warten gerittenen Rennen nie in der Verlegenheit, einen der vorderen Plätze zu erreichen („Es gab nicht wirklich eine Entschuldigung, so muss er geritten werden“, bekannte ein ob des vierten Platzes doch enttäuscht wirkender Peter Niven), der Lonsdale Cup (Gr.II, ca. 3300m)  für die Steher ging nach Irland, nachdem der aus der deutschen Stute Mascara (Monsun-Murnau) stammende Max Dynamite, trainiert vom Champion der irischen Hindernistrainer Willie Mullins, mit seinen Gegnern kurzen Prozess machte.

Einen Erfolg für eine nordenglische Trainingsstätte gab es dann aber in den Nunthorpe Stakes (Gr.I, 1000m), als die von Michael Dods für David Medcalfe trainierte vierjährige Stute Mecca´s Angel zum verdienten ersten Gruppe I - Treffer kam. So auch Dods, der vorher - genau wie sein Schützling -  "nur" Gruppe III-Siege im Lebenslauf stehen hatte, doch in York passte nun alles: pfeilschnelle 1000 Meter und vor allem kein fester Boden sind Grundvoraussetzungen für die Dark Angel -Tochter, die unter diesen Bedingungen bereits ihr achtes Rennen gewann und im Einlauf der heißen Favoritin Acapulco - erneut versucht sich eine zweijährige gegen ältere Sprinter, ein Sieg war zuletzt Kingsgate Native im Jahr 2007 gelungen - kein Chance ließ. Trotz der enormen Gewichtsvorteile konnte die wie ein Geschoß aus der Maschine gestartete Acapulco, die Scat Daddy-Tochter wird von Welsley Ward trainiert und steht seit Royal Ascot im Besitz von Coolmore, ihren Vorteil nicht über die Linie retten und hatte dem famosen Schlussakkord  von Mecca´s Angel nicht das geringste entgegen zusetzen. Jockey Paul Mulrennan - auch für ihn der erste Sieg in einem Gruppe I-Rennen - gab dem Fernsehsender Channel4 vom Sattel aus noch ein schnelles Interview, bevor er dann im Absattelring von seinen Emotionen überwältigt in Tränen ausbrach. Für Mecca´s Angel, nach Margot Did, Ortensia und Jwala die vierte siegreiche Stute in den letzten fünf Austragungen der Nunthorpe, soll es nun natürlich in Longchamp am Arc-Tag weitergehen; so gut wie jeder Buchmacher machte sie umgehend zum Favoriten des "Abbaye".

Und gleich im nächsten Rennen gewann eine Stute, deren Namen man sich merken sollte, auch wenn das Rennen, von dem wir sprechen, nur ein schnödes, doch immerhin mit sagenhaften 31.125 Pfund für den Sieger dotiertes, Maiden-Rennen war. Luca Cumani gewann nach White Lake im Vorjahr dieses Rennen nun mit der Galileo-Tochter Beautiful Morning, aber es ist nicht der Vater, der diese Stute zu etwas ganz Besonderem macht, sondern die Mutter, ist Beautiful Morning doch der Erstling aus der Date With Destiny, dem einzigen Nachkommen von "gorgeous" George Washington. „Wir waren nicht sicher, ob dieses Rennen ein wenig zu früh kommt, aber bei solch einer Dotierung muss man es einfach versuchen“, so Luca Cumani, der hinzufügte:  „Ich habe dem Besitzer gesagt, dass wir danach immer noch in ein normales 2500-Pfund-Maidenrennen zurückkehren können.“ Nun hat Beautiful Morning den ersten Schritt zur Amortisierung ihres 650.000gns-Preises getan, und ihr Name befindet sich selbstredend in den Wettmärkten weitaus größerer Rennen; sie sollte sicherlich noch weiter von sich reden machen.

Im Eingangsrennen am Schlusstag des Meetings klappte es endlich mit dem Sieg Nr.1 für David o´Meara, einem DER Aufsteiger der Trainerszene der letzen Jahre (ein ausführliches Portrait wird in einer der nächsten Ausgaben der Turf-Times erscheinen), als der nun fünfjährige Galileo-Sohn Mondialiste die Gr.III-Strensall Stakes gewinnen konnte. O´Meara, der rund 25km nördlich von York trainiert und unter der Woche das Kunststück fertig brachte, 8 (acht!) Starter in ein und demselben Handicap zu satteln (und nicht unter die ersten vier zu gelangen), hat den Hengst erst seit Jahresbeginn im Stall. Vorher in Frankreich bei Freddy Head im Training, hatte es dreijährig immerhin zum  dritten Platz im Prix Jean Prat und damit einer Gr1- Platzierung gelangt; nun zeigte o´Meara erneut, warum ihm mehr und mehr Besitzer ihre bei anderen Trainern stagnierenden Pferde ins Training geben.

In den Gimcrack Stakes (Gr.II), benannt nach dem eisenharten Rennpferd, welches übrigens nie ein Rennen in York gewann, hielt erneut die großartige Stallform vom William Haggas, der in den ersten Tagen mit fünf Startern vier Sieger gestellt hatte. Hier nun Sieg Nr. 5, und dies erneut auf Kosten eines heißen Favoriten, denn auch in den Gimcrack Stakes hatten sich Team Ward-Coolmore versucht und den bunten Hengst Finnegan an den Start gebracht, für den man sogar eigens Jockey Edgar Prado aus Amerika eingeflogen hatte. Leider reichte es trotz aller Anstrengungen des Jockeys nur für einen siebten und damit vorletzten Platz, „er packte nicht an“, so die ernüchternde Analyse von Prado; ja, so sah es aus. Haggas, selber aus Yorkshire stammend aber natürlich in Newmarket ansässig, qualifiziert sich damit nur halb als lokaler Sieger; seine Frau Maureen ist im Übrigen eine geborenen Piggott, deren Rolle im Team weit über die einer "normalen" Trainerfrau hinausgeht. (Manch ein Journalist witzelt gar, dass William ein fähiger Assistent seiner Frau ist, die aber auch das bessere Frühstück macht).

Und doch - all diese Gruppe-Rennen sind natürlich nur eine Art Vorspeise, schließlich heißt das Meeting "Ebor"-Meeting und nicht Gimcrack oder gar International Meeting. Und das Ebor-Handicap, gelaufen über 2816m und das höchstdotierte Handicap in Europa (der Sieger erhält stolze 171.187,50 Pfund), hielt erneut eine besondere Geschichte bereit, und reihte sich nahtlos in den Trend der nicht-siegenden Favoriten ein. Mit 340:10 war der Sieger Litigant zwar nicht der allergrößte Außenseiter, der je dieses Rennen gewonnen hatte (Mudawin zahlte im Jahr 2006 sagenhafte 1010:10) , aber doch nur wenige hatten dem talentierten Wallach mit den Glasbeinen, der aus einer Pause von 491 (!) Tagen kam, diesen vollen Erfolg zugetraut.

Wenige, bis natürlich auf Trainer Joseph Tuite, für den dies nicht nur der natürlich größte Erfolg seiner bisherigen Laufbahn war, sondern auch die Krönung eines Plans, den er gemeinsam mit George Baker (dem Jockey, nicht dem Trainer; der dann aber doch den Ritt im Rennen selber nicht annehmen konnte) im Mai dieses Jahres ausgeheckt hatte und dem fortan alles untergeordnet wurde. „Das Ebor war mehr als ein Plan, es wurde eine Obsession, hinter der alles zurückstand. Wir wussten früh, welch gutes Pferd wir im Stall hatten, wenn es uns denn nur gelingen würde, ihn gesund zu halten, er hat solch fragile Beine.“ Tatsächlich war dies der erst achte Lebensstart (und sechste Sieg) des Siebenjährigen, der zuletzt im April 2014 ein ungemein hochdotiertes Rennen auf der Sandbahn in Lingfield gewonnen hatte und seinen verschiedenen Besitzern (u.a. Scheich Mohammed, für den der Sinndar-Sohn seine Rennkarriere bei Andre Fabre begann) nun insgesamt über 319.000 Pfund eingaloppiert hat. „Er (Litigant) hat im Mai eine Arbeit gemacht, nach der George meinte, wir müssten das Ebor ansteuern“, so Tuite weiter, der sein kleines Lot von rund 20 Pferden in Lambourn trainiert, von denen beinahe die Hälfte, nämlich neun, in den Farben von Litigants Besitzer Tony Byrne laufen.

„Wir haben es auch mit Schwimmen versucht, aber das war eine Katastrophe und er wäre beinahe ertrunken. Jeden Tag gehst du in seinen Stall und hast beinahe Angst, seine Beine zu fühlen. Dies ist eine große Team-Arbeit, wir haben wirklich alles getan, was in unserer Macht stand und wussten in der letzten Woche, dass wir nichts mehr tun konnten, um ihn weiter zu verbessern. Wir haben gehofft, das gut genug dann auch am Tag gut genug sein würde." Und das war es. Unter Oisin Murphy, der sein großes Talent im Sattel erneut unter Beweis stellte (auch wenn er eine Peitschen-Strafe von vier Tagen erhielt), hielt sich der dunkelbraune Wallach immer in der Spitzengruppe des Feldes auf, um dann rund 200m vor dem Ziel resolut die Spitze zu übernehmen. Es sind Ergebnisse dieser Art - beinahe jeder große Trainer der Inseln war vertreten und doch gewann ein "Underdog" - die die Spannung und Dramatik, und ja - die Schönheit dieses Sports ausmachen.

Catrin Nack 

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