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Weld und Palmer - zwei klassische Sieger

Queen Elizabeth und Dermot Weld. www.galoppfoto.de - Petr Guth

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 421 vom Donnerstag, 09.06.2016

Vier bedeutende europäische Klassiker standen am vergangen Wochenende an: in England Oaks und Derby, in Frankreich der Prix du Jockey Club, das französische Derby, hierzulande wurden in Grafenberg die German 1000 Guineas ausgetragen.

Es war „Business as usual“ in den Oaks; von den letzten fünf Austragungen hat Aidan O´Brien nun drei gewonnen, jüngst mit der Galileo-Tochter Minding, die mehr Störungen als auf der A1 im Berufsverkehr überwand, um letztendlich sicher zu punkten.  Nach ihrem überzeugenden Sieg in den englischen Guineas hatte  Minding zuletzt eine Schock-Niederlage in der irischen Version hinnehmen müssen, dem Vernehmen nach hatte sie sich in der Startmaschine am Kopf verletzt. Diese Niederlage stelle sie nun postwendend und eindrucksvoll richtig, bemerkenswert am Ausgang des Rennens auch die gewaltigen Abstände, die das gesamte Feld im Ziel trennte – rund 61 Längen zwischen Erstem und Letzten erwartet man eher in Cheltenham im März denn in Epsom im Juni.

Das Epsom Derby wurde bereits zum 237. Mal ausgetragen, ein alter Klassiker also, der aber nach wie vor die Massen anzieht. Bis ins Jahr 1995 wurde das Derby übrigens immer an einem Mittwoch gelaufen, erst in jenem Jahr verlegte man die Veranstaltung, sehr zum Ärger vieler Puristen, auf den medienwirksameren Samstag. Während sich das fachlich versierte Publikum sich auf den Tribünen versammelt, gleicht der weitläufige und offene Innenraum einem Rummelplatz mit Karussells und Karnevalsbuden – in diesem Jahr gab es zahlreiche Verhaftungen nach Schlägereien jugendlicher Trunkenbolde. Legendär auch die Doppeldecker-Busse, die innen die Gerade säumen, und die zu einer besonderen Schwierigkeit der Bahn beitragen:  die Linienführung der Bahn führt unvermeidlich dazu, dass die Pferde nach links tendieren, allerdings laufen die Pferde dann in einen Tunnel des Lärms, eine weitere Schwierigkeit dieser sehr speziellen Bahn.

Es war der große italienische Züchter Frederico Tesio, der die Entwicklung des Vollbluts nur dem Zielpfosten von Epsom zuschrieb. Er notierte seinerzeit: „Der Vollblüter existiert, weil seine Selektion nicht auf Experten, Technikern oder Zoologen beruht, sondern auf einem Stück Holz – dem Zielpfosten des Epsom Derby.  Wenn man seine Kriterien an etwas anderem ausrichtet, erhält man etwas anders, nur keinen Vollblüter.“

Nicht jeder Sieger des Rennens hat sich danach auch als Beschäler hervor getan, von Hyperion über Sir Ivor, Nijinsky, Mill Reef, Roberto, Shirley Heights und natürlich den modernen Hengsten wie Galileo, High Chaparral oder eben Sea The Stars umfasst die Siegerliste prominente Namen, die aus den Pedigrees moderner Vollblüter nicht mehr wegzudenken sind.  Mit Harzand stellte der 10jährige Sea The Stars nach Taghrooda in den Oaks 2015 seinen ersten englischen Derby-Sieger  - Sea The Moon gewann natürlich 2014 das deutsche Äquivalent-  in den Farben des Aga Khan,  in dessen irischem Giltown Stud  der Cape Cross-Sohn 2010 seine Beschälertätigkeit aufnahm. Der Hengst befindet sich allerdings im Besitz der Familie Tsui, in dessen Farben sowohl Urban Sea als auch Sea the Stars ihre Rennkarriere bestritten. Nach Shergar, Sharastani, Khayasi und Sinndar war es der fünfte Derby-Sieger in den Farben des IV. Aga Khan, der selber in der dritten Generation die Vollblutzucht seiner Vorfahren betreut. „Ich habe mit 20 begonnen, und mache das nun seit 60 Jahren“ bekannte der 79jährige Karim Aga Khan am Rande des jüngsten Sieges. Langersehnt  und ein „First“ war der Sieg  allerdings sowohl für Trainer Dermot Weld, als auch für Jockey Pat Smullen.

Der Aga Khan, der nach einer kontroversen Doping-Entscheidung seiner Stute Alyisa  im Jahr 1989 vier Jahre überhaupt keine Starter in England hatte  und seitdem dort kein Pferd mehr im Training hat, verteilt seinen Rennstall auf fünf Trainer in Irland und Frankreich, seit 2013 gehört auch Weld dazu. Weld, der seit 1972 eine Trainerlizenz hält, ist seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Trainer der grünen Insel, mit fast 4000  Erfolgen in seinem Namen.  Der 1948 geborene Ex-Hindernisjockey (er war mehrfacher Amateur-Champion)  und  ausgebildete Tierarzt hat nicht nur unzählige Gruppe-Rennen auf der ganzen Welt gewonnen, er gilt als Pionier, einer, der Dinge tat, bevor andere Trainer überhaupt darüber nachgedacht hätten.

So ist er nach wie vor der einzige europäische Trainer, der ein amerikanisches Triple Crown Rennen gewinnen konnte (die 1990 Belmont Stakes mit Go and Go), und der erste Europäer, der ein Rennen in Hong Kong gewann. Er war auch der Erste, der es für eine praktikable Idee hielt, ein Pferd nach Australien zu fliegen, so gewann der legendäre Vintage Crop, dessen Statue noch heute den Curragh ziert, bereits im Jahr 1993 den Melbourne Cup. Weld ließ es sich nicht nehmen, persönlich ein Buch über das Abenteuer „Melbourne Cup“ zu schreiben, der schmale Band mit dem schlichten Titel „Vintage Crop“ ist heute durchaus als Rarität zu bezeichnen.

Darin beschreibt Weld eindrucksvoll seine enge Bindung zu diesem eisenharten Fuchs-Wallach,  vor allem seine Worte zu Vintage Crops zweitem Sieg im Irischen St. Leger sind mehr als bemerkenswert. Sinngemäß schrieb er: „Der Wallach kam in den Führring, und ich konnte spüren, wie seine Augen mich suchten. Wenn es möglich ist, dass Pferde Kontakt mit Menschen aufnehmen oder gar suchen, so war dies der Moment, der mich daran glauben ließ.“ Es würde zu weit führen, all seine großen Sieger aufzulisten, dies war sein 23. Klassischer Sieger in Europa.  Bemerkenswert auch, dass er nach wie vor auch Spaß dran hat, Pferde auf den großen Hindernis-Meetings der Inseln an den Start zu bringen, auch wenn seine Schützlinge sich zuletzt meistens in den Bumpern versuchten. Legendär seine Erfolge beim in Irland so beliebten Galway-Festival,  das er auch gerne für den einen oder anderen Wett-Coup nutzt. Buchmacher Paddy Power hat (erfolglos) versucht,  ein Rennen in das „Dermot Weld Rentenkassen-Rennen“ umzubenennen, man kann sich denken, warum. 

Die Partnerschaft mit Stalljockey Pat Smullen, der die Zügel von Mick Kinane übernahm und seit 1997 regelmäßig für Weld in den Sattel steigt,  ist geprägt von großem Vertrauen und tiefer Loyalität,  nicht einmal die Aussicht auf einen Job im Ballydoyle Quartier konnte daran etwas ändern. Fast alle großen Siege Smullens wurden für Weld erzieht, vier wichtige  allerdings  für einen gewissen Hugo Palmer,  dessen Name nun auch in der Siegerliste eines deutschen Klassikers steht. 

Während sich Welds Karriere auf dem Höhepunkt befindet und ein Ende  noch lange nicht in Sicht ist, so kann man sicher sagen, dass sich die Karriere des Hugo Palmer im Anfangsstadium befindet, mit steiler Tendenz nach oben. Der Sieg von Hawksmoor  in den German 1000 Guineas war ein weiterer Meilenstein seiner Laufbahn, die vor gerade einmal fünf Jahren begann. Seit 2011 mit einer Trainerlizenz ausgestattet, befindet sich Palmers Trainingsquartier in Newmarkets Kremlin Cottage (nicht zu verwechseln mit Roger Varians Kremlin House Stables ), einstmals ein Overflow  von Luca Cumani.  Zuvor hatte sich Palmer seine Sporen bei diversen Trainern verdient,  von denen die australische Star-Trainerin Gai Waterhouse einen Sonderplatz einnimmt, nicht nur, weil Palmer hier seine spätere Ehefrau kennenlernte. Acht Gruppe1-Sieger betreute Waterhouse zu der Zeit, in der Palmer in ihren Ställen sein Unwesen trieb, unbezahlbare Erfahrungen, wie Palmer selber immer wieder betont. Mit einer zunächst überschaubaren Anzahl von Schützlingen – es waren elf im ersten Jahr, 140 Namen umfasst die aktuelle Trainingsliste  – hat Palmer seine Siegzahl von sieben auf 32 in 2015 stetig gesteigert; im letzen Jahr gewann Covert Love den ersten Klassiker für den Stall in Form der Irischen Oaks, danach ließ die Stute mit dem Prix de l‘Opera ein weiteres Gruppe1-Rennen folgen, insgesamt war die Stute 2015 fünffache Siegerin. Galileo Gold hieß in diesem Jahr der erste englische klassische Sieger, der Paco Boy-Sohn war eindrucksvoller Sieger der 2000 Guineas.

Palmer,  dessen voller Name und Titel The Hon. Hugo Bailie Rohan Palmer lautet, verfügt selber über eine blaublütigere Abstammung als viele seiner vierbeinigen Schützlinge:  über seinen Vater Lord Palmer ist er Erbe eben dieses Titels, der Familie gehört mit „Huntley and Palmers“ ein Keks-Imperium, der Familiensitz Manderston House hat angeblich die einzigen mit Silber beschlagenen Treppen weltweit.

Es war Jockey Martin Dwyer, der mit viel Wortwitz erkannte: „Hugo und ich haben viel gemeinsam. Wir sind beide auf einem großen „Estate“ aufgewachsen.“ – im englischen steht das Wort sowohl für ein Anwesen/ Landgut als auch – in Form von Social Estate – für eine Sozialbau-Siedlung. Doch Palmer,  der sich natürlich mit allen Vorurteilen seiner privilegierten Herkunft konfrontierte sah, möchte anders wahrgenommen werden: „Es zählt  nicht, wo ich herkomme, sondern wo ich hinmöchte. Sicherlich habe ich Hilfe von meinem Vater erhalten, aber ich möchte glauben, dass ich mich alleine weiter entwickelt habe.“

Die Ergebnisse auf den Rennbahnen Europas zeigen deutlich, dass Palmer hier nicht untertreibt. Es läuft im Palmer-Stall, und wenn sich auch sein Schützling Architecture in den Epsom Oaks der erwähnten Minding beugen musste, so brachte auch diese hervorragende Platzierung viel Publicity. Nur Majoris aus seinem Quartier ist der bisher einzige Frankel-Nachkomme, der seinen Start nicht in einen Sieg umwandeln konnte;  im Moment jedoch der einzig wirklich dunkle Fleck im CV des jungen Trainers. 

 

Catrin Nack

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