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Untersuchungsbericht zum St. Moritz-Unfall

Autor: 

Pressemitteilung

TurfTimes: 

Ausgabe 465 vom Donnerstag, 27.04.2017

Der Untersuchungsbericht des unabhängigen Ingenieur- und  Planungsunternehmen AF Toscano AG zu dem schweren Unfall  am letzten Tag des Meetings in St. Moritz liegt jetzt vor. White Turf hatte diesen Bericht in Auftrag gegeben. Bei einem Sturz im ersten Rennen des Tages zog sich der englische Jockey George Baker schwere Kopfverletzungen zu, das von ihm gerittene Pferd musste eingeschläfert werden.

Der Bericht der AF Toscano AG im Detail: 

Rennunfall während dem 1. Rennen vom 3. Rennsonntag.

Die Pferderennbahn auf dem St. Moritzersee wurde am Sonntagmorgen durch die verantwortlichen Funktionäre des Schweizerischen Pferderennsportverbandes sowie Duri Casty, Pistenchef des Rennvereins St. Moritz, abgenommen und für sehr gut befunden. Dies wurde auch an der Rennleitungssitzung so kommuniziert. Die ersten beiden Rennsonntage, sowie die Rennen vom Night Turf, welche keine 48 Stunden vor dem letzten Rennsonntag stattfanden, wurden auf einer sehr guten und schnellen Unterlage ausgetragen. Auch während des täglichen Trainings auf der Bahn gab es keine Anzeichen von gefährlichen Stellen.

Das 1. Rennen wurde um 11.00 Uhr gestartet. Auf der Zielgerade, ca. 150m vor dem Ziel, stürzte ein Pferd und zwei darauf folgende Pferde kamen ebenfalls zu Boden. Das als letztes gestürzte Pferd musste mit einem Beinbruch noch vor Ort eingeschläfert werden. Der verletzte Jockey wurde mit dem Helikopter nach Chur ins Spital gebracht. Er zog sich Hirnblutungen zu, befindet sich jetzt aber wieder in England in Rehabilitation und erholt sich gut. Die beiden anderen Pferde, respektive ihre Jockeys, zogen sich keine Verletzungen zu.

Die Schneedicke auf dem Eis betrug zu dem Zeitpunkt im Bereich des Unfallplatzes 25 bis 30 cm. Die Eisstärke des kompakten Schwarzeises betrug zu dem Zeitpunkt in diesem Bereich zwischen 60 und 65 cm. Es wurde nach dem Unfall festgestellt, dass ca. 10 cm der Schneeschicht direkt über dem Schwarzeis durch Wasser aufgeweicht worden war und das Pferd mit seinem Huf die kompakte obere Schneeschicht durchgestanzt und anschließend gestürzt war. Bohrungen durch die Schneeschicht unmittelbar nach dem Unfall haben ergeben, dass auf einer Fläche von ca. 5.0 x 10.0 m eine durchnässte und somit weiche Schneeschicht vorhanden war. Es waren Risse in der Schneeschicht ersichtlich, aber an der Oberfläche war dieser durchnässte Bereich im Untergrund zwischen Eis- und Schneedecke nicht sichtbar, bzw. nicht erkennbar. Da zu diesem Zeitpunkt nicht genau klar war, ob es noch weitere solcher durchnässten Stellen gab, wurden aus Sicherheitsgründen sämtliche weitere Rennen an diesem Sonntag abgesagt.

Aufarbeitung

Am Montag, 27.02.2017 wurde im Umfallbereich der Schnee mit einer Pistenmaschine bis auf die Schwarzeisschicht weggeräumt. Es zeigte sich, dass durch einen Riss im Schwarzeis Seewasser an die Eisoberfläche strömen konnte.

Bei einem Tauchgang am Freitag, 03.03.2017 wurde durch den ehemaligen Polizeitaucher Urs Grigoli das Schwarzeis von unten kontrolliert. Er konnte dabei feststellen, dass das Schwarzeis sehr kompakt gefroren war. Gleichzeitig konnte er viele wieder zugefrorene Risse feststellen. Gemäß Urs Grigoli sind solche Risse in der Eisschicht etwas ganz Normales und alle von unten sichtbaren Risse waren wieder zugefroren. Im Bereich des Unfallplatzes konnte nichts Ungewöhnliches festgestellt werden, die auf dem Wasser liegende Eisschicht war durchgehend und eben.

In der ganzen Woche vor dem letzten Rennsonntag herrschten im Engadin hohe Temperaturen und auch in den Nächten sank die Temperatur nicht weit unter 0°C. Bei so konstant hohen Temperaturen dehnt sich das Eis aus. Eine solche Längenausdehnung, bezogen auf die Seebreite, kann bis zu 0.50 m betragen. Die Nächte vom Freitag auf Samstag sowie vom Samstag auf Sonntag waren hingegen recht kalt, mit Temperaturen um ca. -13°C. Am Rennsonntag stieg das Thermometer bereits um 11.00 Uhr auf über 0°C. Diese großen Temperaturunterschiede sind für das Eis eine große Belastung. Durch die kalten Temperaturen in den beiden Nächten vor dem Rennsonntag gab es große Spannungen in der Eisschicht. Diese Spannungen wurden durch viele Risse abgebaut. Diese Risse sind normalerweise kein Problem und gefrieren bei Temperaturen unter 0°C im Normalfall wieder. Vereinzelt kann es aber vorkommen, dass bei Rissen Wasser an die Eisoberfläche gelangt. Dies zum Beispiel bei großen Lasten auf dem Eis. Im Bereich der Rennbahn waren aber keine Lasten vorhanden. Die durchnässte Stelle konnte im Vorfeld weder erwartet und gesehen, bzw. festgestellt werden. 

Maßnahmen für zukünftige Pferderennen auf dem See

Am Montag nach dem Unfall wurden auf dem gefrorenen See erste Versuche mit einer Wärmebildkamera gemacht. Dabei konnte im Bereich der mit Wasser durchnässten Schicht ein Unterschied zu der kompakten und trockenen Schneeschicht festgestellt werden. Dies kommt daher, dass das heraufsteigende Wasser wärmer ist als die Schneeschicht. Für eine rasche Erfassung der Wassereintritte wird jedoch entscheidend sein, wie rasch und zuverlässig der Wärmeeintrag des Wassers in der Schneeschicht für eine Wärmebildkamera erkennbar wird. Dies muss noch mit weiteren Versuchen im Detail abgeklärt und getestet werden.

Das lokale Vermessungsbüro GEO GRISCHA AG führt bereits Vermessungsarbeiten mit einer Flugdrohne aus und hat bereits Versuche mit einer Wärmebildkamera und der Drohne bei Gebäuden gemacht. Für die Rennen im nächsten Winter ist nun geplant, die Installation und die Prozesse so vorzubereiten, dass jeweils am Morgen vor einem Rennen die Pferderennbahn mit dieser Drohne und der Wärmebildkamera abgeflogen wird und die Bilder anschließend sofort ausgewertet werden können. Aufgrund der Resultate sollen dann kritische Stellen mit der Bohrmaschine kontrolliert werden können. Sofern die weiteren Versuche mit dieser Methode positiv verlaufen, gehen wir davon aus, dass wir künftig besser in der Lage sein werden solche Stellen vor dem Rennen zu finden und entsprechend absperren können.

Eine weitere, eventuell sogar schnellere Möglichkeit Wasser auf dem Eis identifizieren zu können, besteht mit dem Radarmessgerät. Dieses Gerät wir auf einem Schlitten hinter einem Skidoo hergezogen und macht regelmäßige Messungen. Sobald Wasser zwischen dem Eis und der Schneeschicht vorhanden ist, bekommt das Gerät kein Signal und zeigt somit diese Stellen auf. Mit diesem Radargerät wird auch die Eisdicke gemessen. Auch hier benötigen wir weitere Versuche, um festzustellen ob diese Methode rasch und zuverlässig ist.

Im kommenden Winter müssen deshalb mit beiden Messmethoden Versuche durchgeführt werden, damit möglichst klare Aussagen gemacht werden können. Mit diesen beiden Kontrollmessungen hat man in Zukunft voraussichtlich mehr und bessere Möglichkeiten, vor den Rennen kritische Stellen festzustellen und gegebenen falls abzusperren. Wir gehen allerdings auch davon aus, dass kurzfristig auftretende Spannungsrisse und herauftretendes Wasser und somit Unfälle, nicht mit 100%-iger Sicherheit ausgeschlossen werden können. Ein gewisses Naturrisiko, ähnlich wie auf einer normalen Rennbahn, wird immer bestehen.

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