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Terence Hellier im Porträt: Zwischen Wahnsinnsgefühlen und unfreiwilliger Zwangspause

Noch mit kaputtem Fuß, aber guter Dinge: Terence Hellier beim Turf-Times - wenige Tage vor der Rückkehr in den Rennsattel. Foto: Karina Strübbe

Autor: 

Karina Strübbe

TurfTimes: 

Ausgabe 227 vom Donnerstag, 09.08.2012

„Das hat schon wehgetan, auf jeden Fall.“ Gemeint ist nicht der verletzte Fuß, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern vielmehr die Tatsache, beim Dallmayr-Preis zum Zusehen verurteilt gewesen zu sein. „Pastorius ist schon das ganze Jahr mein Lieblingspferd im Stall gewesen. Ich reite ihn schon seit er zwei ist. Und dann gewinnt man das Derby, dann passiert das Unglück mit meinem Fuß und dann muss ich zugucken, wie der überlegen mit acht Längen gewinnt.“ Trotzdem, der Derbysieg ist Terry Hellier nicht mehr zu nehmen, vielleicht ist das auch ein Grund, warum er, trotz des verpassten Sieges und der Verletzungspause sichtlich gut gelaunt zum Turf-Times-Interview erscheint. Allerdings ist nun auch – endlich – das Ende der Zwangspause erreicht. Am Mittwoch saß er im Kölner Auktionsrennen (10. Platz mit Good Friend) zum ersten Mal seit Hamburg wieder im Rennsattel. Bahn frei also für die Reunion mit "seinem" Pastorius in Baden-Baden.

Das Karriere-Highlight: Terence Hellier und Pastorius auf dem Weg zum Derbysieg. Foto: Sebastian HögerDas Karriere-Highlight: Terence Hellier und Pastorius auf dem Weg zum Derbysieg. Foto: Sebastian Höger

Der erste Gruppesieg für Terry Hellier 2012. Er gelang mit Survey im Schwarzgold-Rennen. Karina StrübbeDer erste Gruppesieg für Terry Hellier 2012. Er gelang mit Survey im Schwarzgold-Rennen. Karina StrübbeBis es soweit ist, genießt Terry Hellier seinen Derbysieg, den er sich alle paar Wochen noch einmal ansieht, denn damit gerechnet hatte er im Vorfeld nicht wirklich. Und auch die Theorie, dass der Jockey am besten weiß, wer vorn ist, griff im Derby nicht. „In diesem Rennen habe ich überhaupt nicht rübergeguckt. Ich war so in meinem Endkampf drin, da hatte ich keine Zeit zu gucken.“ In Anbetracht der knappen Abstände ist das wohl auch kein Wunder, aber umso schöner war dann der Richterspruch, "ein Wahnnsinnsgefühl", wie Terry Hellier sagt.

Terence Hellier und sein Derbysieger Pastorius: "Von dem war ich schon immer überzeugt!". www.galoppfoto.de - Sabine BroseTerence Hellier und sein Derbysieger Pastorius: "Von dem war ich schon immer überzeugt!". www.galoppfoto.de - Sabine BroseNatürlich gehört der Derbysieg zu seinen größten Erfolgen im Rennsattel und er ist gerade deswegen so bemerkenswert, weil er Terry Hellier nach über dreißig Jahren im Rennsport gelang. Auf die Frage nach seinen sonstigen größten Erfolgen kommt dann auch einer, der schon eine ganze Weile zurückliegt, 21 Jahre, um genau zu sein. Gemeint ist ebenfalls ein Außenseitererfolg und zwar der mit Martessa im Prix de l’Opera, damals noch Gruppe II, am Arc-Tag 1991. 674:10 zahlte damals der Toto in einer Zeit, in der deutsche Siege in ausländischen Gruppeprüfungen noch eher eine Ausnahmeerscheinung darstellten. Hinzu kommen 81 weitere Siege in Grupperennen.

Aber nicht nur Siege in großen Rennen zählen. Wie viele Siege es jetzt insgesamt sind, weiß Terry Hellier nicht so genau. „Da müsste ich meine Mutter fragen. Sie führt die Statistiken. Meine Mutter ist großer Fan, sie fährt auch immer mit mir auf die Rennbahn.“ Ein Blick in die Statistik verrät, es sind gut 1200 Siege. Darunter sind auch zahlreiche schöne Erlebnisse in kleineren Prüfungen. Dass es auch im Handicap-Bereich hocherfolgreiche Besitzer-Jockey-Kombinationen gibt, ist nur allzu oft vor allem in Baden-Baden offesichtlich, wenn blau-graue Farben vorn zu sehen sind. In diesem Jahr punkteten Isolo und Nokov mit Terry Hellier beim Frühjahrsmeeting. Hinter der so oft erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Stall Molenhof, verbirgt sich eine besondere Geschichte. „Wir sind gute Freunde, kennen uns seit 12 Jahren. Das ist eine ganz witzige Geschichte, er hat damals einen Reiter gesucht für sein Pferd, hat dann gesehen, dass wir der  gleiche Jahrgang sind und hat dann gesagt: „Das muss ein Guter sein“ und hat mich dann genommen.“

Erfolgreiche Kombination: Stall Molenhof und Terry Hellier - hier auf Nenzo in Hamburg. Karina StrübbeErfolgreiche Kombination: Stall Molenhof und Terry Hellier - hier auf Nenzo in Hamburg. Karina StrübbeDass Höhen und Tiefen oftmals nah beieinander liegen, weiß Terry Hellier nach dreißig Jahren Galopprennsport zur Genüge. Ende 2000 hängte er die Stiefel sogar ganz an den Nagel. „Ich hatte genug und wollte eine Auszeit. Eigentlich wollte ich aus dem Sport raus, zumindest als Jockey. Ich wusste aber auch nicht, was ich danach machen wollte. Nach einem Jahr Urlaub war ich dann in Dubai, habe für den Scheich gearbeitet und habe dann irgendwann gemerkt, dass ich wieder Lust aufs Reiten habe. Daraufhin bin ich zurückgekommen und habe direkt bei Andreas Schütz als erster Mann angefangen, weil Andrasch Starke noch gesperrt war.“ Das war im April 2002. Anlaufzeit benötigte er damals nicht sondern  dafür dann gleich wieder voll. Beim Comeback in Mülheim gelang ihm gleich ein Dreierpack. Wenn es nach Terry Hellier geht, ist in absehbarer Zeit auch noch nicht Schluss. „Solange das mit dem Gewicht klappt der Erfolg noch da ist, solange werde ich noch weitermachen.“ Also gilt es, die Daumen zu drücken, damit seine Mutter noch viele Siege in die Statistik aufnehmen kann.

 

Das Interview mit Terry Hellier

Erst einmal noch herzlichen Glückwunsch zum Derbysieg. Was bedeutet Ihnen dieser Sieg?

„Danke. Das war ein Wahnsinnsgefühl, obwohl ich es am Ziel erst nicht so genau wusste. Manfred Chapman sagte ja auch immer Novellist an und genau am Ziel hörte ich auf einmal Pastorius und da war ich mir nicht sicher, ob er es nur gedacht hat, oder schon wusste.“

Hätten Sie in Ihrem fortgeschrittenen Jockeyalter noch damit gerechnet?

„Eigentlich nicht. Das ist natürlich immer schwer einzuschätzen. Ich habe viele Außenseiter gehabt, Pastorius gehörte ja auch dazu. Ich hatte schon ein bisschen Meinung zu ihm. Es war die Frage, ob er die Steherdistanz schafft, aber von der Arbeitsleistung her hatte ich schon das Gefühl, dass er sie stehen könnte und so war es dann auch. Ich habe ihn deswegen auch sehr reserviert geritten, bei seinen ersten Starts waren die maximale Distanz 1700m. Ich hatte das Glück, dass Novellist vor mir ging, da konnte ich mich gut dranhängen.“

Ist Pastorius das beste Pferd, das Sie geritten haben?

„Eins davon. Lomitas wird das beste Pferd gewesen sein. Pastorius muss sich erst einmal beweisen. Jetzt hat er beim letzten Mal in München überlegen gewonnen, sah sehr gut aus. Ich habe auch richtig Meinung auf ihn gehabt, allein schon wegen des Bodens, auf weicher oder schwerer Bahn dürfte er noch einen Tick besser sein. Es war schon beeindruckend. Für den Moment zählt er sicher zu den besten Pferden, aber wir müssen sehen, wie er sich weiterentwickelt.“

Gucken Sie jetzt Rennen oder ärgern Sie sich zu sehr, weil Sie nicht mitmachen können?

„Ich gucke schon. Klar ärgert man sich, aber das sind Schicksale, die muss man hinnehmen. Ich verfolge den Sport weiterhin, gerade wenn unser Stall läuft und freue mich über jeden Sieg. Ich habe mich auch riesig über Pastorius gefreut und habe direkt den Trainer angerufen, für den ich mich auch sehr gefreut habe. Den Besitzer habe ich leider nicht ans Telefon bekommen. 

Was ist Ihr niedrigstes Reitgewicht und was müssen Sie dafür tun?

„56 Kilo, darunter reite ich nicht. Ich achte natürlich auf mein Gewicht, bin aber keiner, der läuft, um Gewicht zu machen. Ich schwitze meistens in der Badewanne. Das ist für mich angenehmer, dann nehme ich ein Buch mit und lese beim Schwitzen und dann achte ich auf meine Ernährung. Das ist das Hauptkriterium. Ich bin zum Glück kein großer Esser. Und dann sind da auch noch die Arbeiten. Das zusammen reicht auch.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Sieg erinnern?

„Ja, das war als Auszubildender 1982. Das Pferd hieß Steuben.“

Wer entstaubt denn die ganzen Trophäen?

„Das mache ich schon selber. Die meisten stehen allerdings im Keller. Bei den dreißig Jahren, die ich schon reite, wären das zu viele. Ein paar hat meine Mutter, einige verschenke ich an Freunde oder an meinen Bruder, aber die wichtigsten, zum Beispiel das Derby, sind im Wohnzimmer.“

Sie gelten als der Mann für die ganz besonderen Ritte, woher kommt das?

„Für die Big Points? Ja, stimmt. Ich habe unheimlich viel Glück gehabt, gute Ritte bekommen und eigentlich klappt das ganz gut. Viele denken natürlich auch, ich reite nur gut in wichtigen Rennen und in kleinen weniger gut. Einige Leute behaupten: „Der Terry hat im Ausgleich IV gar keine Lust.“ Aber das stimmt nicht, ich reite ein Grupperennen genauso wie einen Ausgleich IV. Das ist also nicht unbedingt positiv, wenn das behauptet wird. Aber ich gebe mir in kleinen Rennen genauso viel Mühe.“ 

Wie schnell kann man nach Misserfolgen abschalten? Nehmen Sie das mit nach Hause?

„Nicht mehr. Ich bin jetzt 30 Jahre dabei, kenne die Höhen und Tiefen, wie jetzt gerade mein Fuß. Ich hatte auch viel Glück, so viel ist nicht passiert. Natürlich gibt es mal gute, mal schlechte Tage, aber nach einer Stunde ist das wieder abgehakt und es geht weiter. In 30 Jahren habe ich natürlich auch einiges durch. Damals mit Lomitas, da wurde ich abgesetzt, oder Mondrian, wo ich vorm Derby runtergesetzt wurde. Da habe ich viel mit gemacht, das hat auch gewissermaßen abgehärtet.“

Welche sind Ihre besonderen reiterlichen Stärken?

„Schwer zu sagen. Ich gucke mir die Formen und Rennen vorher im Internet an. Das gibt wenigstens eine kleine Elle, wie das Pferd gern geritten wird. Ob das dann im Rennen aber so klappt, ist noch einmal eine andere Frage. Ich denke auch, ich habe einen guten Überblick im Rennen. Tempoeinschätzung kann ich ganz gut. Und im Rennen versucht man, hinter den besseren Pferden zu gehen, denn wenn einer zurückkommt, kann man den ja schlecht überspringen.“

Wie sind Sie an den Rennsport gekommen?

„Geboren bin ich in Deutschland, aufgewachsen in England. Mit vier oder fünf bin ich nach England und bin dann dort bei meinen Großeltern aufgewachsen und mitten in London gab es keine Pferde. Weil ich immer sehr klein war, mit 15 habe ich noch 34 Kilo gewogen, hat mein Vater mir vorgeschlagen, es als Jockey zu versuchen. Dadurch konnte ich mit 15 die Schule in England abbrechen und bin dann 1980 bei Heinz Jentzsch angefangen. Ich war dann auch Champion bei den Nachwuchsreitern – vor Peter Schiergen, der war damals Zweiter. Nach meiner Lehrzeit war ich ein Jahr in England, um meinen Stil zu verbessern und Erfahrung zu gewinnen. Das hat richtig was gebracht. Sechs Sieger habe ich dort geritten.“

Was für Pläne hatten Sie eigentlich, nachdem Sie zwischenzeitlich aufgehört hatten?

„Schwierig. Ich hatte vielleicht an Assistenztrainer oder Racing Manager gedacht. Das wäre so meine Richtung gewesen. Nur war zu dem Zeitpunkt wenig Nachfrage, vielleicht habe ich mich selbst auch zu wenig darum bemüht. Der Entschluss, aufzuhören, war eine ziemlich spontane Aktion. Vielleicht dachte ich, es ginge immer so weiter, dass eventuell jemand auf mich zukommt und mir was anbietet, aber so funktioniert das natürlich nicht. Aber gut, dann habe ich wieder angefangen und bin jetzt immer noch dabei.“

Welches Pferd hätten Sie gern einmal geritten?

„Solche Träume habe ich nicht, dass ich irgendein Pferd gern einmal geritten hätte, außer vielleicht jetzt Frankel. So ein Pferd mal zu reiten muss ein Wahnsinnsgefühl sein, so ein Gruppe I-Rennen zu gewinnen, wie er es andauernd macht. So spielerisch, nach mehr als ein Arbeitsgalopp sieht das beim ihm nie aus.“

Welche ist Ihre Lieblingsbahn und warum?

Köln. Köln mag ich, gehört auf jeden Fall zu meinen Favoriten. Aber sonst, alle Bahnen sind ganz okay. Düsseldorf reite ich auch ganz gerne, hat zwar seine Tücken mit dem Berg, aber wenn man gute Pferde reitet, passt eigentlich jede Bahn.“

Was, würden Sie sagen, hat sich in den letzten 30 Jahren im Sport am stärksten verändert?

„Momentan merkt man extrem, dass die guten Pferde alle verkauft werden. Das gab es früher nicht. Auf Dauer wird es dann schwierig, den Status der Grupperennen zu behalten. Wir haben dann ja keine Gruppepferde mehr, sondern vielleicht Listenpferde, die in Grupperennen laufen, weil die Spitzenpferde weg sind.  In letzter Zeit sind fast alle Guten weggegangen.  Irgendwann passiert uns dann vielleicht das gleiche – ich hoffe es nicht – wie in Italien, wo das Derby auf Gruppe II runtergestuft worden ist. Dann – das ist zwar keine Veränderung – aber die Rennpreise sind noch die gleichen wie vor dreißig Jahren, was sicherlich ein großes Manko ist. Da ist es natürlich schwer, neue Besitzer in den Rennsport zu vermitteln, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr stimmt.

Gibt es auch etwas Gutes?

„Nö. (lacht) Nein, ich finde nach wie vor alles noch gut. Einige Dinge haben sich geändert, aber das Rennreiten macht immer noch Spaß. Ich bin froh, dass Dr. Andreas Jacobs Baden-Baden übernommen hat, so dass es da auch weitergeht, das ist immerhin unsere schönste Bahn. Gleiches gilt für Hoppegarten, ebenfalls eine tolle Bahn, da bin ich auch sehr gerne.“

Was ist Ihr Lieblingsessen?

„Ich esse gern Italienisch. Aber ich mag auch Frikadellen oder Bratwurst mit Rotkohl, also ganz normale bürgerliche Küche.“

Was ist Ihr bevorzugtes Urlaubsziel?

„Gran Canaria. Da fahre ich schon seit über 25 Jahren hin. Ich fliege da im Winter praktische jedes Jahr für vier bis fünf Wochen hin.“

Haben Sie nicht pferdische Hobbys?

„Nein. Ich bin voll beschäftigt mit meinem Beruf.“

Haben Sie einen Aberglauben?

„Eigentlich nicht, ich gehe nur nicht unter einer Leiter her.“

Gibt es ein Rennen, das sie gern noch gewinnen würden? Das Derby ist ja jetzt abgehakt.

„Ja, also nach dem Derby kommt ja eigentlich immer der Arc, aber das wäre ja nicht möglich, denn eine Danedream gibt es ja nur alle dreißig Jahre.“

Haben Sie noch Ziele oder Wünsche?

„Nein, ich freue mich, dass es so gut läuft. Der Derbytag war natürlich riesig für mich, weil ich die zwei Auktionsrennen ja auch noch gewonnen habe. Wenn es weiter so läuft wie momentan und ich gesund bleibe, reicht das.“

Wem drücken Sie denn bei Olympia die Daumen, den Engländern oder den Deutschen?

„Beiden. Ich freue mich für die Engländer, gerade weil sie ja auch Gastgeber sind, aber bei den Deutschen genauso. Beim Fußball ist es die gleiche Geschichte. Ein bisschen schwierig ist das dann natürlich, wenn die gegeneinander spielen.“

  

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