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Skikjöring: Olympischer Demonstrationswettbewerb und Helden mit leeren Händen

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 506 vom Freitag, 23.02.2018

Wilde Fahrt: Skikjöring als Demonstrationswettbewerb bei den olympischen Winterspielen 1928 in St. Moritz. Foto: ArchivWilde Fahrt: Skikjöring als Demonstrationswettbewerb bei den olympischen Winterspielen 1928 in St. Moritz. Foto: ArchivSkikjöring ist eine Sportart, bei der Skifahrer von galoppierenden Rennpferden gezogen werden, und das eigentlich nur auf dem zugefrorenen St. Moritzer See. Dem Galopprennsport sind diese Rennen allenfalls eine kleine Fußnote wert. Am 12. Februar 1928 jedoch war das ganz anders, da stand diese Sportart einmal richtig im Rampenlicht. Mit Jallange und R. Wettstein wurden nämlich bei den 2. Olympischen Winterspielen in St. Moritz die Sieger im Skikjöring-Demonstrationswettbewerb gekürt. Die Sportart erwies sich jedoch als sehr unfallträchtig, weshalb die Sportler zum Start eine Unfallversicherung nachweisen mussten. Es blieb bei einem einmaligen olympischen Auftritt, doch beim Turf-Meeting in St. Moritz gehört der Wettbewerb auch 90 Jahre später noch zum Programm. Eine etwas folkloristische, aber durchaus traditionsreiche Veranstaltung, bei der nach einer kleinen Serie von drei Rennen an drei Renntagen am Ende der oder seit letztem Jahr auch die „KönigIn des Engadins“ gekrönt werden. Dabei erscheint auch die diesjährige Ausgabe als durchaus geeignet,  in die Geschichtsbücher des Sports einzugehen, was jedoch nicht geschehen wird, weil hier die Sportregeln anders geschrieben werden als bei Olympia.

Denn was beim Finaltag dem Team Perfect Swing, seines Zeichens ein siebenjähriges Galopprennpferd des Stalles Winterhude, trainert von Christian von der Recke, und Franco Moro als Skifahrer von besonderen Gnaden widerfahren ist, wäre in jedem anderen Sport der Stoff gewesen aus dem Helden gemacht werden. Nach zwei Läufen stand Perfect Swing punktgleich nach einem Sieg und einem  2. Platz mit den Titelverteidigerinnen Usbekia und Valeria Holinger, die im Jahr zuvor als erste Frau überhaupt, die Krone tragen durfte. Ein echter Finallauf stand also an, bei dem der der besser Platzierte der Gesamtsieger sein würde.

Das „Hitchcock-Finale“ begann turbulent, weil, wie schon bei Olympia 1928 dokumentiert: Die Sportart ist unfallträchtig. Zwei Pferde verloren schon beim Start ihre Fahrer und mischten das Feld auf, Leidtragende in der ersten Runde war auch Usbekia mit Valeria Holinger, die sich an die Spitze gesetzt hat, von einem losen Pferde jedoch ganz nach außen gedrängt wurde. Perfect Swing hatte sich dagegen am Start ganz versäumt, ging erst mit 15 Längen Abstand auf die Reise, schien von Beginn an geschlagen zu sein. Doch dann begann eine unglaubliche Aufholjagd. Der Wallach, der zwei Wochen zuvor seinen ersten Schneeauftritt als Zweiter beendet hatte und eine Woche später schon gezeigt hatte, dass sowohl der ungewohnte Untergrund als auch die lange Distanz von 2.700 Metern „sein Ding“ sind, kam immer besser in Schwung, überholte Gegner um Gegner, auch die stark nachlassende Usbekia und setzte sich an die Spitze. Führte eingangs des Schlussbogens mit zehn Längen, so dass es am Tagessieg und damit auch am Gesamterfolg kaum noch Zweifel gab.

Doch dann verfing sich Perfect Swing in den Leinen eines der beiden führerlosen Pferde, die noch auf der Bahn waren, und kam zu Fall. Franco Moro konnte sich auf den Skiern halten und ließ auch nie die Leinen los. Als Perfect Swing problemlos wieder auf die Beine kam, fuhr Franco Moro dem Feld nach. Für den Sieg kam das Duo zwar nicht mehr in Frage, endete jedoch hinter Fit For The Job (Silvio Martin Staub) als Vierter noch vor Usbekia und Valeria Holinger, wäre demnach also nach dem Punktgleichstand der beiden Teams vor dem Rennen in der Gesamtwertung vorne gewesen. Das hätte vielleicht für jede andere Sportart gegolten, jedoch nicht im Galopprennsport. Das Reglement, das erst vor einigen Jahren geändert wurde, sieht nämlich vor, dass ein gestürztes Pferd disqualifiziert werden muss. So standen die beiden Helden dieses Skikjöring-Wettbewebs am Ende mit leeren Händen da. Denn Usbekia und Valeria Holinger bekamen für ihren 5. Platz noch einen Punkt und gewannen damit zum zweiten Mal in Folge die Skikjöring Trophy und die Krone als „Königin des Engadins“. Perfect Swing präsentierte sich tapfer und munter im Absattelring, Franco Moro war der erste Gratulant der neuen Königin, alle Skikjöring-Fahrer sind übrings waschechte Amateure, und wurde von den Besitzern zum Derby-Meeting nach Hamburg eingeladen. Denn Helden sind Helden. 

Hier das Video zum Rennen: Klick!

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