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Showdown im Auktionsring

Tom Goff - Repräsentant der Maktoums am Donnerstag bei der BBAG-Jährlings-Auktion. www.galoppfoto.de

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 180 vom Freitag, 02.09.2011

Mal wieder führt der Zufall Regie. Da ist der richtige Mann, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Ein internationaler Gast auf einem eher kleinen Gestüt, eigentlich in einer ganz anderen Mission unterwegs, als ihm ein Pferd auf der Jährlingskoppel ins Auge fällt. „What a horse, sagte der auf einmal, ging in die Knie und schaute von unten durch den Koppelzaun“, berichtet der Gestütsleiter, „dann wollte er mehr von diesem Pferd wissen, seitdem habe ich jede Woche zwei Besucher aus dem Ausland hier.“ An dieser exponierten Stelle werden wir um des fairen Wettbewerbs willen keine Namen nennen.  Nur so viel hat der Deutschland-Besucher sicher nicht nur uns höchstpersönlich erzählt: Er habe auf seiner Deutschland-Reise durch die Gestüte drei herausragende Pferde gesehen, die auf der BBAG-Jährlings-Auktion angeboten werden. Da die Buschtrommeln im Galopprennsport im Allgemeinen und in der Vollblutzucht im Besonderen gut funktionieren, wird die Auktionshalle bei den drei gemeinten Lots mit Sicherheit bis auf den letzten Platz gefüllt sein.

Die Jährlings-Auktion der Baden-Badener Auktionsgesellschaft (BBAG) ist der Marktplatz, hier schlägt das Herz der deutschen Vollblutzucht, hier wird letztendlich die Zukunft entschieden. Nicht nur die der Pferde. Für Außenseiter könnte das angesichts eines sich immer wiederholenden Rituals schnell langweilig werden. Denn die Szenerie sieht jedes Mal gleich aus:  Pferd kommt in den Ring, Auktionator wirbt mit den „Headlines“, feilscht um den Einstiegspreis, dann kommen im besten Fall mehrere Bieter ins Spiel und am Ende heißt es „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“, der Hammer fällt. Neuer Auftritt, neues Pferd, gleiche Inszenierung. Das Ganze 250mal hintereinander. Und doch immer wieder eine Geschichte voller Spannung, Hoffnungen, Erwartungen, mal großer Freude aber auch bitterer Enttäuschung. Kurz: Adrenalin pur. Denn hinter jedem einzelnen Lot steht ein Züchter, ein Anbieter für den in diesen zwei, vielleicht drei Minuten, in denen sein Pferd im Auktionsring ist, viel auf dem Spiel steht. Manchmal sogar die ganze Existenz.  Denn der Kaufpreis eines Pferdes entscheidet gerade bei kleinen Züchtern nicht nur darüber, wie es weitergeht, sondern manchmal auch: ob überhaupt.

Die Situation in Deutschland ist diesbezüglich nicht einfach.  Wenn uns ganz aktuell  eine Mail erreicht in der es lakonisch heißt: „Ist halt schwierig für kleine unbekannte Züchter......da kann einem schon die Lust vergehen.“, dann sind das sehr ernst zu nehmende Signale. Der Absender dieser Zeilen wird in diesem Jahr nicht bei der Auktion vertreten sein. Auf sein Angebot anno 2010 kam kein einziges Gebot, obwohl das Pferd einen hervorragenden Eindruck machte.  Jetzt lässt er es in eigenen Farben laufen.  Man würde ihm die Wiederholung der Geschichte eines Earl of Tinsdals wünschen, der gleichfalls vor zwei Jahren unverkauft aus dem Ring ging, damals war der Züchter Hannes K. Gutschow enttäuscht, zwei Jahre später ist er umso glücklicher:  Seitdem stehen ein Gr. I-Sieg im Rheinland-Pokal und der 2. Platz im Deutschen Derby in Earls of Tinsdals Bilanz. Der läuft für eine Besitzergemeinschaft "meiner Deerns", wie der Hamburger gerne erzählt: die Ehefrau des Züchters, seine Tochter und eine Freundin haben sich den schönen Stallnamen Sunrace Stables einfallen lassen, unter dem der Earl läuft.

Das sind sie, die Geschichte der erfüllten Hoffnungen und Träume, die den Galopprennsport am Leben erhalten.  Die Träumerei beginnt in vielen Konstellationen. Dann nämlich,  wenn entschieden wird: zu welchem Hengst geht meine Stute? Mal geschieht das in großen Runden an schweren Eichentischen oder in einsamen Entscheidungen bei einem Glas Rotwein. Manchmal entscheidet das Bauchgefühl oder der Pragmatismus: Wir nehmen den Deckhengst, der uns nichts kostet, weil es der eigene ist oder weil wir einen Freisprung gewonnen haben. Immer wieder gerne erzählt – obwohl schon viele Jahre her - wird auch die Geschichte von der spontanen Entscheidung für die andere Autobahnabfahrt – mit der Stute im Hänger ging es statt wie geplant in den Westen doch in den Osten. Diese spontane Eingebung beschwerte dem Gestüt eine der erfolgreichen Stamm-Mütter in der Geschichte der deutschen Vollblutzucht.

Die Vollblutzucht funktioniert wie eine Börse. Man kann mit teuren, bewährten Deckhengsten „handeln“ und auf die sicheren Aktien setzen oder mit jungen, günstigeren Hengsten spekulieren. Das Risikogeschäft kann sich bezahlt machen, man muss eben aus dicken Deckhengstkatalogen von Weatherbys, der mit Acclamation beginnt und mit Zenno Rob Roy aufhört und dazwischen 300 andere offeriert, den richtigen herausfinden. Hinterher sind immer alle schlauer … Der deutsche Deckhengst-Markt ist da überschaubarer, aber für jede Stute hat man pro Jahr eben auch nur eine Chance. Kommt das Fohlen dann gesund auf die Welt und wächst zu einem  Jährling heran, der auf der Auktion präsentiert wird, dann hat bis dahin schon ein natürliche Auslese stattgefunden.  Die Arbeit der Züchter kann an dieser Stelle nicht entsprechend gewürdigt werden. Hier geht es nur um das Ergebnis: Den Jährling, der auf der Auktion präsentiert wird.  „Da geht es nicht nur um das Geld“,  erzählt eine Züchterin, „aber wenn dann das Produkt auf Wunsch eines Interessenten aus der Box geholt wird und der schaut gar nicht richtig hin oder bemängelt dann irgendeine Sache, die ich ganz anders sehe, dann tut das richtig weh.“

Denn Vollblutzucht ohne Herzblut geht auch nicht.  Viele Faktoren entscheiden am Ende für den ersten Erfolg eines Jährlings: Den Verkaufspreis! Die wichtigsten Faktoren sind die Abstammung, das Exterieur, die Aufzuchtstätte, das Marketing, die Präsentation, die persönlichen Beziehung und auch das, was über das Pferd und rund um das Pferd herum erzählt wird. Die kleinen Züchter haben da oft das Nachsehen, aber gerade in diesem Jahr sind zwei Gestüte mit nur wenigen Mutterstuten, wenn auch mit langer Tradition, hocherfolgreich. Da finden sich in der aktuellen Züchterstatistik nach dem Gestüt Schlenderhan auf dem 2. Rang der bereits benannte Hannes K. Gutschow vor dem Gestüt Ravensberg, dessen Derbysieger Waldpark mit einem einzigen Spielgefährten, der im Übrigen nie die Rennbahn gesehen hat, auf der Koppel stand;  so steht das sicher nicht im Lehrbuch der erfolgreichen Vollblutzucht, funktioniert aber trotzdem.  

Neben Earl of Tinsdal ist Danedream die zweite aktuelle Gr. I-Siegerin, die durch den BBAG-Auktionsring gegangen ist. Sie wechselte bei der Frühjahrs-Auktion im vergangenen Jahr zum Schnäppchen-Preis von nur 9.000 Euro den Besitzer, ist nach ihren Siegen im Großen Preis von Berlin, Gr. I, und den Oaks D’Italia das Aushängeschild der Auktion. Die Verkäufer sehen das sportlich: „Wir freuen uns, dass eines unserer Pferde so erfolgreich ist, schließlich sind wir ein Verkaufsgestüt“, betont Gregor Baum vom Gestüt Brümmerhof, „wichtig ist, dass sie in Deutschland geblieben ist.“

Das Angebot der Jährlings-Auktion ist bekannt. Die meisten Besucher kennen den Inhalt des Kataloges sicher besser als den der Bibel. Seit Tagen herrscht im Boxendorf Hochbetrieb. Alles, was im deutschen Rennsport Rang und Namen hat ist da, auch aus dem Ausland sind die namhaften Repräsentanten angereist. Das Volk der Agenten und Auktionatoren, der Berater und  Besitzer, der Verkäufer und Veranstalter wartet nun auf den großen Showdown am Freitagmorgen um 10 Uhr. Dann findet wieder das Schauspiel in 250 Akten statt. Dabei wird der Auftritt einer Gruppe mit besonderer Spannung erwartet: die der Käufer! Welche Rolle die bei dieser Auktion spielen, ist die entscheidende Frage.

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