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Paul Hanagan - endlich auch ein klassischer Jockey

Wootton Bassett, der erste ganz große Sieger von Paul Hanagan. Foto: J.J. Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 327 vom Donnerstag, 31.07.2014

Die King George VI and Queen Elizabeth Diamond Stakes sind eines der bedeutendsten Rennen des englischen Kalenders; 1951 als Zusammenschluss zweier Prüfungen in Ascot aus der Taufe gehoben, ist das Rennen das erste Zusammentreffen des klassische 3jährigen-Jahrgangs mit den älteren Pferden über die Derby-Distanz; im Moment ist sie zudem nach dem Epsom-Derby die zweit-wertvollste Prüfung auf der Insel. Das Derby hatte bei Gründung des Rennens großen Einfluss, es sollte gerade eine Prüfung werden, die den amtierenden Derby-Sieger mit den besten älteren Pferde auf eben der 2400m-Distanz zusammenführen würde. 2014 fehlte der aktuelle englische Derby-Sieger zwar leider erneut im Starter-Feld (tatsächlich war Galileo in 2001 der letzte Hengst, der das Epsom Derby und die King George in der selben Saison gewann), aber die klassische Generation war durchaus vertreten, und mit Taghrooda gab sich die amtierende Oaks Siegerin die Ehre. Ihr beeindruckender Sieg stellte sie auf eine Stufe mit zwei ganz herausragenden Stuten in der Siegerliste des Rennens, namentlich mit der großen Dahlia, die dieses Rennen ebenso wie Pawneese 3jährig gewinnen konnte; aber nur die letztgenannte  hatte im gleichen Jahr – 1976 - auch die Epsom Oaks gewonnen. Überhaupt gewannen bis 2014 nur sechs Stuten (Aunt Edith, Park Top, Dahlia, Pawneese, Time Charter und natürlich Danedream) die King George: Dahlia war 1973/74 eine von nur zwei Doppelsiegern dieser Prüfung (Swain 1997/98 der andere). Der leichte Sieg einer Stute war damit per se etwas ganz Besonders, es war aber auch ein weiterer Höhepunkt für den Jockey der Stute, der die Saison 2014 so schnell nicht vergessen wird, bisher ist das Jahr wahrlich sein Annus mirabilis.

Paul Hanagan wurde am 8. September 1980 in Warrington (Cheshire) geboren, seine Familie hatte keinerlei rennsportliche Verbindungen. Hanagans Vater Geoff träumte davon, Jockey zu werden, jedoch reichte es nur zu einem Job bei einem kleinen Trainer, und auch dort nur in dessen Ingenieur-Betrieb, da Terry Caldwell vom Trainieren allein kaum leben konnte. Hier kam Paul dann mit rund elf Jahren zu seinem ersten Kontakt mit den Vollblütern: "Mein Vater ging jedes Wochenende zu Terry, um für ihn auszureiten, irgendwann bin ich einfach mitgekommen. Ich lebe den Traum meines Vaters," erkannte Hanagan einmal in einem Interview.

Langjähriges Erfolgsteam: Richard Fahey und Paul Hanagan. Foto: J.J. ClarkLangjähriges Erfolgsteam: Richard Fahey und Paul Hanagan. Foto: J.J. ClarkCaldwell, der 2013 verstarb, sagte seinerzeit allerdings über Hanagan:" Ich kann nicht sagen, dass ich in ihm einen zukünftigen Champion gesehen habe, er war ziemlich nutzlos, als er für mich ausritt." Nicht so nutzlos immerhin, als dass er Hanagan nicht eine Anstellung bei Malcom Jefferson verschaffte, für den er 1998 auch seinen ersten Ritt in einem regulären Rennen hatte, vier Tage vor seinem 18. Geburtstag. Hanagan, der gerne Fußball-Spieler geworden wäre, aber schon beim Probetraining durchfiel, da er zu klein und zu leicht war, besuchte mehrere Kurse bei der British Horseracing School, und wechselte 1999 zum Stall von Richard Fahey, der im Gegensatz zu Jefferson natürlich ein Flachrenn-Trainer war; hier lag die Zukunft für den kleinen und leichten Paul Hanagan. Der Rest ist Geschichte, Hanagan und Fahey schrieben diese ganz einfach selber.

Fahey, inzwischen nach Mark Johnston mit rund 200 Pferden im Training einer der Top-Trainer in Nord-England, erkannte schnell das Talent seines neuen Schützlings, und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, 2002 wurde Hanagan Champion der Nachwuchs-Jockeys, und Richard Fahey bemerkte: "Wenn dieser Junge nicht irgendwann Champion Jockey wird, gebe ich meinen Job auf." Gemeinsam eilten Fahey und Hanagan von Erfolg zu Erfolg, 2004 ritt Hanagan erstmals 100 Sieger in einer Saison, auch wenn es zuerst wohl eher Masse als Klasse war, die Hanagan zum Erfolg steuerte. Fahey mochte ein aufstrebender Trainer sein, dessen Stall sich immer weiter füllte, doch es waren die Rennbahnen in Hamilton, Ayr, Doncaster und York, auf denen man das Team weitaus eher traf als in Newmarket, Ascot und Sandown.

Das erste wirklich gute Pferd der beiden war 2008 Utmost Respect, der so talentierte und unglückliche Sprinter, der nach einer kurzen Krankheit verstarb, ehe er sein volles Können hatte zeigen können; immerhin drei Gruppe-Rennen gewannen die beiden gemeinsam. Bevor Hanagan eben mit Taghrooda 2014 seine erste klassische Siegerin ritt, hatte er - bei seiner Herkunft passend - bereits zweimal die Lancashire Oaks (Gr. II) gewonnen, 2008 mit der eisenharten Anna Pavlova für Richard Fahey, 2009 mit Barshiba für David Elsworth. In der Saison 2010 schaltete Paul Hanagan dann einen Gang höher, und schickte sich an, nach Elijah Wheatley (1905) und Kevin Darley (2000) erst der dritte in Nord-England ansässige Champion-Jockey der Insel zu werden. Am ersten Tag der Saison ritt Hanagan vier Sieger, danach führte er das ganze Jahr über und errang den Titel schließlich mit 191 Siegen von über 1000 Ritten, dabei besiegte er Richard Hughes.

Im folgenden Jahr schrieb Hanagan dann Geschichte, er wurde der erste nordenglische Jockey, der seinen Titel erfolgreich verteidigte, wobei er Silvestre de Sousa mit nur vier Siegen Vorsprung schlug. Hanagan rieb sich hier auf, ritt in den letzten Monaten beinahe jeden Tag auf mehreren Rennplätzen in den Sattel, er nahm jeden Ritt an, der auch nur ansatzweise eine Siegchance versprach. Schon früh hatte Hanagan zudem verkündet, dass sein gesamtes Sieggeld der letzen Monate für den Bau des Jack-Berry-Hauses in Malton gespendet würde, dem nordenglischen Gegenstück zum Oaksey House, dem Rehabilitation Center für Jockeys in Lambourn. Nach beiden Championaten dankte Hanagan zuerst und vor allem Richard Fahey, für den er zu dem Zeitpunkt seit 16 Jahren ritt, sicherlich eine der längsten und engsten Verbindungen in englischen Rennsport (zumal Hanagans Frau Anna als Sekretärin bei Fahey arbeitete. "Für die Vermittlung der Ehe müsste ich doch eigentlich eine Prämie bekommen" scherzte Fahey mehrfach). 2010 erritt Hanagan dann endlich den so ersehnten ersten Gruppe I-Sieger, natürlich für  Fahey's  Musley Bank Stables, als beide mit Wootton Bassett den Prix Jean-Luc Lagadere auf der Rennbahn von Longchamp gewannen.

2012, schon nachdem Hanagan so überraschend den Job als Stalljockey für Scheich Hamdan angenommen hatte, kam der ersehnte erste englische Gruppe I-Sieger ebenfalls für Richard Fahey, mit Mayson im July Cup.  "Es war eine der schwersten Entscheidungen meines Lebens, und ein Anruf, vor dem ich solche  Angst hatte" bekannte Hanagan 2012, "aber natürlich hat Richard sofort erkannt, dass ich mir eine solche Chance niemals entgehen lassen konnte." Eine solche Chance, natürlich der Job für Scheich Hamdan, kam seinerzeit auch für Fachleute überraschend; Richard Hills hatte für die Öffentlichkeit ziemlich unvermutet seine Stiefel an den berühmten Nagel gehängt. Und es bedeutete einen Kulturschock für Hanagan: "16 Jahre bin ich für Richard (Fahey) geritten, kenne auf den Galopps jeden Sandkorn. All die verschiedenen Trainer und Pferde hier in Newmarket und Umgebung kennenzulernen, ist neu und aufregend, aber auch sehr anstrengend." Der südenglische Trainerreigen war zum keineswegs begeistert vom Zugereisten, lieber hätte man einen der "Ihren" in diesem Job gesehen, und Hanagan musste sich das Vertrauen der Trainer - und auch ein Zutrauen in seine Fähigkeiten - sehr hart erarbeiten. Von vornherein war es Bestandteil seines Vertrages, dass er weiterhin für Richard Fahey in den Sattel steigen durfte, und in den ersten Monaten des Jahres 2012 gewann Hanagan gefühlt mehr Rennen für seinen alten Mentor als für seinen neuen Boss. Scheich Hamdan, der ältere Bruder von "Godolphin" Scheich Mohammed, hatte schon immer einen von seinem Bruder strikt getrennten Rennstall  und auch unter dem Shadwell-Label laufende eigene Gestüte, ließ und lässt bei verschiedenen Trainern trainieren, beschäftigt dafür aber seit Jahrzehnten einen eigenen Jockey, darunter so klangvolle Namen wie Willie Carson und eben Richard Hills.

Unzählige vierbeinige Champions trugen die blaue Seide mit weißen Schultern, und doch war Taghrooda's Oaks-Sieg in Juni diesen Jahres der erste Gruppe 1-Sieger seit fünf Jahren für diese so berühmten Farben; auch die besten Ställe gehen manchmal durch ein Formtief. Immerhin hatte man schon in 2013 einige "kleinere" Gruppe-Rennen gewonnen, mit Mukhadram wäre man wohl schon 2013 in den Eclipse Stakes zumindest Zweiter geworden. "Alles kommt zu dem, der warten kann" weiß ein bekanntes Sprichwort, und es alles kam zu Paul Hanagan in 2014: die erste klassische Siegerin, mit den Eclipse Stakes  und nun dem King George zwei der prestigereichsten Gruppe 1 Rennen im englischen Rennkalender, und das Jahr ist ja noch nicht vorbei. In seiner bescheidenen Art dankt Hanagan immer dem Team, und auch seinen Pferden, aber nun, da er mit noch mehr Zutrauen und Zuversicht reitet, erkennen auch die südenglischen Trainer sein Talent endlich an, Taghroodas Trainer John Gosden hob mehrfach die guten Ritten Hanagans speziell hervor. Auch wenn das Auf und Ab des Jockey-Lebens direkt am ersten Tag des Goodwood-Meetings zuschlug, und Hanagan sich beim Sturz von White Nile eine Knochenfissur des linken Unterarms zuzog (er plant, ab Mitte August wieder in den Sattel zu steigen): You can´t keep a good man down for long, and the best is yet to come!


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