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Neue Deckhengste in Deutschland - Protectionist

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 449 vom Donnerstag, 22.12.2016

Wer sich selbst nur am Rande mit dem Boxsport beschäftig, der kennt den Begriff „They never come back“. Damit waren ehemalige Schwergewichtsweltmeister gemeint, die, wenn sie einmal den Titel verloren hatten, niemals zurückkehrten. Dieses Gesetz galt allerdings nur bis 1960, bis Floyd Patterson sich seinen zuvor verlorenen Titel zurückholte.

Ein „Comeback“, das schien auch für Protectionist unmöglich, ja gar nicht vorgesehen zu sein, als er im Spätsommer 2014 nach Australien geflogen wurde, sich dort in die Geschichtsbücher eintrug, als er sich als erstes deutsches Pferd überhaupt den Melbourne Cup (Gr. I) holte. Doch nach einer sich anschließenden desaströsten Australien-Kampagne 2015 kam er tatsächlich wieder zurück, bezog seine angestammte Box bei Trainer Andreas Wöhler in Spexard. Und er gewann in diesem Jahr noch drei Rennen, war besser drauf denn je, mit sechs Jahren der vielleicht beste Protectionist überhaupt.

Dass er sich dann ausgerechnet bei dem Sieg in Hoppegarten, bei einer herausragenden Vorstellung, eine Zerrung im Beckenbereich zuzog, passte fast schon ins Bild. Denn seine Karriere war geprägt von einem Auf und Ab, es gab Höhen, aber auch viele Tiefen. Seine letzte Verletzung verhinderte einen angepeilten Start im Prix de l’Arc de Triomphe (Gr. I), dort hätte man an ihn schon gerne am Start gesehen. Stattdessen kam es noch zu einem eher unglücklichen Auftritt in Kanada, der ist zu streichen.

Zweijährig hatte Protectionist mit einem Sieg in Hannover begonnen, Zweiter war er dann noch, nur eine Nase von Flamingo Star (Areion) geschlagen, im Herzog von Ratibor-Rennen (Gr. III). Die Dreijährigen-Kampagne ließ sich mit einem dritten Platz im Iffezheimer Derby-Trial (LR) ordentlich an und nach dem Sieg im swb Derby-Trial (Gr. III) in Bremen hatte man einen ernsthaften Derby-Kandidaten im Stall.

Doch bei einer der finalen Arbeiten für das Derby zog sich Protectionist einen Griffelbeinbruch zu. Hamburg fand ohne ihn statt, Lucky Speed (Silvano) war der Sieger in einem im Nachhinein eher unterdurchschnittlich besetzten Derby, das von der Klasse her beste Pferd im Rennen war Ivanhowe (Soldier Hollow), der aber einen schwarzen Tag erwischte.

Protectionist kam erst im Frühjahr 2014 wieder an den Start. Nach zweiten Plätzen in Berlin-Hoppegarten und Baden-Baden gewann er den Großen Hansa-Preis (Gr. II) in Hamburg. Er wurde dann Richtung Melbourne Cup vorbereitet, den finalen Test absolvierte er im Prix Kergorlay (Gr. III) in Deauville, den er gegen drei Gegner gewinnen konnte. Das war auch sein letzter Start in den Farben seines Züchters Dr. Christoph Berglar. Dieser hatte die Hälfte des Pferdes an Australian Bloodstock verkauft, seine nächsten beiden Starts absolvierte er für die neue Partnerschaft. Er wurde Vierter in den Herbert Power Stakes (Gr. II) und gewann dann den Melbourne Cup (Gr. I), eine spektakuläre, schlagzeilenträchtige Leistung, ein großer Sieg für die deutsche Vollblutzucht.

Anschließend ging er komplett in den Besitz von Australian Bloodstock über, bezog eine Box bei Trainer Kris Lees. Doch dieser kam überhaupt nicht mit ihm klar. Bei acht Starts war ein fünfter Platz die beste Ausbeute, Versuche über 1400 bzw. 1600 Meter, wie das in Australien als Aufbau üblich ist, waren kaum vorteilhaft. Er kam wieder nach Deutschland zurück, mit den bekannten Ergebnissen. Er gewann ein kleines Rennen in Düsseldorf, dann erneut den Große Hansa-Preis (Gr. II) und schließlich den Großen Preis von Berlin (Gr. I). Diese Leistung brachte ihm ein Rating von 100kg ein.

Zu seinem Vater Monsun muss nicht mehr viel gesagt werden. Seine Söhne sind bereits vielfältig in der Zucht aktiv, in Deutschland sind insbesondere Maxios und Samum zu erwähnen. In Irland gibt es mit Vadamos kommendes Jahr einen spannenden Debutanten.

Protectionists Mutter Patineuse ist im Dezember 2007 für 40.000 gns. bei Tattersalls gekauft worden, was seinen Grund auch darin hatte, dass die Schwester ihrer Mutter, die listenplatzierte Private Life (Bering) einige Zeit in der Berglar-Zucht aktiv war. Sie ist Mutter u.a. von Persian Storm (Monsun), der in den Farben von Georg von Ullmann das Bavarian Classic (Gr. III) gewann. Parisienne, die Mutter von Patineuse, war Listensiegerin in Frankreich, sie ging später in die Türkei.

Es handelt sich um eine erfolgreiche Wildenstein-Linie, die vierte Mutter von Protectionist ist die dreifache Gr. I-Siegerin Pawneese (Carvin). Mütterlicherseits ist der Hengst 5x5 auf Plencia (Le Haar) ingezogen, die Gründerstute dieser Wildenstein-Familie. Plencia ist Mutter von Petroleuse (Habitat), ihrerseits zweite Mutter des „Arc“-Siegers und Deckhengstes Peintre Celebre (Nureyev).

Patineuse, die inzwischen im Stonereath Stud der Familie Berglar in Kentucky steht, startete in der Zucht mit dem viermaligen Sieger Primatist (Manduro), nach Protectionist kam Pescara (Samum), die bei Arqana verkauft wurde. Prana (Siyouni), jetzt vierjährig, ist nicht gelaufen. Zweijährig ist Perceptionist (Mizzen Mast), der im vergangenen Jahr für 90.000 Dollar nach Japan verkauft wurde. Er heißt inzwischen Meiner Amnis, ist schon Sieger. Der Jährlingshengst Posillipo (Hat Trick) hat bereits eine Box bei Andreas Wöhler bezogen. Ein Hengstfohlen hat Bernardini zum Vater, tragend ist Patineuse von Mr. Speaker (Pulpit), der auf Lane’s End steht, ein junger Hengst, der u.a. die Belmont Derby Invitational Stakes (Gr. I) gewonnen hat. 

Es hatte diverse Angebote als Deckhengst für Protectionist gegeben, aus Frankreich und Irland. Dass letztlich Röttgen als für ihn und die deutsche Zucht sicher idealer Standort ausgewählt wurde, gereicht Australian Bloodstock zur Ehre, es könnte sich als Gewinn erwesen. Das Unternehmen hat zudem in den vergangenen Wochen mehrere Stuten für den Hengst gekauft, er bekommt somit von Beginn an alle Möglichkeiten. 

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