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Kirsten Schmitt im Porträt: "Mein bester Ritt war der auf einem störrischen Pony"

Kerstin Schmitt auf Shaking Rock in Hassloch 2010. www.galoppfoto.de

Autor: 

Karina Strübbe

TurfTimes: 

Ausgabe 200 vom Freitag, 03.02.2012

„Ein 4. Platz mit einem störrischen mongolischen Pony beim internationalen Einladungsrennen auf der Rennbahn  in Wuhan, China. Das hat mir alles abverlangt.“ Bekommt man diese Antwort auf die Frage nach dem besten Ritt, glaubt man nicht, dass sie von einer erfolgreichen Reiterin stammt. Doch das wäre in diesem Fall weit gefehlt, denn das Zitat stammt von  Kirsten Schmitt.

Kirsten Schmitt ist Profi bei den Championatsehrungen: Wie hier in Hamburg mit Trainer Christian von der Recke und HRC-Präsident Eugen-Andreas Wahler. www.galoppfoto.deKirsten Schmitt ist Profi bei den Championatsehrungen: Wie hier in Hamburg mit Trainer Christian von der Recke und HRC-Präsident Eugen-Andreas Wahler. www.galoppfoto.deWenn man über die erfolgreichsten Amateurrennreiterinnen der letzten Jahre spricht, fällt ihr Name zwangsläufig. Fast 20 Jahre lang war sie aktiv, vor allem auf den Bahnen im Südwesten, aber längst nicht nur. 243 Siege (inklusive Araberrennen) und sechs Championate, davon die letzten vier in Folge, sprechen für sich. Am Silvesterrenntag 2011 ging somit gewissermaßen eine Ära zu Ende, denn Kirsten Schmitt stieg zum letzten Mal in den Rennsattel. Zwar nicht mit einem Sieg, jedoch mit einem zweiten und einem vierten Platz beendete Kirsten Schmitt ihre Amateurrennreiterkarriere. Ein schwieriges letztes Jahr mit mehreren Stürzen im Sommer konnte sie letztendlich doch mit dem Championat und immerhin 15 Siegen krönen. Den letzten davon konnte sie am 11. Dezember mit  Omkareshwar auf einer ihrer Lieblingsbahnen, nämlich Neuss, feiern.

Wünsche, was die Rennkarriere anbelangt, sind nichtKirsten Schmitt auf Wagner am 13.03.2011 in Neuss.Kirsten Schmitt auf Wagner am 13.03.2011 in Neuss. offen geblieben: „Es bleibt nicht mehr viel übrig, denn auf dem mir zugänglichen Niveau als Amateurrennreiterin habe ich alle Schmuckstücke gewonnen, die es zu gewinnen gab.“ Diese Aussage beschreibt die Erfolge, die Kirsten Schmitt seit 1995 im Rennsattel feiern konnte, wohl zur Genüge. Nach 17 durchrittenen Saisons freut sie sich vor allem „auf frei verfügbare Wochenenden, flexible Urlaubsplanung unabhängig von Rennterminen, Zeit und Muße zu haben, für die Dinge, die in den letzten Jahren zu kurz gekommen sind.“ Es ist auch kein Wunder, dass bei so vielen Ritten wie in den letzten Jahren und dem eigentlichen Beruf als Büroleiterin einer Anwaltskanzlei keine Zeit mehr für andere Dinge gab. Nichtsdestotrotz wird Kirsten Schmitt das Rennreiten, das so lange Teil ihres Lebens war, natürlich vermissen und ganz besonders das Gefühl, „einen Sieger vom Geläuf zu bringen und die glücklichen Gesichter von Besitzer und Trainer zu sehen.“


Kirsten Schmitt bei der Championatsehrung 2011 in Neuss. Foto Karina StrübbeKirsten Schmitt bei der Championatsehrung 2011 in Neuss. Foto Karina StrübbeVor allem Positives nimmt Kirsten Schmitt aus dem Rennsport mit, aber es gab auch schwere Zeiten: „Eine schwierige Situation war die Sturzserie im letzten Sommer für mich. Die Unterstützung von Trainern und Besitzern, die mir nach dieser Phase das Vertrauen schenkten, hat mich sehr gefreut und dankbar gemacht. Deshalb waren die Siege mit  Lordsbury Pride,  Bobby Dazzler, und  Omkareshwar ganz besonders schöne Momente für mich.“ Daher hat das letzte Championat auch eine besondere Bedeutung. Im Gegensatz zum Jahr 2010 war das Championat übrigens eine sehr enge Angelegenheit, „nur“ zwei Siege Vorsprung hatte Kirsten Schmitt am Ende vor ihrer ersten Verfolgerin Olga Lazsnovska. 2010 hatte das ganz anders ausgesehen. Damals standen am Ende des Jahres für Kirsten Schmitt 37 Siege, Rekord übrigens, und für die zweitplatzierte Olga Lasnovska 9 Siege zur Buche. Das Championat 2011 war dagegen „die Belohnung für viel Fleiß, Aufwand und emotionales und körperliches Engagement. Dieses letzte Championat hat mir besonders gut getan, weil ich es mir wirklich hart erkämpfen musste. Die vergangene Saison lief nicht unbedingt optimal und unter der Sturzserie im Sommer hatte nicht nur mein Körper, sondern vor allem auch mein Selbstvertrauen gelitten.“ Die „alte Kirsten“ hat sie wiederfinden und nun die Karriere auch mit einem durch und durch schönen Erlebnis beenden können. „Ich bin besonders stolz darauf, dass mir das gelungen ist.“

Fragebogen mit Kirsten Schmitt
Geboren: 
26. 06.1969
Amateurrennreiterin seit:
Herbst 1994
Was war Ihr niedrigstes Reitgewicht und was mussten Sie dafür tun?In den ersten Jahren konnte ich noch 50 kg reiten, das hat sich jedoch geändert, als ich begonnen hatte, im Büro zu arbeiten. Es brauchte eine gewisse Zeit, bis sich mein Gewicht einpendelte. Die letzten Jahre konnte ich problemlos 53kg reiten.
1. Sieg als Amateurrennreiterin:
15.07.95 in Bad Harzburg mit „Familienpferd“ Facture (Stall Frohnbach)
Größte Erfolge:
Europameisterin 1996, sechs deutsche Championate (97, 06, 08, 09, 10 und 11), 3 Auslandssiege, Mannschaftsweltmeister 2010, Rekord an Jahressiegen in 2010
Anzahl Siege:243 (inkl. Araberrennen)
Was war Ihr bester Ritt?Ein 4. Platz mit einem störrischen mongolischen Pony beim internationalen Einladungsrennen auf der Rennbahn  in Wuhan, China. Das hat mir alles abverlangt. :)
Gibt es einen Moment/einen Ritt, über den Sie sich sehr über sich selbst geärgert haben?Einen??? Ich bin als selbstkritisch bekannt und habe oft meinen eigenen Erwartungen nicht genügen können.
Welche(s) ist/sind ihre besondere(n) reiterliche(n) Stärke(n)? Haben Sie auch Schwächen als Jockey?Ich denke, das können Trainer und Besitzer, für die man geritten ist, sehr viel besser beurteilen, als man selbst.
Was war Ihr schönster Sieg?
Ich hatte viele schöne Siege und generell war jeder etwas Besonderes. Dabei erinnere ich mich an die zwei direkt aufeinanderfolgenden Siege in Baden-Baden am 24.5.1997 oder an meine Siege in Hamburg genauso gerne, wie an diejenigen vor heimatlicher Kulisse auf den Bahnen im Südwesten.
Welcher Sieg war dieses Jahr der überraschendste für Sie, also einer, mit dem Sie vorab nicht gerechnet haben?
Hampstead Heath in Saarbrücken am 15.04.2011, weil ich es nicht für möglich gehalten hatte, den mir zu Ohren gekommenen, recht mysteriösen Eigenarten dieses Pferdes gerecht werden zu können. Er hat dann aber nichts falsch gemacht…
Wie sind Sie zum Rennsport gekommen?Ich hatte pferdebegeisterte Eltern und einen ausgedienten Vollblüter als Beistellpferd für mein Pony. Später bin ich dann bei  Klaus Wilhelm im Training geritten. Damit war mein Rennreiter-Schicksal besiegelt.
Wer hat Sie im Rennsport gefördert? Person/UnterstützerBesonders gefördert hat mich natürlich das Trainingsreiten bei Trainer Klaus Wilhelm auf Gestüt Birkhausen in Zweibrücken, dort insbesondere der dort angestellte Rennreiter  Martin Vorisek, der mir quasi alles beibrachte, was ich fürs Rennreiten wissen musste. Von Anfang an hatte ich sehr viel Unterstützung von den Besitzertrainern hier im Südwesten, wofür ich immer sehr dankbar war, denn dieses große Rittangebot hat mir von Anfang an eine gute Grundlage geboten für meine Karriere und mir viel Praxis gegeben. Seit 2006 erfreute ich mich der enormen Unterstützung von Trainer  Christian von der Recke und seinen Besitzern, was mir viele chancenreiche Ritte und schöne Erfolge beschert hat.
Wer war/ist für Sie als Vorbild wichtig?Als ich anfing Rennen zu reiten, hat mich  Karin Schlick als Reiterin inspiriert.
Worin liegt für Sie der Reiz des Rennreitens?Es war mir schon immer ein Anliegen, jedes Pferd individuell zu verstehen, um seine Stärken und Schwächen entsprechend einsetzen zu können. Dabei das Gefühl zu haben, mit dem Pferd ein Team zu bilden und dann am Ende gemeinsam erfolgreich zu sein – das war schon immer etwas Besonderes für mich. Die Schnelligkeit und der Kampfgeist der Rennpferde faszinieren mich von jeher, und dass der Zielpfosten ein unbestechliches Mittel ist, um den Gewinner zu ermitteln.
Welches ist/war das beste Pferd, das Sie geritten sind?Für mich als Amateur waren alle Pferde, die ein GAG über 70kg hatten, eine Besonderheit. In diese Kategorie fielen z.B.  Katano, Fürstenberg,  Silex,  Roxagu, Bound by Honor, Hampstead Heath, Our First Chesnut, Omkareshwar, Kocham Cie, Lordsbury Pride und Bobby Dazzler. Das sind so die ersten, die mir einfallen.
Haben Sie ein Lieblingspferd? Welches und warum?Im Laufe meiner Karriere hat es immer wieder andere Lieblingspferde gegeben. Um nur eines zu nennen: Bound by Honor. Er hat mir immer das Gefühl gegeben, dass er besonders viel Spaß mit mir hatte. Es sind wohl immer die Pferde, die einem das Gefühl geben, dass man mit ihnen ein besonders gutes Team bildet. 
Welche ist Ihre Lieblingsbahn und warum?Neuss, weil ich Sand schon immer liebte, und Saarbrücken, weil ich dort immer besonders erfolgreich war.
Was gefällt Ihnen gut am deutschen Rennsport?
Im Vergleich mit dem Ausland denke ich, hat man als etablierter Amateur in Deutschland relativ gute Möglichkeiten auch in Profirennen zu reiten. Dazu kommt natürlich auch, dass der Rennsport hier im Südwesten eine wichtige und fruchtbare Basis sein kann für Amateure.
Was wünschen Sie sich besser im deutschen Galopprennsport?Ich würde mir mehr Präsenz in den Medien wünschen und auch mehr Werbung, um den Sport vermehrt der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Was ist Ihr Lieblingsessen und wie oft konnten Sie sich das genehmigen?Ich liebe Essen allgemein! Viel und gut!
Wenn Sie in einem Rennen reiten und sich die Liste der anderen Jockeys betrachten, über welchen Namen freuen Sie sich am meisten, wenn Sie ihn NICHT lesen?
Ich kann über keine Aversion gegenüber Kollegen berichten. 
Haben Sie auch nicht pferdische Hobbys?Dafür hatte ich bisher keine Zeit!
Haben Sie einen Aberglauben?
Nööö!
Welches Rennen hätten Sie gern mal gewonnen?
Es bleibt nicht mehr viel übrig, denn auf dem mir zugänglichen Niveau als Amateurrennreiterin habe ich alle Schmuckstücke gewonnen, die es zu gewinnen gab.
Welche Bedeutung hat ein Ehrentitel wie das Championat für Sie?Es ist die Belohnung für viel Fleiß, Aufwand und emotionales und körperliches Engagement.
Dieses letzte Championat hat mir besonders gut getan, weil ich es mir wirklich hart erkämpfen musste.
Sie haben Ihre Reitkarriere mit dem Championat 2011 beendet, warum und was machen Sie nun?Nach 17 durchrittenen Saisons und vier Championaten in Folge, bei denen ich immer „die Gejagte“ war, und nachdem ich alles erreicht habe, was ich für mich persönlich erreichen wollte, war dann irgendwann ein Punkt erreicht, wo ich spürte, dass mir ganz langsam und schleichend der alte Biss verloren ging. Dies habe ich als Zeichen gewertet, dass es Zeit ist, neue Wege zu gehen. Die Frage nach einer Zukunftsperspektive stellt sich für mich als Amateur im beruflichen Sinne aber nicht, da ich als Büroleiterin in einer Anwaltskanzlei in dieser Hinsicht auf festen Füßen stehe.
Sie waren sehr lange aktiv. Was würden Sie sagen, hat sich über die Zeit am stärksten verändert?
Ich denke, heute  werden Rennpferde besser trainiert und auch medizinisch besser betreut, als noch vor 15 Jahren. Leider gibt es insgesamt immer weniger Rennen, was den Konkurrenzkampf – auch zwischen Profis und Amateuren - schwieriger machte. Auch gibt es weniger reine Amateurrennen als früher, was besonders für beginnende Amateure ein Problem darstellt.
Bleiben Sie dem Rennsport in Zukunft treu, in welcher Form?Ich werde nach wie vor im Training reiten, was mir enormen Spaß macht und mich körperlich fit hält. Sicher wird man mich auch gelegentlich als Zuschauer auf einer Bahn sehen, besonders hier im Südwesten. Außerdem bin ich ja auch Mitbesitzer bei Stall Frohnbach.
Was werden Sie am stärksten vermissen?Einen Sieger vom Geläuf zu bringen und die glücklichen Gesichter von Besitzer und Trainer zu sehen.
Und worauf freuen Sie sich in Zukunft besonders?Auf frei verfügbare Wochenenden, flexible Urlaubsplanung unabhängig von Rennterminen, Zeit und Muße zu haben, für die Dinge, die in den letzten Jahren zu kurz gekommen sind.
Was waren die wichtigsten/schönsten/schwersten Momente in Ihrer Karriere?Grundsätzlich überwiegen in meiner Laufbahn die positiven Eindrücke, schwer war es für mich allerdings dann, wenn sich eines meiner Pferde im Rennen oder Training verletzt hat. Eine schwierige Situation war die Sturzserie im letzten Sommer für mich. Die Unterstützung von Trainern und Besitzern, die mir nach dieser Phase das Vertrauen schenkten, hat mich sehr gefreut und dankbar gemacht. Deshalb waren die Siege mit Lordsbury Pride, Bobby Dazzler, und Omkareshwar ganz besonders schöne Momente für mich.
Einer ihrer männlichen Kollegen sagte, Frauen haben im Rennen nichts zu suchen (als Reiter). Was sagen Sie dazu?Ich frage mich, ob dem Kollegen auch schlagkräftige Argumente für seine Behauptung zur Verfügung stehen. Ist er vielleicht (für seinen Geschmack) zu oft im Endkampf von einer Frau weggeputzt worden? Im Grunde finde ich, dass solche Aussagen in der Öffentlichkeit keine gute Werbung für unseren Sport darstellen.
Haben es Frauen generell (immer noch) schwerer als Männer? Was sind Ihre Erfahrungen dazu? Wie ist die Entwicklung, bzw. was könnte die Zukunft bringen?Ich denke Frauen profitieren von niedrigerem Gewicht und oftmals einem besseren Einfühlungsvermögen. Von weiblicher Seite braucht es jedoch Durchhaltevermögen und auch muss man als Frau etwas tun, um kräftemäßig mit den Männern mithalten zu können. Wenn Frauen dann wissen, die weiblichen Stärken beim Rennreiten umzusetzen, so können sie durchaus sehr erfolgreich sein. Dies zeigt ja die Jockey-Statistik von 2011, wo wir gleich zwei Frauen unter den ersten Zehn sahen! Das könnte man als ein Zeichen werten, welches aufstrebende Amazonen hoffentlich motiviert, sich ins Zeug zu legen. Dass Frauen generell den männlichen Jockeys nicht nachstehen, zeigt sich noch mehr auf internationaler und auch höherer Ebene. Ich denke da spontan an Emma Jayne Wilson (CAN), Chantal Sutherland (US), und Haley Turner (UK). Die lassen im direkten Vergleich so manchen männlichen Jockey „alt“ aussehen.

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