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High-Tech für das Galopper-Training

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 358 vom Donnerstag, 12.03.2015

High Tech beim Training von Rennpferden: Eine elektronische Lottafel, die mit Sensoren bestückten Sattelgurte im Pilot-Stall von Trainer Ferdinand Leve, das Anlegen des Gurtes. Fotos: foursense.net/dequia.deHigh Tech beim Training von Rennpferden: Eine elektronische Lottafel, die mit Sensoren bestückten Sattelgurte im Pilot-Stall von Trainer Ferdinand Leve, das Anlegen des Gurtes. Fotos: foursense.net/dequia.deEine effektive Trainingskontrolle in Echtzeit mit Daten über die Herzfrequenz, die Gangart, die Schrittlänge und deren Frequenz pro Sekunde oder Minute, die zurückgelegte Distanz und damit natürlich auch die Geschwindigkeit sowie die jeweilige Position auf der Bahn – und das direkt aufs Smartphone des Trainers, der direkt reagieren und mit dem Reiter Kontakt aufnehmen kann. So könnte das Training von Galopprennpferden in der Zukunft aussehen. Natürlich stünden die Daten aufbereitet auch für die langfristige Analyse zur Verfügung und der Besitzer könnte schwarz auf weiß sehen, was sein Pferd für das teure Trainingsgeld geleistet hat, welchen Boden und welche Distanz es bevorzugt und wie fit es ist. So manche Derbynennung wurde dann vielleicht nicht mehr getätigt werden. Das alles ist keine Utopie mehr. Die Firma FourSense ist in der technischen Umsetzung zu Erfassung dieser Daten schon sehr weit, jetzt werden die Systeme in der Praxis getestet und weiter entwickelt. Der „Pilotstall“ ist der von Ferdinand Leve in Warendorf und mit dem Rennstall von Trainerchampion Markus Klug im Gestüt Röttgen ist auch eines der ganz großen Quartiere vertreten, dank der Mehl Mülhens-Stiftung, die die wissenschaftliche Arbeit des 2011 gegründeten Unternehmens auch finanziell unterstützt.

Will den Rennsports ins 21. Jahrhundert führen: Der Geophysiker Johannes Rosenmöller (Mitte) mit Dr. Günter Paul vom Gestüt Röttgen (rechts) und Trainer Ferdinand Leve in Warendorf. www.dequia.eWill den Rennsports ins 21. Jahrhundert führen: Der Geophysiker Johannes Rosenmöller (Mitte) mit Dr. Günter Paul vom Gestüt Röttgen (rechts) und Trainer Ferdinand Leve in Warendorf. www.dequia.e„Wir wollen den Rennsport einen Schritt weit ins 21 Jahrhundert bringen“, umschreibt FourSense-Geschäftsführer Johannes Rosenmöller sein großes Ziel und ist sich sicher: „Die Transparenz wird auch im Rennsport kommen, denn was technisch möglich ist, wird gemacht. Wenn nicht von uns, dann von anderen!“ Doch der 53jährige Geophysiker liegt bei der Entwicklung von Systemen zur Leistungsdiagnostik, Trainingsoptimierung und Monitoring für den Pferdesport gut im Rennen. Das Startup aus Münster ist für den „Equitana Innovationspreis 2015“ nominiert und auf der Weltmesse des Pferdesport in Essen, die am Samstag, 14. März, beginnt, ist man sehr prominent vertreten: In Halle 10/11 direkt gegenüber der FN auf dem Stand E27.

Erfahrung im Leistungssport war schon vorher reichlich vorhanden – allerdings bei den Menschen. Die Firma Humotion war Rosenmöllers erstes eigenes Unternehmen, zu dessen Kundenkreis Fußball-Bundesligisten genauso gehören wie Kader-Athleten diverser olympischer Verbände. „Dann kam ein Anruf aus Colorado von einem Tiermediziner“, so die Kurzfassung zum Engagement im Pferdesport mit der Frage: „Hey, Ihr könnt da so viele Sachen an Menschen messen, könnt Ihr das auch an Pferden?“ Eine Frage, die bei einem so begeisterungsfähigen Wissenschaftler wie Johannes Rosenmöller an die richtige Adresse kam. Das biomechanische, physikalische, technische und mathematische Know-How war vorhanden, die Motivation sich neuen Herausforderungen zu stellen auch, zumal der internationale Pferdesport ganz einfach auch ein spannender Markt ist. „Wir haben Anfragen aus dem angloamerikanischen Raum, aber auch aus den arabischen Emiraten, aus Australien und Japan“, berichtet Rosenmöller. Erste wissenschaftliche Pilotprojekte fanden beispielsweise beim ehemaligen Olympiareiter Hendrik Snoek statt, mit dem Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) wurde eine Technologiepartnerschaft im Bereich Leistungsdiagnostik vereinbart.

Die Leistungsoptimierung und den Tierschutz im Blick

Besonders die Distanzreiter sind interessiert, denn da geht es bei zu überwindenden Strecken von bis zu 160 Kilometern am Tag  darum, die Tiere nicht zu überfordern, nicht nur um die medizinischen Checks bei den Kontrollpunkten zu bestehen und weiter im Wettbewerb zu bleiben, sondern auch um die Herz-Kreislauf–Vorfälle, durch die das Distanzreiten in die Kritik geraten ist, zu minimieren. „Wir denken dabei nicht nur an Leistungsoptimierung,  sondern haben auch den Tierschutz im Blick“,  heißt es. Der Rennsport fasziniert Rosenmöller und sein Team auf eine ganz besondere Weise: „Wir nutzen GPS als eine Methodik zur Verortung und messen lokale Geschwindigkeiten. Wir können feststellen, wo sich ein Pferd befindet und wie es sich über eine Distanz von beispielsweise 50 Metern bewegt. Calyxa zum Beispiel hat dafür 10,3 Galoppsprünge gebraucht, zwischen 1,9 und 2,1 pro Sekunde. Darüber können wir die Länge ermitteln und auch Bewegungsmuster erkennen. Beim Training im Viereck oder in der Halle ist GPS noch nicht so aussagekräftig, da anders als auf der Rennbahn nicht so große Strecken zurückgelegt werden.“ Dabei steckt viel Technik in sehr praktikablen textilen Sattelgurten, „denn wir wollen den Trainern keine zusätzliche Arbeit machen und eingespielte Prozesse im Training und bei der Pferdehaltung nicht stören.“ 

Die elektronische Lottafel: Kann auch mit dem Smartphone bedient werden und sammelt schon in der Testphase Pluspunkte bei den Trainern. www.dequia.deDie elektronische Lottafel: Kann auch mit dem Smartphone bedient werden und sammelt schon in der Testphase Pluspunkte bei den Trainern. www.dequia.dePluspunkte sammelt das System bei den Trainern in jedem Fall mit der elektronischen Lottafel, die gemütlich von zuhause aus aktualisiert werden kann. „Wir sind ja erst ganz neu dabei und über die Auswertung der Daten kann ich noch nicht viel sagen“,  meint Trainer Markus Klug, „aber ich finde das Ganze hochinteressant. Die neue Lottafel ist in jedem Fall sehr hilfreich, besonders bei unserer weitläufigen Anlage mit den beiden Ställen.  Außerdem habe ich damit jederzeit Zugriff auf die alten Daten und kann immer schauen, mit wem welches Pferd vor ein paar Monaten gearbeitet hat. Bei so vielen Pferden hat an das ja nicht mehr alles im Kopf.“ Auch die Reiter bekommen ihre Aufgaben direkt aufs Handy, Updates und Änderungen inklusive. Gleichzeitig stehen sie natürlich auch unter einer engeren Kontrolle. Halten sie das vorgegebene Tempo, nehmen sie in der scharfen Kurve die Geschwindigkeit auch wirklich raus? Das alles jetzt nicht mehr eine Sache des Gefühls und des Augenmaßes, sondern kann direkt aus den Daten herausgelesen werden. „Noch sind wir in der Entwicklungsphase“, heißt es, „und freuen uns über die Rückmeldungen der Trainer, die ständig Anfragen für neue Funktionen haben, die wir manchmal schon ganz schnell umsetzen können. Da sollen wir zum Beispiel den ,Hoppelgalopp' und den ,ruhigen Canter' in Geschwindigkeiten ausdrücken und das entsprechend auf den Lottafeln einbringen". Für die High Tech-Experten eine der leichteren Übungen. 

Was kann High Tech im Training bringen?

Der Vergleich: Trainer Ferdinand Leve erfasst alle Trainingspläne bisher handschriftlich, diese Arbeit könnte durch die digitale Erfassung zukünftig entfallen. www.dequia.deDer Vergleich: Trainer Ferdinand Leve erfasst alle Trainingspläne bisher handschriftlich, diese Arbeit könnte durch die digitale Erfassung zukünftig entfallen. www.dequia.deDass in einem so traditionellen Sport wie dem Rennsport so manche harte Nuss zu knacken ist, hat auch Rosenmöller schon erfahren: „Es ist nicht einfach in eine bestehenden Industrie Neuerungen einzuführen. Da wird es die geben, die bei ihrem bisherigen Training bleiben und es lieber ohne ergänzende Technik und nur mit Erfahrung machen, nach Gefühl und Augenmaß, aber andere haben doch lieber einen Tachometer im Auto!" Der Formel I-Vergleich liegt nah, schließlich trägt der Fahrer einen wesentlichen Anteil am Erfolg, aber auch Sebastian Vettel vertraut auf die Instrumente in seinem Wagen. 

Die Entwicklung der Rekorde im Rennsport stagniert – anders als bei den Menschen, wo erst seit intensiven Dopingkontrollen die Entwicklungskurve der Bestzeiten stark abflacht -  seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit 100 Jahren. Secretariat war bei seinem Erfolg im Kentucky Derby 1973 auch nicht schlechter als der Sieger heute. Was hat sich seitdem in der Trainingsmethodik getan?  Die Literatur darüber ist dürftig, kein Trainer lässt sich im Detail wirklich in die Karten schauen. Oder wird vielleicht immer noch trainiert wie früher, wie man es von seinem Trainer gelernt hat und der von seinem Vorgänger? Wie viel Entwicklungspotential steckt also in einer neuen Trainingsmethodik? Kurz gesagt: Was kann die neue Technik im Ergebnis bringen? Schließlich träumt jeder Trainer und Besitzer vom schnellsten Pferd der Welt, mindestens aber vom schnellsten im jeweiligen Rennen? Das sind die Fragen, die auch Rosenmöller mit seinem wissenschaftlichen Ehrgeiz antreiben, ohne allerdings voreilige und übertrieben Erwartungen anzuheizen. Entscheidend bliebe immer die Erfahrung des Trainers und die Meinung des Reiters, so der Leistungsdiagnostiker Rosenmöller, aber: „Wer die Topleistungen bringen will, wo es auf hundertstel Sekunden ankommt, der braucht belastbare Daten. Durch die regelmäßige Erfassung von Daten wird eine neue Art des Wissens entstehen, man bekommt mehr Kontrolle, kann vergleichen, Daten leichter auswerten und die Sinnhaftigkeit des Trainings hinterfragen. In erster Linie geht es uns um individuell korrektes Training.“ Der Anfang ist gemacht. Die spannende Frage ist nun, wie der Rennsport die neuen Instrumente nutzt. 

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