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Die Helden hießen Un de Sceaux und The New One

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 502 vom Donnerstag, 25.01.2018

Immer wieder ist in dieser Kolumne von Cheltenham die Rede, auch wenn dort gar keine Rennen stattfinden. Dies bedeutet nicht, dass jedes halbwegs wichtige Rennen der  Insel ein Vorbereitungsrennen für das Festival ist. Und doch: wie eine Art Super-Bowl im Galopprennsport ist das Cheltenham Festival - jene vier Tag im März – überstrahlt das Festival  (der Begriff „The Festival“ im Übrigen ein eingetragenes Markenzeichen!)  die gesamte Saison, ist gleichsam der Dreh-und Angelpunkt. Die Konzentration hat vor allem in England ein solches Ausmaß angenommen, dass erste kritische Stimmen laut werden; gerade hat ein aufstrebender junger Trainer bekannt gegeben, mit einem hoffnungsvollen Starter die Betfair Hurdle (immerhin mit über 80.000GBP für den Sieger dotiert)  Anfang Februar auszulassen, um direkt „The Festival“ anzusteuern. Hier habe man u.a. das Rennen für Nachwuchsjockeys im Auge. Auch die Weigerung der Trainer, das neugeründete Dublin Racing Festival (an den beiden Renntagen am ersten Februar-Wochenende werden 1.525.000 Euro Preisgeld ausgeschüttet) in die Rennplanung aufzunehmen, stößt einigen (britischen!) Journalisten übel auf. Nun denn, sagen andere, was gäbe es da für die englischen Pferde denn schon zu gewinnen …

Hier gibt es Infrmationen zu dieser Veranstaltung

http://www.leopardstown.com/Dublin-Racing-Festival/

Wie dem auch sei, die Ergebnisse in den Monaten zuvor werden stets auf ihre Aussagekraft für das Festival abgeklopft:  Sieg und Niederlage schlagen sich umgehend im Vorwettmarkt nieder - eine wichtige Einnahmequelle der Buchmacher. Natürlich kommt einigen Prüfungen dabei auf dem Weg Richtung März eine besondere Bedeutung zu - hier passen  Distanz und Zeitpunkt der Austragung im Hinblick auf Mitte März besonders gut, oder die Sieger der letzten Jahre haben sich danach auf der Rennbahn im  Prestbury Park besonders bewährt. Am nun anstehenden Wochenende im Januar hält Cheltenham traditionell seinen letzten Renntag, den sog. „Trials Day“, vor dem Festival ab, ansonsten werden die vierbeinigen Stars ab Januar nur noch sehr selektiv eingesetzt. Der erfahrene Trainer rechnet vom März rückwärts; es gilt, das Pferd auf den Punkt fit, aber auch frisch genug zu halten. Und wenn es nach der hektischen Zeit über Weihnachten und Neujahr nun etwas ruhiger wurde, so haben sich in den letzten 14 Tagen doch einige neue Namen ins Gespräch gebracht.

Allen voran Malcolm Jeffersons Flemensfirth-Son Waiting Patiently, dessen Sieg in einem Listenrennen in Kempton mächtig Eindruck machte. Dabei war es vor allem der Ton, der die Musik machte, schien der eher schmächtige Wallach doch zu Beginn der Zielgeraden in Schwierigkeiten, um dann nach kurzem „Luftholen“ mit einer sehenswerten Schlussattacke seinen fünf Gegnern einfach davon zu laufen. Jefferson, ein alter Hase im Geschäft, der auch im Siegerzirkel zu Cheltenham kein Unbekannter ist, hat nun mit dem über die großen Sprünge ungeschlagenen Wallach die Ryanair Chase im Auge. Schon ein Starter in einem der „Championship“ -Rennen ist ein Ritterschlag für jeden Stall;  besonders für einen Trainer, der nicht aus hunderten von Stallinsassen wählen kann. Jeffersons kleiner, aber feiner Stall, im nordenglischen Malton beheimatet, könnte somit neben Cloudy Dream einen weiteren Major Player an den Start bringen.

Das vergangene Wochenende stand dagegen ganz im Zeichen zweier wunderbarer, eisenharter Kämpfer:  Un de Sceaux und The New One. Ersterer schrieb am Samstag in Ascot Geschichte, als er die renommierte Clarence House Chase (ehe. Victor Chandler Chase; Gr1, 2m1f) als erstes Pferd überhaupt dreimal gewinnen konnte, und dreimal in Folge noch dazu. Heute ein Gruppe-Rennen mit entsprechenden einheitlichen Gewichten, hat sich das Rennen zunächst als Handicap einen großen Namen gemacht:  der erste Sieger des Rennens war ein gewisser Desert Orchid, der Sieg Isios, der mit 19 Pfund Gewichtsvorteil den damaligen Star der Szene, Azertyuiop niederrang, ist noch heute Rennsportfolklore.

Seit 2007 wird das Rennen nun nicht mehr als Handicap gelaufen; dies hat der Qualität des Rennens natürlich nicht geschadet, leider aber ist das Rennen nun meist spärlich besetzt und nur noch selten ein Spektakel. Doch kein Superlativ ist zu klein, wenn man den inzwischen achtfachen Gr.1 -Sieger Un de Sceaux beschreiben möchte: insgesamt hat der zehnjährige Wallach nun bei 26 Starts 20 Rennen gewonnen, mehr als 1 Million Euro verdient, zweifacher Festival-Sieger ist er dazu. Im Rennen ist er eifrig und „wears his heart on his sleeve“, wie die Engländer sagen; er gibt, was er hat, läuft seine Rennen am liebsten von der Spitze aus und hat seiner kopf- und lautstarken Besitzergemeinschaft schon unendlich viele magische Momente beschert. Auch er könnte  die Ryanair Chase ansteuern - hier wäre er Titelverteidiger- doch als Arkle-Sieger ist auch Champion Chase eine Option - eine Division, die aktuell eher unterbesetzt ist.

Im nordenglischen Haydock gewann mit The New One ein absoluter Publikumsliebling der Insel sein insgesamt 20. Rennen, welches zudem sogar offiziell ein „Trial“ für Cheltenham war. Mehr noch, es war der vierte Sieg in Folge im Champion Hurdle Trial (Gr2, 2m (seit einer Neuvermessung der Rennbahnen vor einiger Zeit haben manche Rennen  nun so seltsame Distanzen wie 1m7 1/2f)); der Sponsorenname mag sich geändert haben (in diesem Jahr der Buchmacher Unibet), der Name des Siegers hatte Bestand.  Im Training bei Nigel Twiston-Davies, wird der ebenfalls zehn Jahre alte Wallach zumeist von Sohn Sam geritten, mit ihm versteht sich The New One auch wirklich besonders gut. Der King´s Theatre-Sohn, der seit 2012 kein Festival ausgelassen hat, dort aber „nur“ in 2013 gewonnen hat, hat inzwischen ein echtes Kult-Following in England. Er ist kein Seriensieger, muss für jeden Sieg hart arbeiten und hat jenseits der Rennbahn mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Der Stoff, aus dem Bewunderung gemacht ist. Und eines jener Pferde, die sich langsam auch in die Herzen der unsentimentalsten Fans geschlichen haben.  Ein erneuter Sieg beim Festival – über das passenden Rennen haben Vater und Sohn schon im letzten Jahr gestritten – würde das Dach der Rennbahntribüne sicher um einige Meter anheben…

Einige Namen der vergangenen Wochen im Schnelldurchlauf:

Getabird: Willie Mullins 6j. Getaway-Sohn, der in den bekannt –markanten Rich Ricci-Farben (pink mit grünen Punkten) läuft, ist nun nach vier Starts ungeschlagen und machte in einem Gr2 (2m) -Rennen in Punchestown mächtig Eindruck. Wie die meisten der irischen Stars könnte er beim neugeschaffenen Dublin Racing Festival einen Zwischenstopp einlegen, bevor es dann gen Cheltenham geht.

Jenkins: Kein Superstar, aber nun Doppelsieger über Hürden, und bei Altmeister Nicky Henderson natürlich in den besten Händen. Sein Sieg in einer Gr3 Handicap Hurdle  unter dem ungemein talentierten Nachwuchs-Jockey James Bowen war dabei der vorläufige Höhepunkt, zudem der zweite Sieg seines jungen Reiters auf diesem Level. Der Wallach zählt zum erweiterten Favoritenkreis für die Betfair-Hurdle, einem der höchstdotierten Handicaps der Insel. Auch für Cheltenham steht er in verschiedenen Wettmärkten an mehr als prominenter Position, und kann nun mit Scheuklappen vielleicht sein großes Potential noch besser abrufen.

La Bague Au Roi: Die Stute, im Training bei Warren Greatrex, ist nun 10(!)fache Siegerin, nun seit vier Starts ungeschlagen, zuletzt in Ascot immerhin auf Gruppe 2-Ebene, wenn auch nur gegen das eigene Geschlecht. Siebenjährig erreicht die französisch gezogene Doctor Dino-Tochter nun endlich ihr volles Potenzial, und könnte in der Stayers Hurdle durchaus eine veritable Wahl sein. Greatrex, der dieses Rennen in 2015 mit Cole Harden gewann, ist voller Bewunderung für seinen Schützling;  auch sei die Stute nicht zwingend auf weichen Boden angewiesen.

Warren Greatrex schrieb zudem am vergangenen Wochenende sein eigenes Stück „Rennsportgeschichte“ , als der von ihm trainierte Boite bei seinem Sieg im südenglischen Taunton das erste Pferd im englischen Hindernissport war, welches nach einer sog. „Wind-Op“ (einer OP am Gaumensegel) die man nun bei einer Nennung zwingend angeben muss, ein Rennen gewann. Diese Operationen werden nun auch tatsächlich im Formenteil z.B. der Racing Post notiert.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch A Toi Phils (Trainer: Gordon Elliot Jockey: Jack Kennedy) Sieg in Thurles´ Kinloch Brae Chase (Gr.3, 2m4), in den allgegenwärtigen Gigginstown House Farben von Ryanair-Boss Michael O´Leary. In dessen interner Stall-Rangordnung wird der 8jährige Wallach sicher nicht ganz oben stehen, bei acht Siegen (davon vier auf Gr2-Ebene) fehlt immer noch einer der höchsten Kategorie. Doch der Wallach ist ein regelmäßiger Starter in großen Prüfungen auf der Insel,  und sicher einmal für eine Überraschung auf höchstem Niveau gut. Immerhin wurde die Kinloch Brae Chase im letzten Jahr von keinem geringeren als Sizing John gewonnen.

Jenseits der Rennbahn machte der tragisch frühe Tod des erst 40jährigen Trainers Richard Woollacott Mitte der Woche traurige Schlagzeilen. Erst im letzten Monat hatte der von ihm trainierte Beer Goggles als 410:10 Sieger der renommierten Long Distance Hurlde in Newbury von sich Reden gemacht, zuvor hatte der deutsch gezogenen Lalor (It´s Gino-Laviola v.Waky Nao) den 2017 Champion Bumper bei Aintree´s Grand National Meeting gewonnen. Beide Pferde wurden Richard Johnson gesteuert,  der auch für die am Samstag (27.01.18) anstehende Cleeve Hurdle auf Beer Goggles gebucht ist und hier zum erweiterten Favoritenkreis zählt. Der amtierende Champion-Jockey zeigte ob dieser engen Verbindung natürlich besonders betroffen; zumal er dem Stall immer eine gute Zukunft bescheinigt hatte und bessere Pferde begannen, Einzug zu halten.  Nun setzte der Freitod des Trainers all dem ein Ende und ließ Englands Rennsportgemeinde in großer Bestürzung zurück.

Catrin Nack

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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