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Goodbye Royal Ascot 2017

Die Godolphin-Trainer Saeed Bin Suroor und Charlie Appleby. www.galoppfoto.de

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 474 vom Donnerstag, 29.06.2017

 

Fünf Tage Galoppsport vom Feinsten,  30 Rennen – über hochklassige Handicaps, Listen- und Gruppe-Rennen zum nun schon traditionellen Abschlußrennen, den Queen Alexandra Stakes, welche trotz des schönen Namens ein „schlichtes“  Altersgewichtsrennen sind -, in denen insgesamt 508 blaublütig gezogene Vollblüter die Hoffnungen und Träume ihrer Besitzer trugen. Nicht für Royal Ascot Handicaps der unteren und untersten Klassen oder gar Maiden-Rennen;  der Start beim Meeting kommt einem Ritterschlag der Pferde gleich. 

Doch hat auch die jüngste Austragung des „berühmtesten Rennmeetings der Welt“ (so sieht es zumindest der britische Fernsehsender ITV) erneut gezeigt, dass es nicht unbedingt hochpreisigen Pferden, überhöhten Decktaxen und teuren Trainern bedarf, um auf das Siegertreppchen zu gelangen; auch wenn dies die Chancen natürlich durchaus erhöht. Bunt gemischt war die siegreiche Besitzer-Schar, allen voran natürlich die Supermächte des Sports, Coolmore und Godolphin, aber auch Besitzergemeinschaften mit streng genommen gar keinen eigenen Pferden, Rennclubs und „kleine Besitzer“ kamen zum Zuge, mit Pferden jeder Preisklasse. Nicht uninteressant auch, wer es 2017 gerade NICHT schaffte, einen Sieger so stellen; neben all der Vorbereitung, Planung und Anstrengung braucht man auch in Ascot das nötige Quäntchen Glück. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, und in keiner bestimmten Reihenfolge ein Rückblick auf das königliche Meeting jenseits der reinen Rennergebnisse.

1. Royal Ascot boomt. Auch wenn die Gesamtzahl der Besucher (293.791) marginal hinter dem Ergebnis von 2016 zurück blieb, so wurden zum dritten Mal innerhalb der letzen fünf Jahre mehr als 290.000 Besucher gezählt, dies bedeutet über die fünf Tage verteilt einen Durchschnitt (!) von mehr als 58.000 (!).Der Gold-Cup-Donnerstag hatte mit über 68.000 Zuschauern einen neuen Rekord-Wert, am letzten Tag strömten 71.572 Besucher durch die Tore.

Zum ersten Mal seit 100 Jahren wurde mit „The Village“  eine neue „Enclosure“ eingerichtet. Im Innenfeld gelegen,musste man pro Kopf 65 Pfund berappen (und lag somit am unteren Ende der Preisskala), dafür hatte man keinen Zugang zum Führring, durfte sich aber schick anziehen und sogar sein eigenes Essen mitbringen. Nicht alle waren happy: "Ich hatte dreckige Schuhe und stand wie auf einem umgepflügten Acker", so ein Besucher. Ein echtes Schnäppchen also.

2.  Godolphin lebt. Statistisch war die Organisation um Scheich Mohammed natürlich nie tot und stand mit einer großen Anzahl Siege auch den letzen Jahren stets an prominenter Stelle der englischen Besitzerstatistik. Gruppe1- oder gar klassische Siege sind aber seit Jahren selten geworden, vor allem aus den Ställen der hauseigenen Trainer Bin Suroor und Appleby. 13 Jahre ist es her, dass Godolphin ein „gutes“ Royal Ascot feiern konnte.

Seit Jahren rumort es im Gebälk. Schon vor dem Doping-Skandal um Mahmood Al Zarooni im Jahr 2013 lief vieles nicht mehr rund, die Strategie, Pferde in Dubai überwintern zu lassen, brachte nicht die erwünschten Ergebnisse. Viel ist geschehen in den letzten Jahren, wenn auch schleichend und eher still und leise. Neue Assistenztrainer und Stallpersonal, welches die eher emotionslosen Pferdeführer der vergangenen Jahre abgelöst hat, lässt endlich wieder eine größere Nähe zu den Rennpferden erkennen. Seit einiger Zeit ist es nun auch Usus, aus dem Training erworbene Pferde bei den jeweiligen Trainern zu lassen. Die Kündigung von Scheich Mohammeds rechter Hand John Ferguson, die man nur als direkte Folge eines Racingpost- Interviews mit Saeed bin Suroor sehen kann, ließ die Wellen Anfang Juni noch einmal richtig hochschlagen. Da war ein Treble am ersten Tag genau die richtige Antwort, und es war bedeutsam, dass die beiden Gruppe 1 - Sieger Ribchester (Trainer: Richard Fahey) und Barney Roy (Richard Hannon jun.) von „auswärtigen“ Trainern vorbereitet werden;  mit  Ribchester hat man zudem den momentan höchsteingeschätzen älteren Meiler Europas im Besitz.

Sechs Siege standen am Ende des Meetings zu Buche, davon zwei für Charlie Appleby; Saeed bin Suroor stellt mit Benbatl immerhin einen Gruppe-Sieger. Streng nach Zahlen war Godolphin sogar der erfolgreichste Besitzer des Meetings, allerdings wurden die Pferde Aidan O´Briens nicht unter dem Namen Coolmore, sondern Tabor/Magnier/Smith - je nach Rennfarbe in unterschiedlicher Reihenfolge - geführt: Akkumuliert gewannen die drei unterschiedlichen Farben 1.449.446 Pfund im Gegensatz zu Godolphins 1.260.912 Pfund. Die Supermächte des Sports agieren wieder auf Augenhöhe.

3. Aidan O´Brien - der Rest nirgendwo. 1.632.733 Pfund galoppierten seine Schützlinge ein, je sechs Sieger und sechs zweitplatzierte Pferde, mit Caravaggio, Highland Reel und Winter hatte der Stall drei Gruppe 1 - Sieger. Zum zweiten Mal nach 2007 gelang es O´Brien zudem, in einem Gruppe1-Rennen die drei Erstplatzierten zu stellen (Winter-Roly Poly-Hydrangea in den Coronation Stakes). Auf Platz Zwei der Trainer-Statistik im Übrigen Richard Fahey, mit 405.181 Pfund.

4. 21 unterschiedlichen Trainern gelang es, mindestens ein Rennen zu gewinnen. Unter den Trainern, denen ist in diesem Jahr nicht gelang, ist der prominenteste Name mit Sicherheit Sir Michael Stoute, der nur einen weiteren Sieg benötigt hätte, um zum erfolgreichsten Royal Ascot-Trainer aller Zeiten zu werden; leider musste er Rennen um Rennen zuschauen, wie ein hocheingeschätzter Schützling nach dem anderen seinen Kopf nicht in Front bringen konnte. Die denkbar knappe Niederlage der Frankel-Tochter Mori in den Ribblesdale Stakes wird dabei besonders geschmerzt haben. Selbst nachdem Stoute dem öffentlichen Fernsehen weitere Interviews verweigerte (auch Spitzentrainer sind abergläubisch), war das Blatt nicht mehr zu wenden.

Weitere große Namen ohne einen 2017er Sieger waren William Haggas, Ralph Beckett, Charlie Hills oder Brian Meehan, O´Briens Sohn Joseph konnte gar nicht einmal ein platziertes Pferd stellen. Auch bei den Besitzern gingen einige große und sehr große Namen leer aus, allen voran die Queen, die dem Vernehmen nach die Daten dieses Meetings als allererstes in ihren Terminkalender schreibt und der man in England einen Sieger gerade während dieses Meetings besonders wünscht. Ryan Moore hatte in den Hardwicke Stakes  sogar extra seine Verpflichtung für den O`Brien-Stall gelöst, um in den königlichen Farben in den Sattel von Dartmouth zu steigen.  Auch Hamdan al Maktoum, Khalid Abdullahs Juddmonte Farm oder der Royal Ascot Racing Club konnten keinen Sieger vom Geläuf führen.

5. Royal Ascot ist international; aber es geht noch besser. Amerikanische, englische, irische und französische Sieger, es fehlen zur Gänze die Australier oder gar japanische Pferde. Auch Deutschland war vertreten, Markus Münchs Spectre lief hinter Ribchester auf Platz 4 ein ganz famoses Rennen, während  Savile Row nie ernsthaft im Rennen war. Verlass ist auf die deutsche Zucht, die mit dem unverwüstlichen Oriental Fox im allerletzten Rennen des Meetings punkten konnte. Nach 2015 gewann der nunmehr neunjährige, vom Gestüt Auenquelle aus einer Big Shuffle-Mutter gezogene Lomitas-Sohn in den Farben des Schweizers Markus Gräff erneut die Queen Alexandra Stakes, ein mit fast 50.000 Pfund für den Sieger durchaus lukratives  Altersgewichtsrennen. Es war beim 51. Start der insgesamt sechste Sieg des Fuchs-Wallachs, der seine Rennlaufbahn im Jahr 2010 bei Uwe Ostmann begonnen hatte und über Carmen Bocskai im Jahr 1013 den Weg ins nordenglische Yorkshire in die Obhut von Mark Johnston fand. Dies war erst sein dritter Start in diesem Jahr, für Johnston eine ungewöhnlich zurückhaltende Vorbereitung. 

6. Junge Sprinter an die Macht. Drei zur Gruppe 1 zählende Sprintrennen werden während des königlichen Meetings gelaufen: die King´s  Stand Stakes (5f - 1000m) für 3j. und ältere Pferde, der Commonwealth Cup (6f -1200m)  für ausschließlich 3j. Pferde und die Diamond Jubilee (ehem. Cork and Orrey) Stakes (6f-1200m) für 4j. und ältere Pferde.  Die 3j. Lady Aurelia  zeigte im erstgenannten Rennen eine Demonstration reinstem Speed; der Commonwealth Cup war für viele gar DAS Rennen des Meetings. Drei hochklassige Hengste machten das Rennen unter sich aus:  Godolphins Harry Angel, der vom Start weg einen flotten Takt setzte und seinen Stall- (aber nicht Trainingsgefährten!) Blue Point sicher in Schach hielt, dem unwiderstehlichen Endspeed von Coolmore´s Caravaggio nichts mehr entgegen zu setzten hatte. „Ich hatte noch nie ein Pferd, das so schnell ist", bekannte ein ebenfalls atemloser O`Brien, „wir haben ihn auf den Galopps mit 45mph gestoppt, dies hat noch kein Pferd geschafft.“

Einem irischen Trainerkollegen soll O`Brien gar anvertraut haben, dass Caravaggio das beste Pferd sei, welches er je trainiert habe. Mit Superlativen hat der Champion-Trainer im Bezug auf seine Pferde allerdings noch nie gespart.  Nach Jahren, in denen die Sprint-Division einen echten Star á la Lochsong, Dayjur, Moorstyle oder Sharpo bitter vermissen ließ (bei allem Respekt vor einem Sole Power),  scheint nun eine ungewöhnlich talentierte Generation junger Sprinter heranzureifen - long may it continue.

7. Erfolgreichster Vererber des Meetings wurde, wie sollte es anders sein, Galileo, dessen Nachkommen rund 1,3 Millionen Pfund eingaloppierten. Auf Platz zwei der bereits abgetretene Scat Daddy, der sogar vier Sieger zu Galileos drei stellte, jedoch mit geringerer Gesamt-Gewinnsumme. Der frühe Tod des Johannisburg-Sohnes ist ein herber Verlust für Coolmore und die Vollblutzucht allgemein, so ist er u.a. Vater der bereits erwähnten Lady Aurelia und Caravaggio.  Frankel, dessen erster Jahrgang nun dreijährig ist und nach wie vor mit Argusaugen beobachtet wird, fehlt nach wie vor ein einheimischer Gruppe 1- oder gar klassischer Sieger (was ihm in Japan mit Soul Stirring bereits gelang).  Einem seiner Nachkommen gelang es zu siegen: Godolphins Atty Persse, (Trainer Roger Charlton), der die zur Handicap-Klasse zählenden King George V Stakes gewann.  

8. Auch mütterlicherseits sah man während der fünf Renntage feinstes Blut, Nachkommen  der Peeping Fawn, Meow, Airwave & Co. Während man dies bei Coolmore und Godolphin inzwischen mehr oder weniger erwartet, finden sich zwei absolut legendäre Stuten als jeweils dritte Mutter bei Pferden wieder, bei denen man solch edle Abstammung auf den ersten Blick nicht unbedingt erwartet hätte: Der Kult-Wallach Big Orange, frisch gebackener Gold Cup-Sieger, ist ein Ur-Enkel der Al Bahathri, u.a. Irish 1000 Guineas Siegerin, zu deren Ehren ihr Besitzer Hamdan al Maktoum eigens eine Trainingsbahn in Newmarket benannte, welche auch heute noch als Al Bahathri -Galopp bekannt ist.

Der von John Gosden trainierte Sea The Stars -Sohn Stradivarius dagegen führt als 3. Mutter die legendäre Rennstute Pawneese im Pedigree, die in den 70ger Jahren sechs Gruppe-Siege incl. der englischen und französischen Oaks und den King George Diamond Stakes  in Folge erlief. Dies ist im Übrigen die Familie des hierzulande besten bekannten Persian Storm, Stradivarius´ Mutter Private Life befand sich einige Zeit im Besitz von Dr. Berglar. Unter dem neuen Besitzer Björn Nielsen, in dessen Farben Stradivarius läuft, könnte die Familie nun eine klassische Renaissance erleben;  der Fuchs-Hengst steht nach seinem Erfolg in der Queen´s Vase an prominenter Stelle im Wettmarkt für das St. Leger.

Mit Highland Reel und Idaho stellte die das australische Suffix tragende Stute Hveger zwei Gruppe 1 –Sieger – und Vollbrüder noch dazu -  beim gleichen Meeting, sicher auch kein alltägliches Vorkommen.

9.  Handicaps. Kein Tag vergeht während Royal Ascot, ohne das nicht mindestens ein Handicap gelaufen wird.  Aber nicht irgendeines. Die sog. Heritage- Handicaps haben in England Traditionen, welche z.T. die Gruppe-Rennen in den Schatten stellen, und weisen durch die Bank eine stattliche Siegbörse aus: von mindestens 45.368 Pfund bis zu 108.937,50 Pfund reicht die Dotierung (für den Sieger, versteht sich); und echte Wettrennen sind sie mit häufig rund 30 Startern noch dazu. Nur zwei Sieger notierten unter 10:1 ansonsten wurden die Wetträtsel mit Quoten von 20:1 und mehr belohnt. Gerade in diesen Rennen kamen einige „kleine“ Namen zum Zuge, es zeigte sich auch deutlich, dass mit einer punktgenauen Vorbereitung der „gemeine“ Handicapper auch während des königlichen Meetings zum Zuge kommen kann; keine Angst vor großen Namen, lautete die Devise. Während im Hindernis-Sport da auch hier angesprochene Nord-Süd–Gefälle der englischen Trainer immer auffälliger wird,  waren nordenglische Flachrenntrainer nicht nur ausgeprägt vertreten, sondern auch durchaus erfolgreich: Mit Richard Fahey, Mark Johnston, Tim Easterby und David O´Meara konnten sich immerhin vier Trainer behaupten.

Catrin Nack 

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