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Der Ebor-Sieg eines Nobodys

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 331 vom Donnerstag, 28.08.2014

Alles, was Beine hat, läuft im renommierten Ebor Handicap, in dem es um ein Preisgeld von €340.000 geht: Der 2014-er Sieger Mutual Regard sorgte mit seinem jungen Reiter Louis Steward dabei im großen Feld für eine faustdicke Überraschung. www.galoppfoto.de - John James ClarkAlles, was Beine hat, läuft im renommierten Ebor Handicap, in dem es um ein Preisgeld von €340.000 geht: Der 2014-er Sieger Mutual Regard sorgte mit seinem jungen Reiter Louis Steward dabei im großen Feld für eine faustdicke Überraschung. www.galoppfoto.de - John James ClarkErstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. So oder ähnlich muss man wohl das Ergebnis der Yorkshire Oaks beschreiben (wir berichteten bereits letzte Woche, beim Klick auf den Renntitel gibt es alle Infos), in denen die heiße Favoriten Taghrooda als 12:10 Favoritin geschlagen wurde. Sie war damit der erste Unter-Pari Favorit, der seit Beginn des Jahrtausends in einem englischen Gruppe I-Rennen nicht gewinnen konnte, ihre Niederlage überschattete gleichsam den Rest des Meetings.

Obwohl sich sowohl Trainer John Gosden als auch Jockey Paul Hanagan weigerten, nach Entschuldigungen zu suchen („Wir wurden von einem besseren Pferd geschlagen“), so konnten aufmerksame Besucher des Renntages durchaus bemerken, dass Taghrooda sowohl im Führring als auch auf der Bahn unkonzentrierter wirkte, mehrmals stolperte und einfach nicht „strahlte“, wie bei ihrem Sieg in Ascot. Mehr als ein einheimischer Fach-Journalist merkte an, dass es keinen „leichten“ King George gäbe, auch wenn die Stute diesen optisch so überlegen gewann, zumal auch der drittplatzierte Mukhadram bei seinem Start in York weit unter den Erwartungen blieb. Es war also wie so oft die "Magie O'Brien", der seinen Schützling Tapestry nach einem desaströsen Einstieg in Rennjahr 2014 zurück in Topform brachte, auch wenn O'Brien natürlich in gewohnter Manier die "lads at home" für den Formanstieg pries.

Die Nunthorpe Stakes, das Gruppe I-Rennen am 3. Tag des "Welcome to Yorkshire" Ebor Festivals (das gesamte Rennmeeting steht unter dem Patronat der Tourismus-Zentrale des Countys) gewann mit Sole Power dann aber der Favorit, ganze vier Jahre nach seinem ersten Erfolg (damals noch als 100-1 Außenseiter) in diesem Rennen. Trainer Eddie Lynam hat damit bisher alle Gruppe I Sprint-Rennen der Saison 2014 in England gewonnen, wahlweise mit Slade – oder eben Sole Power, die, zwar nicht verwandt, beide im Besitz von Sabina Power stehen, ihres Zeichens natürlich Mutter von Paddy Power, dem Buchmacher, der auch hierzulande mit seinen Werbe-Stunts sicher ein Begriff ist. Es fehlt in England seit Jahren ein echter Top-Sprinter vom Schlag eines Mozart oder Oasis Dream, ganz zu schweigen von einem Dayjur oder einerLochsong; die beiden irischen Pferde sind nun seit Jahren eine feste Größen der Szene.

Während Sole Power ein reiner 1000m-Spezialist ist und zur Einstellung seiner Bestform unbedingt guten Boden braucht, kommt Slade Power auch über 1200m klar, was beim Einsatz der Pferde natürlich ungemein praktisch ist. Nach den Nunthorpe Stakes bekannte Lynam, dass Sole Power aufgrund einer Pilz-Infektion runde 10 Tage vor dem Rennen nicht trainieren konnte („Mit diesem Infekt dürfen die Pferde nicht schwitzen“) und von Hand geführt wurde; dies macht die Bewertung der Form des Rennens nicht einfacher. Knappe zwei Längen trennten den Sieger vom Neuntplatzierten des Rennens, und wenn das Team um Stepper Point, der Zweiter wurde, auch stolz war, dass „wir näher denn je an Sole Power waren“, so bleibt die Tatsache bestehen, dass dieser nach beim besagten Trainingsstop und einem mehr als aufwendigen Rennverlauf trotzdem sehr sicher an seinen Gegner vorbeizog und trotz des geringen Abstands letztendlich überlegen gewann, während Stepper Point nach nun 19 Versuchen noch kein Gruppe-Rennen, egal welcher Couleur, gewinnen konnte, und auch der Drittplatzierte Exortionist bisher nur bis Gruppe III-Level erfolgreich war.

Auch das weitere Highlight der Freitags-Karte, der Lonsdale Cup ging nach Irland - wie überhaupt alle Hauptrennen des Ebor- Festivals  auf die grüne Insel gingen - hier gewann die 5jährige Stute Pale Mimosa aus der Talentschmiede von Dermot Weld. „Ich habe nur wenige Pfeile, und die müssen sitzen“ hatte Weld nicht erst einmal erkannt. Weld, nebenbei ein ausgebildeter Tierarzt, ist einer der Top-Trainer Irlands, und ein Trendsetter als solches, er war es, der 1990(!) als erster, und bis heute einziger,  europäischer Trainer einen amerikanischen Klassiker gewinnen konnte (Go and Go in den Belmont Stakes) und er war es vor allem, der den ersten europäischen Sieger des Melbourne Cup trainierte, mit Vintage Crop im Jahr 1993, als es für Ross und Reiter ganz und gar nicht selbstverständlich war, mal eben an das andere Ende der Welt zu jetten.

Damit nicht genug, Weld ist einer der wenigen aktiven Trainer, die ein Buch über eines ihrer Pferde schrieben, der schmale Band mit den schlichten Titel "Vintage Crop" ist Zeugnis seiner großen Intuition und vor allem seiner Zuneigung für dieses Pferd, natürlich unbedingt lesenswert. Weld wiederholte seinen Melbourne Coup im Jahr 2002 mit Media Puzzle (der in dem oben genannten Buch auch Erwähnung findet), und wenn zwischenzeitlich auch anderen europäischen Trainern "Down Under" triumphieren konnten, so ist die Zahl derer, die es versuchten und gescheitert sind, doch ungleich größer und Gradmesser für die Enormität dieser Leistung.

Pale Mimosa schlug in York immerhin eine Estimate, die nach ihrem Goodwood-Flop wieder eine ansprechende Form zeigte und nun selber gen Melbourne reisen könnte. Die Lonsdale Form war dann auch eine Art Gradmesser für das Signatur-Rennen des Meetings, das Ebor Handicap, auch wenn der Sieger Mutual Regard trotz seiner guten Form zu Pale Mimosa als Außenseiter an den Start kam. Aber der Reihe nach: Das Ebor-Handicap, in diesem Jahr mit 265.000 Pfund dotiert und damit zur Zeit das höchstdotierte Handicap Europas, führt über 2816 Meter, sein Name leitet sich im Übrigen vom Wort „Eboracum“, dem römischen Namen der Stadt York, ab. Es ist in der Natur eines jeden Handicaps, dass der Sieger nicht ganz so einfach vorherzusagen ist, und wenn Sieger mit hohen Quoten in Gruppe-Rennen insgesamt doch eher die Ausnahme sind, so sind sie in Handicaps durchaus nicht selten, schließlich wird durch die Gewichte ein Leistungsausgleich gewünscht und erzielt. Die Herausforderung für den Trainer ist es, gerade in diesen Top-Handicaps mit passend günstigem Gewicht anzutreten.

Sorgten für die Überraschung: Das höchst dotierte Handicap Europas gewinnt der Außenseiter Mutual Regard (Louis Steward) vor Van Percy und Elidor. www.galoppfoto.de - John James ClarkSorgten für die Überraschung: Das höchst dotierte Handicap Europas gewinnt der Außenseiter Mutual Regard (Louis Steward) vor Van Percy und Elidor. www.galoppfoto.de - John James ClarkKaum ein Trainer wird dabei so gefürchtet wie Sir Mark Prescott, der im Ruf steht, seine Pferde besonders gezielt an ihre Aufgaben heranzuführen. Kaum ein Jahr vergeht, in dem nicht ein weiterer Schützling aus seinem Stall eines der "talking horses" eines großen Handicaps ist;  auch wenn sein letzter Sieger im Ebor Handicap aus dem Jahr 1994 (mit Hasten to Add) stammt, so kam dieser als Favorit, auf den das Geld in Strömen geflossen war, an den Ablauf, und die Buchmacher denken mit Schaudern daran zurück. Was allerdings Pferden wie Foreign Affairs, Motivado oder Pasternak schon nicht gelang, sollte in diesem Jahr nun Pallasator richten, ein fünfjährige Wallach von Motivator, den die neue Macht im Rennsport, Qatar Racing, vor einigen Monaten eigens für dieses Rennen erworben hatte. „Wir wissen erst, welch tolle Arbeit Michael Bell mit Motivator, oder tatsächlich John Hammond mit Montjeu, geleistet haben, seit wir selber ein Pferd mit dieser Abstammung trainieren müssen“, bekannte ein noch bestens aufgelegter Sir Mark in der "Morning Line", einer Rennsport-Fachsendung im englischen Fernsehen. „Pallasator ist nicht einfach und eine wahre Herausforderung“.

Was genau Prescott damit meinte, wurde im Führring vor dem Rennen dann sofort klar, als Pallastor – bereits gesattelt – in den Pre-Paradering stürmte, dann in den Führring wechselte,  hier meistens vor sich hin trabte und schwitzte, wie man kaum jemals ein Pferd hat schwitzen sehen. Es war kein warmer Tag, aber es lief dem Wallach das Wasser buchstäblich vom ganzen Körper. Das konnte kein gutes Zeichen sein. Ironischer Weise wurde der Tag für Prescott dann noch schlimmer; nicht nur gelang es Pallasator nicht, das Höchstgewicht, und das Gewicht der Wetten auf ihn (aus einer zugegeben sehr schlechten Startbox) zum Sieg zu tragen - es reichte zu einem ehrenvollen, aber nie wirklich gefährlichem vierten Platz, mit den Sieger Mutual Regard (Trainer Johnny Murtagh, Jockey Louis Steward) gewann auch noch ein ehemaliger Schützling aus seinem Stall, der erst im letzten Jahr über die Auktion in Newmarket in den Besitz von Andrew Tinkler, der viele seine Schützlinge nunmehr in Irland trainieren lässt, gelangte.  

Cooler Sieg für einen 19-jährigen Auszubildenden, den noch nicht einmal der Trainer von Mutual Regard vorher kannte: Louis Steward hat im höchst dotierten Handicap Europas alle überrascht. www.galoppfoto.de - John James ClarkCooler Sieg für einen 19-jährigen Auszubildenden, den noch nicht einmal der Trainer von Mutual Regard vorher kannte: Louis Steward hat im höchst dotierten Handicap Europas alle überrascht. www.galoppfoto.de - John James Clark„Ich habe vorher noch nie von diesem Louis Steward gehört“ bekannte Murtagh nach dem Rennen, welches er selber als Jockey nie gewinnen konnte, „der Besitzer kennt sich mit Statistiken aus, und hat ihn vorgeschlagen, da unser Auszubildender gesperrt ist. Meine irischen Quellen haben dann gesagt, Louis sei ein cooler Charakter. Jetzt kann ich auch sagen, er ist ein super Typ.“ Steward, 19 Jahre und wie ein Fünf-Pfund Erlaubnisreiter, ist Auszubildender am Stall von Michael Bell, sein größter Fan ist – nun nach Johnny Murtagh – sein Großvater. „Mein Großvater unterstützt mich in allem verfolgt meine Karriere mit viel Interesse. Er hat mich heute auch nach York gefahren. Ich bin fast umgefallen, als am Sonntag der Anruf kam, dass ich für Mr. Murtagh im Ebor Handicap reiten solle. Ich habe das Rennen bestimmt 1000 im Kopf geritten, und ein ganz wenig habe ich angefangen zu träumen, und zu denken:“Was wäre, wenn …“  Ich kann es noch immer nicht fassen, hier gewonnen zu haben“ so ein natürlich überwältigter Steward, der zum "Dank" nach dem Rennen – zusammen mit Murtagh - die berüchtigte Ice Bucket Challenge über sich ergehen  lassen musste. So eiskalt wie das Wasser war vorher auch der Ritt von Steward, der seinem Schützling nach gutem Start ein perfektes Rennen aus dem Vordertreffen servierte. Auch wenn Mutual Regard bei seinem Vorstoß nicht ganz gerade blieb, so gewann er doch am Ende sehr leicht. Seine weitere Laufbahn wie auch die seines jungen Reiters dürfte genau beobachtet werden.

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