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Cheltenham - Das Comeback des Sprinter Sacre

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 409 vom Donnerstag, 17.03.2016

Der Hindernissport ist nichts für Feiglinge. Es ist ein schneller Sport, ein harter Sport, mit all den Risiken, die sich ergeben, wenn große Pferde zusammen mit ihren Reitern in verwegenem Tempo über Hindernisse stürmen. Es ist, so schrieb ein englischer Journalist einmal, immer auch ein Pakt mit dem Teufel, die Triumphe so süß, aber die unvermeidlichen Verletzungen, zum Teil mit tragischen Konsequenzen, dafür umso schwerer zu tragen. Wie in jedem Jahr versprach auch die 2016er Ausgabe des Cheltenham-Festivals viel, und erneut lieferte es noch viel mehr.

Ein jeder Starter kommt mit seiner ganz eigenen Geschichte, sein Team mit ganz eigenen Träumen; am Ende sind es Pferd und Jockey allein, die in der gnadenlosen Arena der Rennbahn den Kampf ausfechten müssen. Heutzutage sind es auch im in diesem Metier  große Namen, die den Sport beherrschen, vorbei die Zeiten, in denen einige Farmer sich mit der noblen Landbevölkerung um die Siege stritten.

Wenige große Trainer beherrschen  die Szene, die Besitzer reiche Geschäftsleute, Banker gar, die trotz der häufig so unwirtlichen Bedingungen der rauen Seele des National Hunt-Sports verfallen sind, der wie kein anderer Sport gibt und nimmt, und wenn die Siegbörsen sich inzwischen gestiegen sind, so sind die finanziellen Anreize doch ungleich niedriger, als Wallache stellen die allermeisten Springpferde auch keinen züchterischen Wert dar.

Während jedoch auf der Flachen erfolgreiche Pferde kaum je Gelegenheit erhalten, sich über lange Jahre mit Ihresgleichen zu messen, so ist dies im Hindernissport zumeist die Regel. Nichts, aber auch gar nichts ist mit der Atmosphäre auf einer großen Rennbahn vergleichbar, auf der ein kundiges Publikum ein Pferd,  welches den Zenit seiner Laufbahn anscheinend schon überschritten hatte, zurück zur Siegerehrung jubelt, feiert, applaudiert, mit Tränen der Freude und der Erleichterung. „They never come back“ lautet ein altes Sprichwort des Turfs, und in der Tat ist es selten, das ein Titan des Sport im zweistelligen Alter, vor allen nach einer schweren Erkrankung, noch einmal zurückkommt an die Spitze, noch einmal ein wahrer Champion wird.

Doch manchmal werden ab und an auch die kühnsten Träume wahr, einem Märchen gleich. Ein solcher Moment geschah am Mittwoch auf der Rennbahn im Prestbury Park, und wenn der erste Tag hochklassigen Sport mit u.a. einem Treble von Trainer Willie Mullins brachte, darunter die Champion Hurdle, so war der Sieg von Sprinter Sacre in der Champion Chase der vorzeitige, nicht zu übertreffende emotionale Höhepunkt des Meetings. Es war die Rückkehr eines Pferdes, welches nach einer Herzerkrankung nicht mehr der „Alte“ schien, dessen langsamer Aufstieg zurück zur Spitze -argwöhnisch bewacht von Presse und Fans-, die Rennsportfans in ihren Bann gezogen hatte.

Von der unfehlbaren „Maschine“ war Sprinter Sacre ein Pferd mit Makeln geworden, der sich „the hard way“ hatte zurück kämpfen müssen, und nichts liebt das Publikum so sehr wie einen Kämpfer. Mit Un de Sceaux hatte das Rennen einen kochend heißen Favoriten, doch der „Roar“, der sich erhob, als der mächtige schwarze Sprinter Sacre am vorletzten Sprung gen Spitze strebte, zeigte deutlich, dass auch all das Geld nicht über die Herzen der Massen herrschen kann.

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Mit dem Sieg von Sprinter Sacre, der in diesem Jahr mit Nicky Henderson´s inoffiziellem Stalljockey Nico de Boinville einen neuen Reiter hat, schlossen sich viele Kreise: Nicht nur die wiedererlangte Krone  volle drei Jahre nach seinem letzten Sieg in diesem Rennen, welches er in 2014 auslassen musste und in welchem er im letzen Jahr angehalten wurde, nicht nur ein weiteren Festival-Sieg für seinen Jockey, der vor Kurzem seine Mutter verloren hatte, nicht die immense Bedeutung des Pferdes für Besitzerin Caroline Mould, die ihn von ihrem Mann Raymond, einem der loyalsten Besitzer in Seven Barrows, nach dessen Tod geerbt hatte.

Es war vor allem dieser Sprinter Sacre, durch den der Name seines damaligen Arbeitsreiters de Boinville erst seine Qualität bekam, „heute habe ich immer weniger Zeit, ihn in der Arbeit zu reiten, aber ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“ Und es war nicht nur ein emotionaler, zu Tränen gerührter Trainer Nicky Henderson, der die Enormität des Augenblicks zu begreifen versuchte, es waren die Hochachtung und der Respekt der besiegten Trainer, allen voran den Platzierten Willie Mullins und Henry de Bromhead, die den Szenen eine besondere Prägnanz verliehen, sowie ein Publikum, dass seinem wiedererstarkten Helden einen Empfang nach Maß bereitete, „three  Cheers“ für Trainer und für Sprinter Sacre, der hocherhobenen Hauptes zwischen seinen Betreuern stand und die Glückwünsche, ja die Verehrung seiner Fans, voller Würde entgegennahm. 

 Und während Team Henderson nach Festival-Sieg Nr. zwei auf Wolke Sieben schwebte, lief nicht mehr alles rund für Team Willie Mullins, dabei hatte es so gut begonnen:  drei Siegen an Tag Eins, davon mit Douvan in der Arkle Chase (Gr. 1 Novice Chase, 2m) und mit Annie Power in der Champion Hurdle (Gr1. Hurdle, 2m) in den Hauptrennen des Tages, folgte allerdings „nur“ ein Sieg am zweiten Tag.

Es sind Sätze wie diese, begleitet von Zahlen wie 60 (Starter an den vier Tagen), 225 (abgegebene Nennungen für das Festival) oder 197.233 (€, Gesamtkosten der Nennungen), die die Dimensionen, die die Operation des Trainers in Closutton inzwischen angenommen haben, nur annähernd erfassen. Zusammen mit Ruby Walsh, der inzwischen beinahe exklusiv für Mullins in den Sattel steigt, scheint es bei Mullins während Cheltenham schon lange nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch um das „wie viel“ bezüglich des Siegens zu gehen; während hunderte kleiner Trainer jahrelang hoffen, überhaupt jemals ein Pferd zu haben, welches gut genug für Cheltenham sein könnte, werden Siege von Mullins geradezu vorausgesetzt. 

Fast einem Omen gleich musste sich Mullins-Starter und Favorit Min im allerersten Rennen des Meetings (traditionell die Supreme Novice Hurdle, Gr.1, 2m)  dem von Nicky Henderson trainierten Altior geschlagen geben; danach lieft erst einmal alles nach Plan: einem überragenden Douvan, dem ersten Pferd seit über 40 Jahren, dem nach einem Sieg in der Supreme Novice Hurdle ein Sieg in der Arkle Chase gelang, folgte Annie Power, jene auch hier schon oft besprochene Shirocco-Tochter aus alter Röttgener Zucht, die, ursprünglich gar nicht genannt, als Ersatz-„Frau“ für die ausgefallenen Faugheen und Artic Fire im wahrsten Sinne ein-sprang und nach einem Meisterritt von der Spitze aus nie ein anders Pferd sah und in neuem Bahnrekord gewann.

Es mag nach den erwähnten Ausfällen nicht die allerstärkste Ausgabe des Rennens gewesen sein, und doch war es der Erfolg einer echten Klasse-Stute, der ersten seit  22 Jahren, die unweigerlich Erinnerungen an die Wunderstute Dawn Run heraufbeschwor, nach wie vor das einzige Pferd, welches je sowohl die Champion Hurdle (in der sie u.a. einen gewissen Desert Orchid besiegte) und den Cheltenham Gold Cup gewann,  trainiert, wie könnte es anders sein, von Paddy Mullins, Willies Vater („Ich reite sie wie Dawn Run“ soll Ruby Walsh dem Vernehmen nach vor dem Rennen beschlossen haben).

So könnte dies tatsächlich die weitere Route von Annie Power sein, sich hier einmal ein weiterer Kreis schließen. „Sie hat meine Erwartungen mehr als übertroffen, es war eine Klasse-Leistung nach ihrer unkonventionellen Vorbereitung. Manche Leute sehen sie als Zuchtstute, aber ich behandle sie nach wie vor wie ein Rennpferd. Ihr stehen alle Türen offen, sie wurde als Chaser gekauft, und da sollte ihre Zukunft liegen“, so ihr Trainer.

Eine Anmerkung zu Douvan, einem selbst im mächtigen Mullins-Quartier beinahe schon wahnwitzig talentiertem Pferd, welches -  Gesundheit vorausgesetzt - im nächsten Jahr wahlweise in der Champion Hurdle, der Champion Chase oder im Gold Cup antreten könnte. Eine Entscheidung, die zumindest weitere Pfunde in die Nenngeld-Kasse spült, aber die Talente des Willie erneut herausfordern dürfte.

Douvan ist, seit er in Irland trainiert wird, ungeschlagen (die Spitzenpferde im Stall Mullins haben allesamt eine ungemein hohe Sieg-Rate, wohl auch dank der Vielzahl der Nennungen, der den Pferden viele Optionen lässt) , seine einzige Niederlage kam zu Beginn seiner Karriere im Mutterland Frankreich, wo er kurioserweise einem deutsch gezogenen Pferd namens König Dax unterlag. Dieser im Gestüt Elstetal gezogene Saddex-Sohn wechselte anschließend für viel Geld in den Stall von Donald McCain und  steht nun bei David Pipe, konnte aber bisher keine Bäume ausreißen.

Mit Vroum Vroum Mag folgte ein weiterer Sieg in der Mares´Hurdle (Gr.1, 2m3f), ein Rennen, welches bei bisher neun Austragungen achtmal von Willie Mullins gewonnen wurde, davon natürlich sechsmal mit der einzigartigen Quevega. Wie Annie Power ist Vroum Vroum Mag eine ungemein talentierte Stute: „ Wir wissen überhaupt nicht, wo ihre Grenzen liegen. Sie ist so ganz anders als Annie, die immer etwas hektisch und schwierig ist. ‚Mag‘  tut nur was nötig ist, jeder kann sie zuhause reiten, sie sieht aus wie ein Kutschpferd, und bewegt sich auch auf der Koppel kaum, aber auf der Rennbahn offenbart sie Qualitäten, von denen wir selbst nichts ahnen. Wir wissen einfach nicht, was sie kann, oder was sie nicht kann“, so ihr Trainer über seinen Schützling, die bemerkenswerter Weise auch neben der Mares´ Hurdle für die World Hurdle und die Ryanair Chase genannt war, klare Indikatoren für das Können der Stute, aber auch für die Bandbreite ihren vermuteten Talente. Bei der geballten Mullins-Power bleibt nicht ganz so viel Raum für andere Trainer, weitere Siege an Tag Eins gelangen David Pipe mit Un Temps Pour Tout (Ultima Handicap Chase, Gr3), Jonjo O´Neill mit Minella Rocco in der 4m National Hunt Chase und Ian Williams mit Ballyalton (Close Brothers Novices´ Handicap Chase, 2m5f) .

Tag Zwei brachte ein Doppel für Trainer Nigel Twiston Davies, der mit Blaklion in der RSA Chase (Gr.1, 3m1f)  punktete und mit Ballyandy den Champion Bumper gewann. Mit nur acht Starter war die RSA Chase in diesem Jahr nur ein kleines, aber feines Feld, leider wurde das Ergebnis durch die schwere Verletzung des Mitfavoriten No More Heroes, der anschließend leider nicht gerettet werden konnte,  und das Nasenbluten des Favoriten More of That mehr als beeinträchtigt.

Das Rennen ist sprichwörtlich der Gold Cup für die Novices, Vorjahressieger Don Poli tritt am heutigen Freitag mit sehr guten Chancen im Cheltenham Gold Cup an, auch wenn er nach Reiterwahl nur die zweite Farbe seines Besitzers Gigginstown Stud ist (hinter Don Cossack, für den sich Stalljockey Brian Cooper ganz aktuell entschied), anzumerken hier, dass Gigginstown bei all seinen Starter an den ersten beiden Tagen noch keinen Sieger stellen konnte.

Der erwähnte Sieger des Tages 2 für Team Mullins kam einleitenden Rennen des Tages, der Neptune Investment Hurdle (Gr.1, 2m5f), mit Graham und Andrea Wylie´s Yorkhill. Nach einem wahren Meisterritt von Ruby Walsh, der an der Innenseite förmlich an den Rails klebte, hatte der Presenting-Sohn, denen generell eine Vorliebe für guten Boden nachgesagt wird, im Ziel einen kleinen, aber entscheidenden Vorteil für Yanworth aus dem Alan-King-Quartier, einem DER Banker für das Team GB. Auf die Frage, was er nach der Niederlage nur vorhabe, konnte King nur mit einem „Erst einmal einen Drink nehmen“ antworten; wohl auch, weil er erst einmal den sehr aufwendigen Ritt von JP McManus´ Stalljockey Barry Geraghty verdauen musste.

Kurze Erwähnung muss auch das Cross-Country Rennen – normalerweise die Domäne des JP McManus -  finden, nach wie vor ein wahrer Publikumsmagnet, welches hier Gelegenheit hat, im Inneren der Bahn ganz nah am Geschehen zu sein.  Auch in diesem Rennen hätte es ein weiteres Märchen geben sollen, mit Balthazar King kam ein Pferd an den Start, welches nach einem Sturz im 2015 Grand National mit schweren Verletzungen dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen war. Leider reichte es nicht zu einem vollen Erfolg, mehr noch, Balthazar King kam sogar zu Fall, zum Glück aber unversehrt.

Ein anderer alter Haudegen in Form von Any Currency raufte sich zu einem vielumjubelten Sieg, 13 Jahre alt und ein regelmäßiger Starter in diesem Rennen, dies war sein fünfter Auftritt. Zuvor war er, jeweils mit viel Gewicht im Nacken, hier u.a. zweimal Zweiter geworden, einmal nur mit Nase geschlagen. In diesem Jahr wurde das Rennen erstmals nicht mehr als Handicap ausgetragen, ein nicht zu unterschätzender Vorteil, nun sprang auch endlich einen ersten Festival-Erfolg für den lokalen Trainer Martin Keighley heraus, der seinen Schützling  frenetisch anfeuerte. Für den hocherfreuter Jockey Aidan Coleman war nach langen sechs Jahren endlich der zweite Festival-Erfolg, „dies ist doch sowieso das wichtigste Rennen des Meetings, oder etwa nicht?“

Catrin Nack

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