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Cheltenham 2014 - die ersten drei Tage

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 307 vom Donnerstag, 13.03.2014

Als sich am Dienstag um 1:30 Uhr Ortszeit die Startbänder zum ersten Rennen des Meetings hoben und die Pferde gen erster Hürde stürmten, da stand nicht nur das Motto des Rennens, sondern gar des gesamten Meetings gleichsam fest: "fast & furious". Man hatte es ja nach den Regenfällen im Vorfeld kaum zu hoffen gewagt, doch nun hatte man den guten Boden, am ersten Tag noch verbunden mit dem Wort "weich", nun zu rundum gutem Boden abgetrocknet, ab Tag drei spricht die Rennbahnleitung sogar davon, zu wässern, um den "Status Quo" zu erhalten. Es ist ja nicht einmal eine Weisheit, dass schneller Boden schnelle Rennen bedeutet – und die Rekorde begannen auch direkt zu purzeln, schnellste Supreme Novice Hurdle, schnellste Champion Hurdle, bis angemerkt wurde, dass auch der Modus der Zeitmessung leicht verändert wurde;  aber schnelle Rennen bedeuten häufig auch vermehrte Stürze, und diese Entwicklung war auch zu Cheltenham 2014 nicht von der Hand zu weisen.

Die Supreme Novice Hurdle, auf dem Papier vor allem der Zeitkampf zwischen dem deutsch gezogenen Irving (Paul Nicholls/ Nick Schofield) und dem französisch gezogenen Iren Vautour (Willie Mullins/Ruby Walsh), wurde dies auf dem Rasen leider nicht. Ruby Walsh, sicherlich der herausragende Jockey seiner Generation, übernahm mit seinem willigen Partner direkt das Kommando, der drahtige, optisch gar nicht einmal so beeindruckende Wallach sprang sicher und flüssig von Hürde zu Hürde und konnte sich im Einlauf beinahe nach Belieben von seinen Gegnern verabschieden.

Ein Einstand nach Maß für Team Mullins, das mit rund 40 Pferden sein bisher kopfstärkstes Kontingent zum Meeting befördert, und auch Besitzer Rich Ricci konnte sich keinen besseren Start zum Meeting wünschen. Platz zwei und drei belegten das von Nicky Henderson trainierte Duo Josses Hill und Vaniteux, Irving wurde enttäuschender Neunter und war nie wirklich im Rennen. „So geht das halt in Cheltenham, er kam nicht nach vorne und hatte dann nie eine Chance, ins Rennen zu kommen. Aber ich habe meinen Glauben an ihn nicht verloren, er ist besser als dieses Ergebnis", so Paul Nicholls.

In der Arkle Chase schienen Mullins und Walsh mit dem zweifachen Festival Sieger Champagne Fever erneut das Ass in der Hand zu haben, es sollte anders kommen. Champagne Fever, ein bildschöner Schimmel und gemeinsam mit Trifolium hier als Co-Favorit am Start, sprang zwar in dieser Zwei-Meilen-Prüfung für den Nachwuchs sicher und fehlerfrei von Sprung zu Sprung, er konnte sich jedoch nie so richtig lösen, und vor allem die hellblauen Farben von Roger Brookhouse, getragen von Tom Scudamore auf dem 33-1 Außenseiter Western Warhorse, waren immer im Bilde, der mächtige Wallach, war am letzen Sprung zur Stelle und kämpft in einem dramatischen Finish Champagne Fever nieder, der wirklich überall, nur nicht auf der Linie, geführt hatte.

Angesichts der Überraschung seiner Umgebung erschien die hohe Siegquote allerdings wie Diebstahl, Trainer David Pipe bekannte freimütig: "Ich habe die letzten zwei Wochen damit verbracht, den Besitzer zu überzeugen, hier nicht zu laufen. Ich hatte eher an ein Handicap gedacht. Wie gut, dass Roger sich nicht überzeugen ließ. Er (Western Warhorse) ist ein gutes Pferd, aber er macht alles, wie er es will. Das schwierigste ist erst einmal, den Reiter draufzubekommen und beide zusammen zum Start zu bringen [Western Warhorse hatte beim Christmas Meeting im Kempton Scudamore noch vor dem Start abgeworfen und war dann minutenlang um die Bahn galoppiert, danach natürlich Nichtstarter, einige Tage später hatte er eine kleine Prüfung in Doncaster gewonnen und lief hier erstmals mit einer Kapuze (Hood) ], wenn er erst einmal läuft, ist er durchaus willig. Er stammt von Westerner ab, einigen seiner Nachkommen sind so." Besitzer Roger Brookhouse  ist ein durchaus langjähriger Besitzer mit diversen Pferden bei unterschiedlichen Trainern (die meisten aber bei Pipe und Hobbs), hat aber vor allem in den letzten Jahren kräftig aufgerüstet.

Die Champion Hurdle war an gutem wie schlechtem Drama leider nicht zu überbieten, als an der dritten Hürde der vorjährige Triumph Hurdle-Sieger Our Conor so unglücklich fiel, dass er trotz aller Bemühungen der Tierärzte nicht gerettet werden konnte. Der Sturz beendete auch alle Chancen von The New One, der Our Conor nicht mehr hatte ausweichen können und damit in eine hoffnungslose Position zurückfiel. Das Finish machten zwei Pferde von JP McManus unter sich aus, Jezki (Jessica Harrington/Barry Geraghty) und My Tent or Yours (Nicky Henderson/AP McCoy), am Ende hatte der als 9-1 Chance ins Rennen gegangene Jezki die Nase vorne, ein historisches Ergebnis, noch nie in der Geschichte des Rennens hatte ein Besitzer die beiden Erstplatzierten gestellt.

Für den Favoriten Hurricane Fly, der versuchte, hier seine drittes Champion Hurdle zu gewinnen, reichte es nur vor Rang vier, nachdem The New One aus seiner unmöglicher Position noch angeflogen kam. "Dies war nicht der Hurricane Fly, wie ich ihn kenne", so ein enttäuschter Walsh, "auf halber Strecke stagnierte er („he faltered“ sagte Walsh), und ein echter Hurricane Fly stagniert nicht." Barry Geraghty, dessen Karriere gleichsam auf dem von Harrington trainierten Moscow Flyer begonnen hatte („Ich reite für Jessica, seit ich 17 oder 18 war“) machte quasi eine Zeitreise zu den Anfängen, Harrington betonte, wie sehr der gute Boden und die erstmals getragene Kapuze dem Pferd geholfen hatte, während JP McManus im direkten Sieg-Interview einmal mehr unter Beweis stellte, warum er eine der beliebtesten Persönlichkeiten des Sports ist: "Wir freuen uns sehr, aber unsere Gedanken sind anderswo; bei Johnny Harrington [Jessicas Ehemann], der nicht gesund genug ist, um hier zu sein. Wir hoffen, er kann im nächsten Jahr wieder hier sein. Wir denken an AP [der sozusagen das „falsche“ Pferd ritt und dessen sieben Monate alter Sohn Anfang der Woche operiert werden musste], der hier eine so schwierige Entscheidung treffen musste, er hat immer gesagt, wie wenig zwischen beiden Pferden liegt, und  uns genau erzählt, wie Jezki zu reiten ist. Und wir denken an das Team um Our Conor [der zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Geläuf behandelt wurde]. Dies ist so traurig."

 

Dann jedoch betrat Quevega, die Queen von Cheltenham das Geläuf, und erneut hatte die Stute das Skript gelesen, und wenn die Gegner ihr auch im OLBG Mares Hurdle näher als jemals zuvor kamen und sie sich mehr denn je strecken musste, so gewann sie, schrieb Geschichte und ist das einzige Pferd, das unglaubliche sechs Mal in Folge „ihr“ Rennen in Cheltenham gewinnen konnte. "Sie ist eine missmutige alte Kuh zuhause“ hatte Ruby Walsh vor Wochenfrist in einem Interview bekannt, "ihr Pfleger liebt sie, aber sie tritt ihn, drückt ihn gegen die Wand, versucht in zu beißen, alles, was ihr einfällt, aber er bewundert den Boden, den sie betritt und sagt ihr immer nur, dass er sie liebt. Sie wird wahrlich wie eine Prinzessin behandelt." Trainer Willie Mullins, der die Stute, wie sein Sieger am Vortag Vautour französisch von Robin des Champs gezogen, nur äußerst sporadisch einsetzt (auch hier war die Stute Saisondebütant) betonte erneut, welch Teamwork hinter dem Sieg steckte, und welch Anteil sein Hufschmied am Erfolg habe: "Er hat uns ganz zu Beginn ihrer Karriere einen Plan gemacht, wie sie zu laufen hat und zu trainieren ist, und daran halten wir uns religiös. Sein Anteil an ihrem Erfolg ist kaum messbar."

Tag Zwei begann, wie auch Tag Eins begonnen hatte,  mit einem Erfolg von Team Mullins-Walsh-Ricci, diesmal in Form des beinahe schon unheimlich talentierten Faugheen, einem Sohn des hierzulande bestens bekannten Germany, der nun bei fünf Starts ungeschlagen ist. Gleichsam am Gebiss canterte er hier ein wirklich hochklassiges Feld ab und ist ein Pferd mit einer ganz großen Zukunft.

Die RSA Chase, der „Gold Cup“ für den Nachwuchs, ging erneut an einen Außenseiter, 12-1 zahlte O'Faolains Boy (Rebecca Curtis/Barry Geraghty), der in einem ereignisreichen Rennen mit diversen Stürzen in einem erneut hauchdünnen Finish gegen den Mitfavoriten Smad Place (Alan King/Robert Thornton) und Morning Assembly (Pat Fahy/Davy Russell) die Oberhand behielt.

Nicky Henderson stellte seinen ersten Sieger des 2014er Meetings in Form von Whisper in einem mega-stark besetzen Coral Cup, als der von Sprinter Sacres Arbeitsreiter Nico de Boinville gerittene Wallach AP McCoy und Get Me out of Here in einer enorm knappen Ankunft auf Platz zwei verwies; noch wurde es nichts mit dem ersten Sieg des Champion-Jockeys.

Nach dem Ausfall von Sprinter Sacre hatte die Sprint-Division der Chaser in dieser Saison ganz im Zeichen des von Gary Moore trainierten Sire de Grugy gestanden, im Besitz einer Gemeinschaft, die sich Preston Family and Friends nennt. Dahinter verbirgt sich auch eine der Geschichten der Saison: „Vater“ Preston, ein lebenslanger Rennsport-Fan, der seine Söhne zu unzähligen Meetings geschleppt hatte und immer von einem eigenen Pferd träumte, hatte von diesen einiges Geld zu seinem 50. Geburtstag bekommen, mit der Auflage, es nur für ein Pferd oder den Anteil an einem solchen auszugeben. „Ich habe dann alle möglichen Trainer angerufen mit der Anfrage, dass ich ein Pferd kaufen möchte, sie (die Trainer) sich aber daran beteiligen sollten. Ich dachte, nur so kann ich sicher sein, dass sie das Pferd auch wirklich mögen und sich richtig bemühen. Aber nur ein Trainer hat nicht sofort aufgelegt, und das war Gary Moore.“ Moore, Vater der Jockeys RyanJamie und Joshua (Tochter Hayley reitet, ist Bahn-Kommentatorin und die Lebensgefährtin von Tom Queally) hatte ein Pferd – Sohn Jamie hatte es in Frankreich entdeckt - war bereit, ein Viertel zu behalten, und der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte.

Sicherlich ist es ein glücklicher Umstand, dass Sprinter Sacre gesundheitsbedingt aussetzten muss, aber dies darf nicht von den Leistungen des mächtigen Fuchses in diesem Jahr ablenken: nach seinem mehr als deutlichen Erfolg in der Champion Chase nun beim vierten Start in Folge (und seinem dritten Grade 1-Erfolg) ungeschlagen, hatte der Wallach auch hier seine Zweifler (es stand noch kein Erfolg in Cheltenham zu Buche) und, wie Jamie hinterher bekannte: "Er hasste den Boden, er hasste die Bahn, er geht lieber rechts herum, und er hat trotzdem so gewonnen. Er bekommt einfach nicht die Anerkennung, die er verdient. Nach meiner Familie kommt er direkt an zweiter Stelle. Ich liebe ihn so sehr." Das tun sicher auch die so wunderbar enthusiastischen Besitzer, die in großer Anzahl den Führring belegten, mit Schals und Rosetten in Stallfarben ausgestatten, aufgeregt und sehr nervös vor dem Rennen und in überschwänglicher und ausgelassener Freude nach dem Rennen; ein „Zwerg“ mit einem einzigen Pferd im Training hatte es allen gezeigt, den Multimillionären mit ihren Armadas von Pferden, die inzwischen den Hindernissport so sehr prägen; und es war zweifelsohne der bisher emotionalste Moment des Festivals, als alle anderen Jockeys einen Spalier für Jamie und Sire de Grugy bildeten und das Team mit einem dreifachen Hurra zur Siegerehrung willkommen hießen. Selbst eingefleischte Rennbahnbesucher konnten sich nicht an solch eine Geste der Anerkennung erinnern, ein Zeichen, wie beliebt die Moores in Rennsport sind.

Der Donnerstag begann dann mit dem lang erwarteten ersten Sieg von A P McCoy. Der Champion musste aber seine ganze Finishkunst aufbieten, um in der JLT Novices' Chase über 4000m mit Taquin Du Seuil aus dem Stall von Jonjo O'Neill die Konkurrenz in Schach zu halten. Zweiter wurde mit Uxizandre ein Pferd im Besitz von JP McManus, der McCoy für den Ritt auf Taquin de Seul freigegeben hatte - eine noble Geste, doch beinahe wäre das für Rekordjockey schief gegangen. Dieser war nur unter Schmerzen in den Sattel gestiegen, Folgen eines Sturzes vom Vortag, bei dem er sich leichte Prellungen zugezogen hatte. Schlimmer dran war der Kollege Bryan Cooper, für den nach einem Beinbruch am Mittwoch erst einmal eine längere Pause angesagt ist. 

Ein eher bitteres Rennen war dagegen für A P McCoy das mit größter Spannung erwartete Ladbrokes World Hurdle über drei Meilen. Angesagt war ein Duell zwischen Big Buck's, der die Szene über Jahre beherrscht hatte, aber eine lange Verletzungspause zu überbrücken und erst im Januar sein Comeback gefeiert hatte, und der Aufsteigerin Annie Power. Doch am Ende triumphierte in den McManus-Farben More Of That, ein Beneficial-Sohn und nahezu ein Neuling im Metier, hatte er zuvor erst vier Starts absolviert. Die hat er ausnahmslos siegreich bestritten, zuvor im Dezember ein Gr. II-Hürdenrennen in Cheltenham, doch waren dabei nur vier Pferde im Rennen. Und McCoy hatte sich aus dem McManus-Aufgebot für At Fishers Cross entschieden, der als Dritter gut, aber eben nicht gut genug war. Am Ende war es ein Finish zwischen dem von Barry Geraghty gesteuerten More Of That und Annie Power. Die Shirocco-Tochter aus der Anna Paola-Linie, bei zehn Starts zuvor ohne Niederlage lieferte nach einem geschickten Ritt von Ruby Walsh More Of That einen großen Kampf, musste aber auf den letzten Metern abreißen lassen. Big Buck's, nun auch schon elf Jahre alt und viermal im World Hurdle erfolgreich, war früh unter Druck, belegte am Ende nur Rang fünf - die Entscheidung, ihn nicht mehr an den Start zu bringen, fiel sehr schnell, eine große Karriere ist somit zu Ende.                                                        

      

 

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