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Champions-Day

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 390 vom Donnerstag, 22.10.2015

Ein Champion ist laut Wiktionary der "Meister in einer Sportart, erfolgreichster Sportler oder erfolgreichste Mannschaft in einer Sportart". Daraus ergibt sich eine Anspruchshaltung an eine entsprechend betitelte Veranstaltung; wenn diese zudem im Medien-Begleitheft als "Höhepunkt der Britischen und Europäischen Flach-Rennsaison" angekündigt wird, dann erwartet man zu Recht einen Tag der Superlative.  Auch wenn der 17. Oktober 2015 zu Ascot ein großer Tag für den Rennsport war, so muss man bei näherer Betrachtung doch durchaus Abstriche bei den diesen Superlativen machen.

Der Reihe nach: zum nunmehr fünften Mal wurde der von QIPCO gesponserte Champions Day auf der königlichen Rennbahn von Ascot ausgetragen; entworfen wurde das Ganze als Höhe- und Endpunkt der QIPCO Champions Series, bei der in 35 über das Rennjahr verteilten Rennen die "Meister" über Sprint-, Meilen-, Mittel- und Langer Distanz(en) sowie die Stuten-"Meisterin" ermittelt werden. Hierfür hatte man vor einigen Jahre den britischen Rennkalender - sehr zum Missfallen vieler traditioneller Fans - rigoros umgekrempelt, Rennen zeitlich und örtlich verlegt, neue Renntage geschaffen, alten, sehr beliebten Renntagen ihren Mittelpunkt genommen und allgemein für viel Unfrieden gesorgt. Eigens hat man nun auch in diesem Jahr die Modalitäten zur Ermittlung des Champion-Jockeys auf der Insel so umgekrempelt, dass dieser schon Mitte Oktober gekrönt werden konnte. Mit Silvestre de Sousa gewann ein Jockey, der gleichsam ein wenig den Takt für den Tag zu setzten schien: ein ungemein hart arbeitender und überall beliebter Reiter, dem aber der allerletzte "Wow-Faktor" ein wenig fehlt.

Mit insgesamt 4.1 Mio Pfund an Preisgeld ist dies nun der höchstdotierte Renntag auf der Britischen Insel; dumm nur, dass alleine der Prix de L´Arc de Triomphe mit seiner 5 Millionen €-Dotierung dies als ein einziges Rennen ausgleicht; und der Renntag um den Arc mit seinem sieben Gruppe 1-Rennen den Champions Day mit seinen derer vier geradezu müde aussehen lässt. Natürlich ist der Arc-Tag mit all seinen Top-Rennen den Verantwortlichen von "Great British Racing" schon lange ein Dorn im Auge, zudem sich die Sponsoren beider Renntage nicht nur geografisch durchaus nahe stehen; jedoch scheint man auf der Insel keine Mittel gegen die kombinierten Öl- und buchmacherfreien französischen Renn-Millionen zu haben.

Bei aller Betonung der eigenen Größe ist und bleibt es eine Tatsache, dass, was das Preisgeld angeht, England den Anschluss an Frankreich schon lange verloren hat, von den großen Börsen in USA/Dubai/Fernost ganz zu schweigen. Und auch wenn die Racing Post am vergangenen Samstag von der "Cream of Europe" sprach, die sich in Ascot versammeln würde, so waren es nicht die Pferde, die da waren, sondern vor allem auch die, die nicht da waren, die deutlich machten, dass es bis zum Erreichen einen sprichwörtlichen Champions Day doch noch ein weiter Weg ist. Kein Golden Horn, keine Legatissimo, The Grey Gatsby oder Postponed; von den Siegern der Long Distance Series trat nur ein einziges Pferd an  (die Leger-Siegerin/Nicht-Siegerin/Doch-Siegerin Simple Verse lief allerdings im Stuten-Rennen über 2400m). Schon lange ist kein echter Steher-Crack vom Format eines Yeats oder Double Trigger mehr auf einer Starter-Liste zu finden - der Verlust eines Pferdes vom Kaliber eines Brown Panther schmerzt da natürlich doppelt. Nach wie vor "nur" ein Gruppe 2-Rennen, bot der Long Distance Cup daher in diesem Jahr ein eher gemischtes Feld;  tatsächlich hatten nur drei der dreizehn Starter zuvor überhaupt ein Gruppe-Rennen gewonnen. Der Sieger Flying Officer gehörte nicht dazu, auch wenn dieser so nobel gezogene Gigant ganz sicher ein stark gesteigertes Pferd ist, der bei passenden Bedingungen weiterhin von sich reden machen wird. Aber ein Champion ?

Keinen Zweifel an der Klasse gab bei Muhaarar, dem Sprint-Sieger, der in Ascot sein viertes Rennen - und viertes Gruppe 1-Rennen - in Folge gewann; wäre man zu Beginn der Saison nicht der Verlockung der vermeidlich "einfachen" Meile in den französischen Guineas erlegen, wäre der Hengst in diesem Jahr gar ganz ungeschlagen, eine bemerkenswerte Leistung für einen dreijährigen Sprinter. Sicher, einer der Gruppe 1-Siege erfolgte in einem neugeschaffenen Dreijährigen-Rennen, welches für Muharaar "just in time" kam, aber der Oasis Dream-Sohn, der im Führring bereits sein Winterfell zur Schau stellte, hätte auch hier nicht beeindruckender sein können. Ein Gewinn für Scheich Hamdans Nunnery Stud, ist es ganz sicher ein Verlust für jeden Rennsport-Fan, dass die Deckanzeigen für den Hengst schon gedruckt sind (Beeilung, möchte man anmerken; die Buchungsdeadline ist bereits der 2. Dezember!). Muhaarar brachte über das ganze Jahr die so dringend benötigte Klasse zurück in eine Kategorie, die nun schon allzu lange von eisenharten, aber mehr oder weniger inkonstanten Wallachen leben musste. Sprint-Champions wie Oasis Dream, Mozart, Lochsong oder gar Dayjur schienen schon ausgestorben; Muhaarar wurde in England unisono in einem Atemzug genannt.

Unbestritten ist auch, dass mit Solow ein weiteres Klasse-Pferd den Rasen von Ascot betrat; auch wenn das erhoffte Duell mit Gleneagles zwar stattfand, aber doch ausblieb. Überhaupt waren die Queen Elizabeth II Stakes sicherlich das bestbesetzte Rennen der Karte;  beinahe ironisch, dass man sich bei einem Renntag, dessen "Kreation" mit so vielen  Traditionen brach, ausgerechnet bei diesem Rennen nicht zu einer kompletten Umbenennung durchringen konnte. Der 5-jährige Solow, der erst 2014 so richtig ins Rollen kam, gewann hier sein fünftes Gruppe1-Rennen und ist seit August 2014, als er ein Altersgewichtsrennen in Chantilly gewann, nun in neun Rennen in Folge ungeschlagen. Ein Schimmel-Sohn des 2010 verstorbenen Singspiel, ist der spätreife Wallach auch im Führring eine echte Erscheinung und besticht neben seiner Klasse vor allem durch sein wunderbares Temperament. "Er läuft immer die gleichen Rennen, er ist so eisenhart. Ein Meiler, der stehen kann. Ganz sicher einer der Besten, die ich je trainiert habe" so ein von seinem Schützling sichtlich beeindruckter Freddy Head, "Der Beste, den ich je geritten habe" ergänzte ein überschwänglicher Maxime Guyon. Gleneagles, dessen Teilnahme am Rennen lange auf der Kippe stand, und der in diesem Jahr schon auf besserem Boden zum Nichtstarter erklärt worden war (zum Zeitpunkt des Rennens war er seit 123 Tagen nicht gelaufen), konnte dagegen nie in Erscheinung treten. Aidan O´Brien reagierte im Nachgang ungewohnt dünnhäutig  zu der unvermeidlichen Kritik am Start des Hengstes, der nun im Breeder´s Cup Classic über 2000m an den Start kommen könnte ("Die, die mit solcher Kritik kommen, haben ja meistens am wenigsten Ahnung, nicht wahr?" )

Mit Simple Verse war immerhin ein klassischer Sieger auf der Roll of Honour des Renntages; die mächtige Siegerin des St. Leger, welches in England ja tatsächlich noch unter den klassischen Bedingungen gelaufen wird, brauchte auch ihr ganzes Stehvermögen, um sich in einem guten Feld mit immerhin fünf Gruppe 1-Siegerinnen zu behaupten.

Die Champion Stakes bilden den Mittel- und Höhepunkt des Tages, wie sie es - viele Rennsport-Fans erinnern sich wehmütig - vor langer Zeit auch in Newmarket taten. Ein Rennen mit einer langen Tradition (die erste Austragung fand 1877 statt), hat die Verlegung nach Ascot besonders viele Gemüter beunruhigt. Mit der steigenden Internationalität des Rennsports hatte das Rennen auch vor seiner Verlegung schon zu kämpfen; die zeitliche Lage relativ kurz vor dem Breeder´s Cup hat schon so manchen glamourösen Starter gekostet; auch in diesem Jahr traten bei 13 Startern gerade einmal drei Pferde an, die zuvor jeweils ein Gruppe 1-Rennen gewonnen hatten. Der Sieger Fascinating Rock reiste mit einigen Gruppe 3 -Siegen im Gepäck nach Ascot, es war  der durchwachsenen Konkurrenz - jenseits des Favoriten Jack Hobbs - und vor allem seinem so cleveren Trainer Dermot Weld geschuldet, das der Hengst hier „nur“ 110:10 zahlte. Auch wenn Weld auf seinen Schützling immer große Stücke hielt, so ist er weit davon entfernt, ein Champion zu sein und sicher nur ein durchschnittlicher Sieger dieses Traditions-Rennens.

Die Welt steht nicht still, und die des Rennsports auch nicht. Neue Mächte im Sport locken mit Preisgeldern in schwindelerregenden Höhen, und wenn sich "Great British Racing" auch dank seiner langen Tradition und Klasse nach wie vor einen guten Ruf bewahrt, so ist dies nicht automatisch eine Garantie, dass die vierbeinigen Stars in Scharen anreisen. Der Ruf, dem Royal Ascot in der Rennsport-Welt vorauseilt, mag die Defizite auf monetärer Seite (noch) kompensieren,  und ist der Champions Day auch eine vielleicht notwendige und unvermeidbare Entwicklung,  so ist der Tag noch nicht der „finished article“.  Zum einen sind sechs Rennen selbst für ein Land wie England eine doch recht schmale Karte, das Fehlen jeglicher Zweijährigen-Rennen macht sich am Tag selber schon bemerkbar. Teil der großen Verschiebungen war die Verlegung diverser traditionsreicher Zweijährigen-Rennen, dem daraus resultierende „Future Champions Day“ mangelt es allerdings selber klar an Format, auch hat er noch immer keinen festen Tag im Rennkalender gefunden. Hier wird eine Kehrtwende viel Überzeugungsarbeit brauchen. Ein weiteres Problem des Tages ist natürlich auch das späte Datum im Oktober, welches guten Boden beinahe per se ausschließt. Hier denkt man nun tatsächlich über Regendecken (für die Rennbahn!) nach.

Catrin Nack 

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