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Die "Blauen" auf deutschen Rennbahnen

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 483 vom Donnerstag, 31.08.2017

Man muss kein eingefleischter Turf-Fan und Dauerbesucher jeder Rennveranstaltung sein, um das einfarbig königsblaue Renndress der unter der Besitzerbezeichnung „Godolphin“ laufenden Vollblüter zu kennen. Bei der laufenden Großen Woche waren die Farben bislang noch nicht zu sehen, doch wird dies im Großen Preis von Baden am kommenden Sonntag anders aussehen, wenn mit Best Solution und Prize Money gleich zwei Godolphin-Schützlinge an den Start kommen. Ohnehin gehören die meist aus England per Flugzeug anreisenden Godolphin-Vertreter zu den treuen Stammgästen deutscher Blacktype-Prüfungen, allein in den letzten vier Wochen waren sechs "Blaue" hierzulande am Start. Noch vor zwei Wochen liefen zwei Godolphin-Vertreter, Hawkbill und Racing History, im Großen Preis von Berlin (Gr. I) in Hoppegarten, mussten sich dort jedoch Dschingis Secret geschlagen geben. In den letzten Jahren läuft es bei den häufigen Gastspielen auf deutschen Rennbahnen insgesamt nicht so richtig rund, kein einziger Sieg gelang bislang in der aktuellen Turf-Saison, auf Gruppe-Ebene herrscht schon seit sechs Jahren Flaute. Dass es in der Vergangenheit auch ganz andere Phasen gab, in denen Godolphin-Galopper in Deutschland Erfolg an Erfolg reihten, wollen wir in dieser Rückschau auf die mittlerweile 23 Jahre umfassende Historie der „Blauen“ in Deutschland beleuchten.

Die Geschicke des global agierenden Vollblutimperiums Godolphin werden in Dubai von Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum bestimmt. Der heute 68jährige Herrscher des Emirats Dubai war im Alter von 17 bis 19 Jahren zu Ausbildungszwecken im englischen Cambridge. In dieser Zeit besuchte er im Mai 1967 mit einem seiner Brüder am Tag der englischen 2000 Guineas erstmals eine Galopprennbahn. Dieser Besuch in Newmarket hat einen prägenden Einfluss auf ihn gehabt. Zehn Jahre später war es die Stute Hatta, die als erste einen Sieg auf der Rennbahn im südenglischen Brighton für Scheich Mohammed errang. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Verteidigungsminister in seiner Heimat und ließ in England einige Vollblüter trainieren, bei denen noch nicht Godolphin, sondern Scheich Mohammed selbst als Besitzer angegeben war.

Bis zur Gründung des Vollblutimperiums Godolphin sollten noch weitere 15 Jahre vergehen, in denen er seine Turf-Aktivitäten kontinuierlich intensivierte und professionalisierte. 1981 stieg er in die Vollblutzucht ein, indem er das englische Gestüt Dalham Hall unweit von Newmarket erwarb, fünf Jahre später folgte das irische Gestüt Kildangan. Die drei weiteren Gestüte, zwei in Australien und die Jonabell Farm im US-Bundesstaat Kentucky, die heute zu den unter dem Namen Darley zusammengefassten Zuchtstätten der Godolphin-Vollblüter gehören, wurden erst nach der Jahrtausendwende erworben, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem Scheich Mohammed seine Turf-Aktivitäten bereits im Unternehmen mit dem an einen der drei Stammväter der englischen Vollblutzucht erinnernden Namen Godolphin gebündelt hatte.

In den ersten beiden Jahrzehnten vor der Godolphin-Gründung waren die im aktiven Rennbetrieb eingesetzten Vollblüter des Dubai-Herrschers über zahlreiche Quartiere in vielen Ländern verteilt. Auch in Deutschland wurden phasenweise Anfang der 90er Jahre einige Vollblüter von Uwe Ostmann und Andreas Wölhler für Scheich Mohammed trainiert. Im Jahr 1992 startete der Konzentrationsprozess durch den Aufbau von Godolphin. Zunächst wurde in Dubai ein Trainingsquartier errichtet, das als Überwinterungsquartier zahlreicher in Europa stationierte Vollblüter im Besitz von Scheich Mohammed und seiner drei Brüder diente. Während des Aufenthalts in Dubai firmierten diese Galopper, die zuvor in Europa in unterschiedlichen Renndressen der einzelnen Maktoum-Brüder an den Start gingen, einheitlich unter der Besitzerangabe Godolphin und liefen in den königsblauen Farben. Der erste Erfolg eines „Blauen“ fand somit in Dubai auf der damaligen Rennbahn Nad Al Sheba statt. Am Heiligabend des Jahres 1992 siegte der Be My Guest-Sohn Cutwater in einem Maidenrennen für den Derby-Jahrgang. Kein imposanter Sieg, kein imposanter Sieger (Cutwater gewann trotz zahlreicher Versuche kein weiteres Rennen in seiner Karriere) und dennoch der Beginn einer unglaublichen Erfolgsgeschichte im Turf.

Trainiert wurde der erste Goldolphin-Sieger von Hilal Ibrahim, dem ersten angestellten Trainer des Quartiers. Diese Rolle verlor Ibrahim schon nach einem Jahr, ersetzt wurde er von Saeed bin Suroor, einem ehemaligen Polizisten aus Dubai, der die Rolle des Godolphin-Cheftrainers auch heute noch innehat. Mit ihm begann auch die zweite Phase in der Godolphin-Geschichte, als 1994 die „Blauen“ auch außerhalb Dubais auf den europäischen Rennbahnen unter der Besitzerangabe Godolphin mitmischten. Mit den Stanley House Stables wurde in Newmarket ein Trainingsquartier von Godolphin gekauft und von Saeed bin Suroor zu einer der führenden Trainingsstätten in England aufgebaut, viermal gelang ihm der Gewinn des englischen Trainingschampionats. Heute ist die Godolphin-Streitmacht in Newmarket auf zwei Trainer aufgeteilt, wobei neben Saeed bin Suroor der Brite Charlie Appleby seine Arbeit in einem benachbarten Stall verrichtet. Neben diesen beiden ausschließlich für Godolphin tätigen Trainern bereiten auch zahlreiche weitere Trainer in England, Frankreich, Irland, den USA und Australien ein mehr oder weniger großes Lot für Godolphin auf den Rennbetrieb vor, insgesamt stehen aktuell weltweit rund 750 Rennpferde in Godolphin-Besitz. Die Erfolge sind legendär, rund 4000 Rennen gewann die „Blauen“ bislang international, mehr als 250 davon auf Gruppe I Parkett.

Doch wie sieht ihre Bilanz auf deutschen Rennbahnen aus? Der erste Godolphin-Treffer in Deutschland ereignete sich bei der Großen Woche 1994 in Iffezheim. Im damaligen Spreti-Rennen machte der damals 5jährige Cezanne unter Gary Hind im königsblauen Renndress den Auftakt für das neue Dubai-Unternehmen. Ungewöhnlich an diesem Godolphin-Sieg ist allerdings der dafür verantwortlich zeichnende Trainer, da es sich nicht um Saeed bin Suroor handelte, sondern um Sir Michael Stoute. Bis sich der nächste Godolphin-Vertreter in eine deutsche Siegerliste eintragen konnte, dauerte es dann erstaunliche vier Jahre. Der zuvor im italienischen Derby (Gr. I) erfolgreiche Central Park siegte unter Daragh O'Donohoe im Hoppegartener Europa-Championat (Gr. II).

Der erste klassische Erfolg in Deutschland gelang dem Godolphin-Hengst Pacino unter Paul Eddery im Kölner Mehl-Mülhens-Rennen im Mai 2000. Das Jahr der Jahrtausendwende brachte noch zwei weitere Gruppe-Erfolge für Godolphin in Deutschland. Im Juli des Jahres ließ sich zunächst Slip Stream mit Paul Eddery im Sattel die Berlin Brandenburg-Trophy (Gr. II) in Hoppegarten nicht nehmen, anschließend gewann Mutafaweq unter Richard Hills den Deutschland-Preis (Gr. I) in Düsseldorf. Diesem ersten Triumph auf Gruppe I Ebene für Godolphin in Deutschland sollten in der Folgezeit noch elf weitere Siege auf höchstem sportlichen Level folgen.

Den Anfang machte in 2001 der In the Wings-Sohn Kutub, der durch Erfolge im Münchener Dallmayr-Preis und Kölner Europa-Preis ein Gruppe I Doppel schaffte. Diesem Vorbild eiferten in den folgenden beiden Jahren zunächst der spätere Arc-Heroe Marienbard mit Siegen im Düsseldorfer Deutschland-Preis und Großen Preis von Baden und anschließend Mamool mit Erfolgen im Großen Preis von Baden und Kölner Europa-Preis nach. Alle sechs Ritte der zweifachen Gruppe I Sieger führte im übrigen Frankie Dettori aus und zelebrierte seinen berühmten Dettori-Jump auch auf deutschen Rennbahnen.

Nach drei Jahren Pause war es im August 2006 der Schimmel Cherry Mix, diesmal mit dem australischen Jockey Kerrin McEvoy im Sattel, der im Kölner Rheinland-Pokal erneut einen Treffer auf höchstem Gruppe-Parkett landete. Die nächsten Godolphin-Siege sind erst im Jahr 2010 in den Annalen des deutschen Rennsports verzeichnet, doch dafür sind es dann gleich fünf, eine bis heute gültige Rekordmarke für die „Blauen“ in Deutschland. Im Mai machte Frozen Power unter Frankie Dettori mit seinem Erfolg im klassischen Mehl-Mülhens-Rennen den Auftakt. In Hamburg gingen die beiden damals als Gruppe I gelaufenen Prüfungen der Derby-Woche ins Godolphin-Quartier: Campanologist mit Frankie Dettori im Sattel gewann den Großen Preis von Lotto Hamburg, einen Tag später triumphierte Buzzword unter Royston Ffrench als erster – und bislang einziger – im Ausland trainierter Vollblüter im Deutschen Derby. Campanologist beließ es nicht bei einem Gruppe I Treffer, er siegte auch einen Monat später im Kölner Rheinland-Pokal. Im Sattel hatte er dabei Adrie de Vries, der für den durch einen Autobahn-Stau auf der Anreise vom Düsseldorfer Flughafen aufgehaltenen Frankie Dettori kurzfristig eingesprungen war. Beim fünften und letzten Godolphin-Treffer im Rekordjahr 2010 saß Frankie Dettori dann wieder im Sattel. Er steuerte Emerald Commander zu einem ungefährdeten Sieg im Oettingen-Rennen während der Großen Woche in Iffezheim.

Das folgende Jahr 2011 verzeichnet mit Campanologists Erfolg im Kölner Europa-Preis nur einen Erfolg, diesen jedoch standesgemäß auf Gruppe I Ebene, jetzt wieder mit Frankie Dettori im Sattel. Der später im Gestüt Fährhof als Deckhengst aufgestellte, jedoch schon Ende 2015 eingegangene Campanologist avancierte damit auch zum erfolgreichsten Goldolphin-Vertreter in Deutschland, keinem anderen gelangen drei Siege, alle auf höchstem Niveau, hierzulande.

Ein anderer Godolphin-Vollblüter findet sich auch dreimal in den Top-Platzierungen dreier deutscher Gruppe I Rennen, doch niemals an der Stelle des Siegers. Der Singspiel-Sohn Eastern Anthem bestritt im Jahr 2009, in dem er im Frühjahr das Dubai Sheema Classic gewonnen hatte, anschließend in englischen Gruppe I Prüfungen jedoch keine Chance hatte, nacheinander den Kölner Rheinland-Pokal, den Großen Preis von Baden und den Kölner Europa-Preis. Keines der Rennen konnte er gewinnen, doch platzierte er sich in allen drei. Nach Rang 3 bei seinem ersten Deutschland-Gastspiel folgten sowohl im Großen von Baden als auch im Kölner Europa-Preis ein 2. Platz. Gerade in Köln fehlte ihm nur die berühmte Nasenspitze gegen den heutigen Etzeaner Deckhengst Jukebox Jury, sonst wäre er hier auch als Gruppe-Sieger vorgestellt worden.

Den 18 Gruppe-Siegen im Zeitraum 1994 bis 2011 sind in den folgenden Jahren keine weiteren mehr gefolgt. Versucht haben es Godolphin-Vertreter insbesondere in den deutschen Gruppe I Prüfungen immer wieder, doch der Volltreffer blieb in dieser Zeit hierzulande aus. Im Jahr 2014 begann jedoch die Serie der Erfolge in Stuten vorbehaltenen Listenrennen für die in Frankreich von Henri-Alex Pantall vorbereiteten Godolphin-Vertreterinnen. Insgesamt achtmal waren von Pantall trainierte Stuten, deren Jockeys das königsblaue Godolphin-Dress trugen, auf Listenebene in den einschlägigen Stutenrennen in Köln, Hannover, Düsseldorf und Iffezheim erfolgreich.

Am kommenden Sonntag könnte Godolphin auch auf höchster Gruppe-Ebene wieder in die Erfolgsspur zurückfinden. Mit dem 3jährigen Hengst Best Solution und dem ein Jahr älteren Prize Money, beide von Saeed bin Suroor trainiert und bereits mit Siegmeriten in Gruppe-Prüfungen ausgestattet, sind die „Blauen“ im Iffezheimer Saisonhöhepunkt gleich doppelt vertreten. Dasselbe Godolphin-Paar war Ende Juli erstmals in Deutschland am Start, als sie sich im Münchener Dallmayr-Preis (Gr. I) dem auch am Sonntag zu ihren Gegner zählenden Iffezheimer Titelverteidiger Iquitos deutlich geschlagen geben mussten und anderthalb (Best Solution auf Rang 2) bzw. knapp zehn Längen (Prize Money auf Rang 6) hinter dem amtierenden Galopper des Jahres endeten. Keine idealen Voraussetzungen für den Erfolg, doch wird man sehen, wie sich die um 400m längere Renndistanz und die sich abzeichnenden veränderten Geläufbedingungen in Iffezheim auswirken werden. Allerdings erwies sich Iffezheim in der Vergangenheit stets als schwieriges Pflaster für Godolphin, nur vier der 18 deutschen Gruppe-Siege gelangen auf Deutschlands Vorzeigerennbahn.

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