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Aintree-Impressionen

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 110 vom Freitag, 16.04.2010

Rund drei Wochen nach dem Cheltenham-Festival stand mit dem Grand National Meeting von Aintree (Liverpool) ein weiteres Highlight der englischen Hindernis-Saison an. „Bigger – Better – Brighter – Louder“ scheint sich Aintree auf die Fahnen geschrieben zu haben, und tatsächlich gleicht das Meeting inzwischen mehr einem Volksfest denn einer Rennveranstaltung. Dies tut den Besucherzahlen und der Stimmung keinen Abbruch – im Gegenteil. Entgegen des landesweiten Trends konnten Verantwortlichen die Anzahl der zahlenden Zuschauer erneut steigern – insgesamt 150.426 Zuschauer strömten in den drei Tagen durch die Tore, wobei der Grand National –Tag selber mit 70.341 Gästen natürlich den Löwenanteil einnahm, aber auch der zum „Ladies Day“ ausgerufene Freitag erzielte mit über 53.000 Zuschauern einen neuen Besucherrekord und erhielt das Prädikat „ausverkauft“  (am Grand National-Tag werden weitere Bereiche entlang des Grand National Kurses geöffnet).

Rein sportlich stand Aintree dem Meeting in Cheltenham kaum etwas nach, doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies für den Großteil der Zuschauer eher zweitrangig ist – man kommt, um sich zu vergnügen, man kommt am Freitag, um seine Abendgarderobe schon tagsüber auszuführen, und man kommt auch, um dem Sponsor des Meetings – einer großen Brauerei – zu neuen Rekordumsätzen zu verhelfen. Da muss sich nicht unbedingt die Pferde angucken. Dabei gaben sich an allen drei Tagen veritable Stars der Szene ein Stelldichein, der erste Tag begann mit dem Auftritt des amtierenden Champion Staying Hurdlers Big Bucks, der in der Liverpool Hurdle (Grade 1) erwartungsgemäß wenig Probleme hatte, seine Gegner abzufertigen.

Der Triumph-Hurdle Zweite Barizan lief in der Vierjährigen Novice Hurdle erneut ein großes Rennen, wurde aber genau auf der Linie von einem großen Außenseiter abgefangen: Orsippus aus dem Stall von Michael Smith, der sieben Pferde trainiert, die alle seiner Frau gehören. „Ich musste langsam mit dem Gewinnen anfangen, sonst hätte ich kein Frühstück mehr bekommen", witzelte der Trainer nach dem Rennen. Direkt darauf folgte das Highlight des ersten Tages – der Auftritt des amtierenden Cheltenham Gold Cup Siegers Imperial Commander in der Totesport Bowl, einem Grade 1-Rennen über rund 5000m. Doch es zeigte sich erneut, wie unterschiedlich die Anforderungen von Cheltenham und Aintree sind, und dass es eines besonders harten Pferdes bedarf, um bei beiden Meetings zu punkten: Aintree´s flacher, enger Chase-Kurs behagt nicht unbedingt jedem Pferd, und Imperial Commander schien zu keiner Zeit glücklich und verlor nach einigen haarsträubenden Fehlern schließlich seinen Jockey Paddy Brennan. Es siegte, sehr zur Freude von Sir Alex Ferguson, dem das Ausscheiden seines Clubs Manchester United gegen die Bayern am Abend zuvor noch sichtlich in den Knochen steckte, der junge, aufstrebende und vor allem geschonte What A Friend, der wie Big Bucks von Paul Nicholls trainiert und von Ruby Walsh geritten wurde.

Am Ladies Day treten die Pferde nun wirklich endgültig in den Hintergrund: Liverpools Finest kommen und führen ihre Kleider aus – bunt, schrill, kurz oder lang – wer kann da ein Auge für Vierbeiner haben? Da konnte sich der kleine, aber oh so talentierte Burton Port noch so bemühen (auf jeden Fall ein Name für jedes Notizbuch!) und der Champ Tony McCoy auf seinem willigen Partner Albertas Run ein famoses Cheltenham–Aintree Doppel hinlegen – geschenkt! Was zählte, war, ob die Style-Spotter dich zur finalen Modenschau auswählten. Außer natürlich für die beiden jungen Damen, die an diesem Freitag die Placepot–Wette mit einem Einsatz von 20 Pfund „auf den Kopf“ trafen. Die Placepot-Wette, bei der man die platzierten Pferde der ersten sechs Rennen eines jeden Tages voraussagen muss, kann man bereits ab einem Einsatz von 10pence pro Linie spielen – aber das hatte den Damen natürlich keiner gesagt: „Wir wussten gar nicht, was wir taten. Wir hatten ein paar kleine Tipps, haben uns aber an unsere Lieblingsnamen gehalten. Uns hat keiner gesagt, dass man die Wette nicht mit 20 Pfund spielen sollte. Uns war klar, dass wir gewonnen hatten, und unsere Freunde meinten, es gibt ein paar hundert Pfund. Als wir jedoch zum Tote-Schalter gingen, entglitt der Dame dort direkt das Gesicht - sie sollte uns 21.500 Pfund auszahlen …."

Der Grand National Tag begann wie immer mit der Parade der „Champions“ – ehemaliger Grand National Sieger, die ihren Ruhestand für einen Tag unterbrechen, um sich den Fans zu zeigen. Diese Veranstaltung wird von Jahr zu Jahr beim Publikum beliebter, und zehn alte Kämpen – inklusive des 2007-Siegers Silver Birch, der noch am Tag zuvor im „Trost-National“ über den Kurs gekommen war – präsentierten sich geschniegelt und gestriegelt und in Top-Kondition, allen voran der inzwischen  27 Jahre alte Miinnehoma, Sieger in 1994. Dem Grand National als fünften Rennen auf der Karte gingen eine hochklassige Novice Chase, in dem der Ex-Deutsche Bergo einen beachtenswerten vierten Platz belegte – auch hier siegte Team Nicholls-Walsh, diesmal mit dem talentierten Tataniano, voraus; die nachfolgende Aintree Hurdle, die in diesem Jahr zu Ehren des verstorbenen Krimi-Autors Dick Francis gelaufen wurde, wurde leichte Beute für den enigmatischen Khyber Kim, welcher sich in Cheltenham in der Champion Hurdle noch Binocular hatte geschlagen geben müssen. Hier jedoch gab es kein Verlieren: nach dem Sturz von Celestial Halo am vorletzten Sprung eines ernsthaften Gegners beraubt (und dieser Sturz beendete Ruby Walsh Griff nach dem Grand National – er wurde von einem nachfolgenden Pferd am Arm getroffen und brach sich diesen an zwei Stellen), katapultierte eine atemberaubende Beschleunigung Khyber Kim an die Spitze des Feldes zu einem eindrucksvollen Fünf-Längen–Sieg.

Das Grand National selber blieb erneut nur seinen eigenen Gesetzen treu: allen Spekulationen im Vorfeld zum Trotz, wessen „Story“ denn in diesem Jahr geschrieben werden würde, wurde es in 2010 endlich zum Triumph eines Mannes, der auf diesen Sieg bereits seit 15 Jahren wartete, dem Liebling der Massen, dem Rekord-Jockey aller Zeiten: Anthony Peter – AP- „Tony“ McCoy, der auf dem zehnjährigen Don´t Push It saß. Der eigenwillige Braune gab McCoy einen Traumritt „ Ich wußte bereits nach einer Meile, dass ich ihn für nichts in der Welt hätte tauschen wollen – für nichts, und ich meine nicht nur Pferde! Er liebte, was er tat, und ich liebte, was er tat“ beschrieb McCoy seinen Ritt bei der anschließenden Pressekonferenz. In den Farben vom legendären Wetter und Ex-ManU–Mitbesitzer JP McManus und trainiert von Jonjo O´Neill – auch für diese beiden war es nach langen Jahren der erste Sieg in diesem Monstre-Rennen. „Ich war noch nie in diesem Presseraum – es sieht hier ganz nett aus", staunte McManus, während Jonjo witzelte: „ Ich bin als Jockey nie weiter als bis zum Canal-Turn gekommen. Als ich heute mit meiner Tochter der Kurs abging, sagte ich an dem Sprung zu ihr ,das ist es, weiter kenne ich mich hier nicht aus!“ Von 40 gestarteten Pferden, auf die das Feld aus Sicherheitsgründen beschränkt ist, erreichten 14 Pferde das Ziel, doch zum Glück kam es in diesem Rennen zu keinen ernsthaften Verletzungen von Pferd oder Reiter. Ein würdiger Abschluss eines großen Meetings.

Catrin Nack

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