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Ach Was und der Stall Wo laufen sie denn?

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 344 vom Donnerstag, 20.11.2014

Freude über den zweiten Ach Was-Sieg in Magdeburg: Der Stall Wo laufen sie denn? mit (v.l.n.r.) Lennart Sundermann, Rennreiterin Alexandra Vilmar (mit Sponsor im Hintergrund), Ulrike, Kathrin, Valentin und Christian Sundermann. Foto: Daniela FaustFreude über den zweiten Ach Was-Sieg in Magdeburg: Der Stall Wo laufen sie denn? mit (v.l.n.r.) Lennart Sundermann, Rennreiterin Alexandra Vilmar (mit Sponsor im Hintergrund), Ulrike, Kathrin, Valentin und Christian Sundermann. Foto: Daniela FaustIn der vorletzten Ausgabe von Turf-Times haben wir über das Engagement des Rennstallbesitzers Christian Sundermann und seiner Frau Ulrike berichtet, die in Magdeburg das Ach was-Rennen gesponsort haben: Klick zum Bericht. Eine ganz und gar private Initiave des Unternehmensberaters aus München, der damit den Betreibern der Magdeburger Rennbahn, auf der sein gleichnamiger Wallach in diesem Jahr besonders erfolgreich war, einfach einmal „Danke!“ sagen wollte. Denn auf der von Hochwasser gebeutelten Bahn, die aufwändig wieder renoviert worden ist, würden "Galopprennen gelebt, nicht nur veranstaltet", meint Sundermann, der als ausgewiesener Wettexperte gilt, was ihm auch vor einigen Jahren ein arbeitsreiches Ehrenamt im deutschen Galopprennsport eingebracht hat. 

Mittlerweile ist der 49jährige Mitbegründer und Vorstand der CFO AG nur noch beratend im Rennsport tätig, aus gutem Grund, wie er im nachfolgenden Interview andeutet. Den Humor hat Sundermann trotz allem nie verloren, was kann man auch anderes erwarten von einem Mann, der sich als „Vollblut-Loriotiker“ bezeichnet. 

Das Loriot-Pferd Ach Was: Der 6-jährige Wallach mit seiner Reiterin Alexandra Vilmar und Besitzer Christian Sundermann bei seinen Siegen in Magdeburg und Hoppegarten und beim Aufgalopp in Magdeburg (rechts). www.galoppfoto.de - Brose/Heinzmann/SchwarzDas Loriot-Pferd Ach Was: Der 6-jährige Wallach mit seiner Reiterin Alexandra Vilmar und Besitzer Christian Sundermann bei seinen Siegen in Magdeburg und Hoppegarten und beim Aufgalopp in Magdeburg (rechts). www.galoppfoto.de - Brose/Heinzmann/Schwarz

Turf-Times: Ihr Pferd heißt Ach Was, läuft für den Stall Wo laufen sie denn? und Ihr Dress zeigt den knollennasigen, ahnungslosen Fernglasträger aus dem gleichnamigen Sketch von Loriot. Wie kommt man denn auf so was?

Christian Sundermann: Meine Frau Ulrike und ich sind „Vollblut-Loriotiker“ und wollten diese Leidenschaft auch auf unser Galopprennsport-Engagement übertragen. Was liegt da näher als dieser von Loriot so lustig animierte Rennbahn-Sketch von Wilhelm Bendow und Paul Morgan aus dem Jahr 1926? Technisch unterstützt wurden wir von einem Freund, der auf Basis des VHS-Videos die Designvorlage für unseren „etwas anderen“ Renndress entwarf. 

Die Briefmarke zum Sketch: Wo laufen sie denn? Der Klassiker der Rennbahn, hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=7LgWlAUnW9wDie Briefmarke zum Sketch: Wo laufen sie denn? Der Klassiker der Rennbahn, hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=7LgWlAUnW9w

TT: Darf man das einfach so?

CS: Da wir das Thema nicht kommerziell nutzen, ist es rechtlich unproblematisch. Das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen legte uns damals aber trotzdem nah, sicherheitshalber das persönliche „OK!“ von Loriot einzuholen. Zum Glück! So entstand tatsächlich ein persönlicher Kontakt zu Vicco von Bülow. Die Erfüllung eines Traumes für mich! Ich habe mir seine Postanschrift besorgen können und ihm ausführlich unseren „Loriot-Werdegang“ geschildert (Abhaltung von Loriot-Seminaren im Freundeskreis mit Verleihung des „Großen Loriotikums“, Trauung auf loriotisch durch unsern Kaplan, Geburtsanzeigen unserer Kinder mit Loriot-Symbolen etc.). Dann schellte das Telefon und Vicco von Bülow gab mir amüsiert seine persönliche Zustimmung für die Nutzung seiner Zeichnung für den Renndress und für den „Stall Wo laufen sie denn?“.

TT: Bevor wir zu Ach Was kommen, der seit vier Jahren das Aushängeschild ihres Stalles ist, noch einmal zu den Anfängen. Wie sind Sie überhaupt zum Rennsport gekommen?

CS: Zum Galopprennsport kam ich über eine gewonnene RennQuintett-Wette im Alter von 15 Jahren. Ja, ich weiß, ich durfte das noch gar nicht. Deshalb ist auch irgendwie der Name meiner Mutter auf den Spielschein gekommen… Aber der – aus heutiger Sicht unglaublich hohe - Jackpot von 1,5 Mio. DM lockte doch so sehr, dass ich es einfach mal versucht habe. Geknackt habe ich den nicht, hatte für 1,- DM aber die Dreierwette beim "Pferdetoto" geradeaus getroffen: Und die gewonnenen 220,- DM in bar waren richtig viel Geld. Und auf einmal rannten in der sonntäglichen Sportschau nicht einfach nur ein paar Pferde im Kreis, und eins davon gewann, sondern es liefen ein paar Pferde im Kreis - und auch ich konnte mitgewinnen! Der Galopprennvirus hatte mich gekapert. Die Begeisterung stieg nach den ersten Galopprennbahn-Besuchen in Gelsenkirchen-Horst und Hamburg-Horn. Damals beschloss ich, irgendwann einmal ein Rennpferd zu kaufen…

TT: Los ging es ja im Jahr 2000 mit dem Wallach Texas Ranger in München, dann folgten Fat Snail und Kasai und jede Menge Starts in kleineren Rennen, das war alles noch nicht so wahnsinnig aufregend. Aber dann kam das erste Pferd, dem Sie anscheinend selbst den Namen gegeben haben und der erste Sieger: Ifag Mannheim. Der Blick auf dessen (viel zu kurze) Rennkarriere gibt eigentlich die ganze Bandbreite des Rennsportlebens wieder....

CS: Ja, Texas Ranger war unser erstes Pferd. Seinetwegen entstand der Kontakt zu Loriot, schließlich brauchte der ja einen Renndress beim ersten Start. Loriot monierte im vorgenannten Telefonat, das „Texas Ranger“ ja nun überhaupt nichts mit seinen Werken zu tun habe. Da seien wir doch inkonsequent. Aber wir hatten ihn als Zweijährigen gekauft, konnten ihn deshalb nicht mehr loriotisch taufen. Ich konnte Vicco von Bülow aber versichern, dass wir natürlich alle Jährlinge  loriotisieren würden. Er bat sofort darum, bei den Namensgebungen mitwirken zu dürfen, was uns besonders freute.

Und bereits Fat Snail war ein „Loriot-Pferd“ und zeigte den praktizierten Loriotismus in reinster Form im deutschen Behörden- und Verwaltungsdenken auf: Wir ersteigerten den Jährling „Fürstenberg“ bei der BBAG. Meine Frau war die Schnellste bei der Namenssuche mit „F“: Fette Schnecke! Loriot war begeistert: „Wenn ein Pferd nur zwei  Eigenschaften haben muss, dann sind das Schnelligkeit und Schlankheit. Fette Schnecke passt ideal! Wenn ich den Sketch noch nicht geschrieben hätte, würde ich ihn nun für Sie und Fette Schnecke schreiben!“ Aber das Direktorium trug den Namen nicht ein, weil „die Schnecke“ weiblich sei, Fürstenberg aber ein Hengst. Mein biologischer Hinweis „Schnecke = Zwitter = männlich UND weiblich“ wurde nicht akzeptiert, sondern linguistisch ausgekontert mit: „Im Deutschen bestimmt der Artikel das Geschlecht.“ Mein Argument „Den Preis von Europa hat Golden Snake gewonnen, ein Hengst mit dem Namen ‚goldene Schlange‘.“ führte dann zum Kompromiss „Fat Snail“. Loriot freute sich hörbar über diese verquerte Behörden-Diskussion. 

Ifag Mannheim war der nächste Lortiot-Galopper: „In Chief“ bekam die Firmierung aus dem Sketch, in dem Loriot als Direktor vergeblich versucht, Evelyn Hamann als seine Sekretärin zu vernaschen – und diese hoffnungslose Romanze endgültig verpufft, als das lange vermisste Auftragsschreiben der „Ifag Mannheim“ unter seinem Schreibtisch gefunden wird. Der Ritterschlag für den damals noch jungen Stall Wo laufen sie denn?: Ifag Mannheim mit Karoly Kerekes beim Aufgalopp zum Next Desert-Derby, wo er als größter Außenseiter auf einem respektablen 10. Platz landete. www.galoppfoto.de - Frank SorgeDer Ritterschlag für den damals noch jungen Stall Wo laufen sie denn?: Ifag Mannheim mit Karoly Kerekes beim Aufgalopp zum Next Desert-Derby, wo er als größter Außenseiter auf einem respektablen 10. Platz landete. www.galoppfoto.de - Frank SorgeIfag Mannheim schaffte es 2002 sogar ins Deutsche Derby! Bei der Parade saß eine füllige Dame neben mir auf der Hamburger Tribüne, die bei Ifag Mannheims Präsentation ihren Mann entrüstet in die Seite stieß und missbilligend verkündete: „Du, Heinz, jetzt benennen die ihre Pferde schon nach ihrer Firma!“ Loriot kam aus dem Lachen kaum noch raus, als ich ihm davon berichtete: „Es funktioniert! Wunderbar!“ 

Unser beider Lachen verstummte aber vollends, als sich Ifag Mannheim beim darauffolgenden Start im Großen Dallmayr-Preis, gerade als er als letzter Außenseiter außen enorm Boden gut machte und am Feld vorbeizog,  im Vollspeed das Röhrbein brach und vor den vollen Tribünen eingeschläfert werden musste. So schrecklich… 

Loriot wollte dann das Thema beenden, weil er uns nach seiner Überzeugung nur Pech bringen würde. Auch Fat Snail hatte sich im Österreichischen Derby ein paar Wochen zuvor einen Sehnenschaden zugezogen und wurde Reitpferd, ein weiteres Pferd starb bei einer Operation, ohne je für den Stall Wo laufen sie denn? gelaufen zu sein. 

Ich konnte ihn überzeugen, dass das ja wohl Aberglaube sei und wir jetzt erst recht weitermachen würden: So wurde ein paar Wochen später aus der Neuerwerbung „Shiftah“ dann „Schnipp Schnapp“. Ich war zwar eher für „Saugblaser Heinzelmann“, aber das war selbst Loriot ein wenig zu schlüpfrich… 

TT: Sie haben dann aber auch ein paar Jahre Pause gemacht vom Rennsport. Der Stall Wo laufen Sie denn? war verschwunden. Was waren die Gründe dafür?

CS: Ich wurde Ende 2003 „über Nacht“ Verwaltungsratsvorsitzender BBG, der Interessen-Vereinigung der deutschen Galopprennvereine. Das war ein ehrenamtlicher Fulltime-Job. In der Folge wurde German Tote übernommen und saniert, die Streitereien mit den Buchmachern beendet und neue Verträge ausgehandelt, der TV-Sender PremiereWin an den Start gebracht, etc. Aber es gab unglaublich viel „friendly fire“ von Nicht-Rennvereinsseite, so dass ich – nach meinem Rücktritt von dem Posten – im Hintergrund an den Themen weitergearbeitet habe, mir aber die ungetrübte Freude am schönen Galopprennsport fast vergangen war. Das färbte auch auf die Lust zur Haltung eigener Rennpferde ab. Allerdings haben wir unseren Stallnamen vorsichtshalber nie löschen lassen.

TT: 2010 tauchte dann Ihr Rennstall mit "Ach Was" wieder auf. 50 Mal ist er seitdem für Sie gelaufen, hat auch sechs Rennen gewonnen, aber einen Überflieger kann man ihn nicht gerade nennen. Trotzdem wurde er jetzt sogar TV-Star in Magdeburg und hat jede Menge Anhänger. Was macht so ein Pferd aus?

CS: Ja, die „Faszination Galopprennen“ flammte – zum Glück – wieder auf. „Al Qahira’s Dancer“ gefiel mir durch seine Abstammung, seinen Onkel „Assam“, einen flotten Sprinter, mochte ich sehr. Aber mit „A“ gibt es nicht viel Loriotisches. Für eine Rennbahn ist „Wir bauen uns ein ATOMKRAFTWERK“ ja nicht so wirklich passend, auch das Bettenmodell „ANDANTE“ klingt eher beruhigend als sprintstark. Tja, und was passt tatsächlich besser zu Loriot, als sein in so vielen Sketchen und Filmen lakonisch geäußertes: „Ach was!?!“ Das bestätigte Loriot mir dann auch sofort per E-Mail. Er freute sich, dass wir wieder aktiv sind und wünschte nach den vielen Enttäuschungen der Anfangsjahre viel Glück. Loriot hat dann Ach was‘ ersten Sieg im Juni 2011 per Video (Klick zum Rennen mit dem Video unter Renndetails!) erlebt und nach Aussage seiner Tochter Susanne „so herzhaft gelacht, wie schon lange nicht mehr“, auch weil Kommentator Willi Zwingmann, als Ach was mit Tamara Hofer von der Spitze aus dem Ziel entgegen stürmte, mehrfach „Wo  läuft er denn? Ja, wo läuft er denn hin?“ ins Mikrofon tönte. Den zweiten Sieg-Film hatte ich im August 2011 schon sendefertig, als just in dem Moment auf n-tv die Breaking News durchs Bild lief: „Loriot ist gestorben“. Die freudige E-Mail wurde dann ein Kondolenzschreiben an Susanne von Bülow, die aufgrund der nachlassenden Kräfte von Loriot unsere Korrespondenz pflegte, das ich zu tiefst betrübt abschickte 

Improvisation ist alles: Ach was mit Alexandra Vilmar und Besitzer Christian Sundermann nach dem Sieg am 29. Mai in Magdeburg - zugleich der 800. Sieg für Trainer Wolfgang Figge. www.galoppfoto.de -  Peter HeinzmannImprovisation ist alles: Ach was mit Alexandra Vilmar und Besitzer Christian Sundermann nach dem Sieg am 29. Mai in Magdeburg - zugleich der 800. Sieg für Trainer Wolfgang Figge. www.galoppfoto.de - Peter HeinzmannAch was ist der Traum von einem Rennpferd: Grundehrlich, bildhübsch (aber das sagt ja jede Mutter über ihr Kind…) und immer auf Draht. Dazu hat er – wie Loriot sagen würde – „ein paar liebenswert Eigenschaften“ (um das Wort „Macken“ zu vermeiden): Er geht problemlos in jede Startbox, will dort aber keine Sekunde stehen bleiben, sondern sofort ins Rennen gehen. Er versucht dann, unter der Boxentür durch zu tauchen. Dadurch verlor er zwar das Rennen am Reformationstag in Magdeburg bereits am Start, gewann dann aber doch noch den 2. Platz durch den beherzten Einsatz von Alexandra Vilmar. Wir werden jetzt wohl immer die äußerste Startbox beantragen. Dazu steckte er früher immer bockig wie ein kleiner Junge auf, wenn andere Pferde es auch nur wagten, in seine Nähe zu kommen. Das ist aber dieses Jahr anders geworden, nun fightet zurück. 

Ach was‘ Beliebtheit ist für mich untrennbar mit Alexandra „Sascha“ Vilmar verbunden. Die beiden sind ein Dreamteam! Immer wenn die beiden am Start sind, werden so viele schöne Fotos auf meiner Facebook-Seite gepostet, dass der neutrale Beobachter den Eindruck haben muss, ich wäre entweder weiblich, sehr hübsch und äußerst reitbegabt oder ein Wallach mit komischem Namen und braunem Fell… 

Ihren allerersten Ritt absolvierte Sascha auf Ach was im hochdotierten Finale der Hoppegartener Sprintserie am Einheitstag 2012 im Alter von 17 Jahren. Die beiden siegten als 366:10 Außenseiterteam und gewannen alle Sympathien der über 12.000 Zuschauer im Flug, auch durch unsere freche Renntaktik, bewusst weg von allen Pferden „jung, einsam und alleine“ an der Innenseite das Heil in der Flucht zu suchen. Dieses Rennen hat seine eigene Berühmtheit erlangt. Sportlich „nur“ ein Ausgleich III, aber dramaturgisch höchstklassig. Fast alle „Ach was“-Print-, Hörfunk- und TV-Berichte – und davon gibt es inzwischen sehr viele – beziehen sich darauf. 

Dann gab es den schrecklichen Sturz beim auf dem nicht ausreichend fürs Rennen präparierten See in St. Moritz im Februar 2014. Meine Frau und ich hatten sofort die Ifag Mannheim-Bilder vor Augen… Aber glücklicherweise kamen Alexandra und Ach was mit einem Riesenschrecken und ohne schwere Verletzungen davon! Und Sascha brachte Ach was sorgsam mit ein paar Aufbaustarts tatsächlich wieder in Form. Zwei Siege und mehrere gute Platzierungen markierten sogar das bislang gewinnreichste Jahr von Ach was. Der hat sich jetzt erst einmal seinen Winterurlaub auf der Koppel verdient. 

TT: Ich mache jetzt ein kleine Anleihe bei Loriot, würden Sie der Aussage zustimmen: „Ein Leben ohne Rennsport ist möglich, aber sinnlos...?“

GS: Vicco von Bülow würde vermutlich mit einem Fragment der Originalaussage schelmisch ergänzen „ …wenn man nicht noch Möpse hat!“ - und dabei völlig unschuldig schauen und ganz dezent lächeln. Ich aber lasse Ihre Aussage so stehen und stimme Ihnen vollends zu.

 

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